In Dresden leben zurzeit 248 Obdachlose. Hilfe finden sie in einem der acht Übergangswohnheime oder in Gewährleistungswohnungen. Die Stadt Dresden ist gesetzlich verpflichtet, wohnungslosen Menschen vorübergehend ein Obdach zur Verfügung zu stellen. Immer wieder helfen Ehrenamtliche oder Sponsoren, die Lage der Obdachlosen zu mildern. So auch Holger Siering, Vorstand der TreuWoBau Dresden AG. Er spendierte zum zweiten Advent mehrere Weihnachtsstollen für die Obdachlosen. Am vierten Advent lud das Unternehmen zum Abendessen ins Nachtcafé ein. Es gab Gänsekeulen, Rotkraut und Klöße sowie Getränke für die Bedürftigen. Außerdem gab es Geschenke – praktische Dinge wie Unterwäsche oder Socken. Sachen, die ganz besonders benötigt werden. Siering war bei der Essenausgabe dabei und konnte miterleben, wie es den Gästen geschmeckt hat. Sein Unternehmen engagiert sich auch in der Flüchtlingshilfe. „Doch wir dürfen nicht unsere eigenen armen Menschen vergessen“, sagt er.
Andernorts wird das Thema in hetzerischen Reden bemüht. Den Flüchtlingen werde geholfen, die Armen und Obdachlosen fallen hinten runter, ist von Rednern auf der Pegida-Tribüne genauso zu hören, wie in manchen Bürgerversammlungen oder öffentlichen Sitzungen von Ortsbeiräten. Sierung hat einfach zugepackt und Straßenkinder aus Dresden haben klare Stellung bezogen. „Wir lehnen es ab, uns ausspielen zu lassen. Denn: Unser Name ist Mensch! Asylsuchende sind unsere Brüder und Schwestern“, erklärte zum Beispiel die „ständige Vertretung der Straßenkinder“ im Vorfeld des Zweiten Bundeskongresses der Straßenkinder im September. Sie bekundeten ihre Solidarität mit den Asylsuchenden und schreiben weiter: „Wir benötigen Schutz, Mitmenschlichkeit, therapeutische Angebote und Ärzte. … und das benötigen Asylsuchende auch“. Der Verein Treberhilfe Dresden kümmert sich vorrangig um junge Menschen mit Lebensmittelpunkt Straße. Er war mit sieben Jugendlichen beim Bundeskongress in Berlin dabei.
Nachtcafés als Chance für Obdachlose
Mithilfe von niedrigschwelligen Angeboten und Wohnungslosenberatung sowie sozialpädagogischer Begleitung versucht das Sozialamt die Eigenverantwortung der obdachlosen Menschen zu stärken. Ziel ist, dass sie wieder in den eigenen vier Wänden leben können.
Doch nicht alle sind bereit, städtische Angebote in Anspruch zu nehmen. Sie nutzen in der kalten Jahreszeit von November bis März meist die Angebote der Nachtcafés, die täglich durch insgesamt sieben Kirchgemeinden geöffnet werden. Für einen Euro bekommen sie Abendessen und Frühstück und ein warmes, trockenes Nachtlager. Zudem können sie im Nachtcafé duschen und ihre Kleidung waschen lassen. Die zwei hauptamtlichen Mitarbeiter und vielen ehrenamtlichen Helfer haben aber auch stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte ihrer Gäste, geben Hinweise, wo sie Hilfe bekommen.
So hat es auch Matze erlebt. Er kam 2012 das erste Mal in das Nachtcafé. Er habe in seinem Leben viele Fehler gemacht, resümiert der 53-Jährige rückblickend. Doch er war bereit und in der Lage, die helfenden Hände zu ergreifen. Eine wichtige Rolle spielte dabei Steffen Kühn, einer der beiden hauptamtlichen Mitarbeiter der Nachtcafés. „Wir stehen hinter dir. Aber laufen musst du selbst“, hat er Matze zugesichert. So bekam er nach einem halben Jahr Obdachlosigkeit einen Platz in einem Übergangswohnheim, kam später bei Freunden unter, fand wieder einen Job. Seit Januar 2014 hat er sein Leben wieder im Griff, lebt in einer eigenen Wohnung, hat einen Job im Bereich IT-Technik. Er weiß die Arbeit der Mitarbeiter der Nachtcafés sehr zu schätzen. Ab und zu schaut er auch heute noch vorbei, möchte etwas zurückgeben, ihnen zeigen, dass ihre Hilfe Früchte getragen hat. Steffen Kühn freut das sehr. Doch in seiner bereits neunjährigen Tätigkeit für die Nachtcafés musste er auch lernen zu akzeptieren: „Nicht jeder nimmt diese Hilfe an.“
AWO-Heim für wohnungslose Senioren
Bernd Schmutzler war, wie man sagt, sechs Jahre „auf der Platte“. Er ist regelmäßiger Gast im Nachtcafé. Sein zu Hause war in dieser Zeit der Waldpark. Auch ihm riet Steffen Kühn sich an das Sozialamt zu wenden, um einen Platz im Übergangswohnheim zu bekommen. Ein Jahr lebte er in einem Heim an der Hamburger Straße. Diesen Oktober bot ihm das Sozialamt an, in das neu eröffnete AWO-Wohnheim für wohnungslose Senioren an der Prohliser Allee 3-5 zu ziehen. „Zuerst wollte ich nicht so richtig umziehen. Ein paar Tage hat die Eingewöhnung schon gebraucht“, meinte Bernd Schmutzler.
Inzwischen ist er angekommen. Auf den Heimleiter und die Mitarbeiter lässt er nichts kommen. „Die sind schwer in Ordnung.“ Im Heim teilt er sich sein Zimmer mit einem Mitbewohner. „Wir haben uns hier kennen gelernt und auf Anhieb verstanden“, erzählt der 60-Jährige, der nicht mehr den richtigen Antrieb hat, allein eigene vier Wände zu beziehen.
19 Bewohner ab 60 Jahre haben inzwischen in diesem Heim ein neues zu Hause gefunden. Ihre Schicksale sind ganz verschieden. Überschuldung ist ein Grund, warum es für sie nahezu unmöglich ist, eine eigene Wohnung zu bekommen. Andere können ihren Alltag nicht mehr ohne Hilfe meistern. Ihnen wird vom Sozialamt ein Betreuer zur Seite gestellt, der zum Beispiel bei Behördengängen Unterstützung gibt. „Wer sich an die Hausordnung hält und die Zuweisung vom Sozialamt pünktlich vorlegt, kann hier lange leben“, sagt Heimleiter Gunter Jentsch. Den meisten seiner Schützlinge fehle der Antrieb für eine eigene Bleibe.
Hilfe für junge Leute mit dem Lebensmittelpunkt Straße
Es gibt in Dresden nicht nur ältere Wohnungs- und Obdachlose. Auch Jugendliche und junge Erwachsene sind davon betroffen. Um diese Altersgruppe kümmert sich insbesondere der 1995 gegründete Verein Treberhilfe Dresden. Er hat seine Räume in der Albertstraße 32. In der Kontaktstelle können die jungen Leute duschen, ihre Wäsche waschen, bekommen von den Straßensozialarbeitern Unterstützung beim Ausfüllen verschiedener Anträge. Auch Kontakte zum Rechtsanwalt vermittelt das Team um Geschäftsführer Dieter Wolfer. Überschuldung spielte bei den Klienten oft eine große Rolle. „Wir machen nur Angebote. Jeder, der zu uns kommt, soll ganz frei entscheiden. Als Straßensozialarbeiter müssen wir auch damit umgehen können, dass unsere Hilfsangebote abgelehnt werden“, erklärt Dieter Wolfer. Die Arbeit seines Vereins wird vom Jugendamt Dresden gefördert. Regelmäßig stehen Sozialarbeiter und ehrenamtliche Mitarbeiter mit dem 18 Meter langen Jumbo-Bus an verschiedenen Stellen in der Stadt, haben Getränke und etwas zu Essen dabei, hören sich die Sorgen und Nöte ihre Gäste an. Donnerstags ist der Bus am Spielplatz an der Wallstraße nicht zu übersehen. An diesem Tag können die Dresdner auch Kleiderspenden am Bus abgeben.
Zukunftschancen mit der Straßenschule „KLuB“
Mit der Straßenschule wurde im Herbst 2013 in Dresden ein Projekt ins Leben gerufen, das es deutschlandweit in dieser Form nur noch in Mannheim gibt. Junge Erwachsene ab 18 Jahre in besonderen Lebenslagen und der Straße als Lebensmittelpunkt wird die Möglichkeit gegeben, sich auf die Schulfremdenprüfung für den Haupt- und Realschulabschluss vorzubereiten. In den Räumen an der Königsbrücker Straße 4 lernen sie in Kleingruppen oder bekommen Einzelunterricht.
Die rund 20 ehrenamtlichen Lehrer brauchen dabei viel Geduld. Nicht immer halten sich ihre Schützlinge an die vorgegebenen Unterrichtszeiten, sind unkonzentriert oder nicht motiviert genug. Doch die ersten Erfolge konnte die Straßenschule im Sommer dieses Jahres bereits feiern. Drei Absolventen haben nun ihren Realschulabschluss in der Tasche. In nur einem halben Jahr haben sie sich auf die Prüfung vorbereitet. Rund 15 Schüler lernen aktuell in der Straßenschule. Neben Real- und Hauptschulgruppe gibt es eine Motivationsgruppe. Hier soll herausgefunden werden, ob das Angebot das Richtige für die Bewerber ist. „Viele unserer Schüler sind Schulverweigerer, haben so schlechte Erfahrungen mit der Schule gemacht, dass sie es nicht schaffen, einen normalen Schulbetrieb, wie die Abendschule zu durchlaufen“, beschreibt Wolfer die Situation. Doch wer sich auf die Straßenschule einlasse, habe auch die Chance in seinem Leben weiterzukommen. Die Landeshauptstadt Dresden hat die Straßenschule KLuB des Vereins Treberhilfe Dresden gerade erst mit dem kriminalpräventiven Jugendhilfepreis „EMIL“ ausgezeichnet.
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