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Polizeipräsident Kroll auf Bürgerversammlung: Kein politischer Einfluss auf Ermittlungen

„Junger Mann von links, kommen Sie in mein Büro und wir reden“, sagte Polizeipräsident Dieter Kroll am Donnerstag Abend in der Kreuzkirche. Der junge Mann hatte zuvor geschildert, dass zum Pegida-Jubiläum am 18. Oktober die Postplatzkonzerte von vermummten Rechten gestürmt worden seien. „Wo war die Polizei?“, fragte er und äußerte grundsätzliche Kritik an den Polizeieinsätzen. Links, das war für Kroll in diesem Fall der von ihm aus gesehene Standort des Mikrofons, an dem der junge Mann gesprochen hatte.

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Im Pausendialog: Oberbürgermeister Dirk Hilbert und Superintendent Christian Behr. Foto: W. Schenk

Kroll lag zum Thema Links aber eine weitere Bemerkung dringend am Herzen: „Ich hebe die Hand zum Schwur, dass es keine politische Einflussnahme auf Ermittlungen der Polizei gibt. Das würden wir nie mitmachen“, stellte er mit großem Nachdruck klar und reagierte damit auf Redebeiträge, in denen vor allem der Verdacht geäußert wurde, dass Anschläge von Linksextremen nicht konsequent verfolgt würden.

Wir sind auf der dritten Bürgerversammlung in der Kreuzkirche. Eingeladen haben erneut Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und Superintendent Christian Behr. Es geht um „Sicherheit(en) und Unsicherheit(en) in unserer Stadt“ und dieses Mal ist der Polizeipräsident auch gekommen. Er ist sauer und den letzten Monat im Dienst. Sauer ist er auf den stellvertretenden Ministerpräsidenten und SPD-Landeschef Martin Dulig, der in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ folgende Sätze sagt: „Wenn von Bühnen herab Volksverhetzendes gerufen wird, warum stellt die Polizei dort nicht die Personalien fest? Ich frage mich außerdem, ob die Sympathien für Pegida und die AfD innerhalb der sächsischen Polizei größer sind als im Bevölkerungsdurchschnitt.“ Das findet Kroll empörend. „Dulig hat sich heute von der Polizei verabschiedet“, sagt er in der für ihn typischen ruhigen und leisen Art.

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Emiliano Chaimite aus Mosambik schildert seine Ängste. Foto: W. Schenk

Würde er jetzt so richtig auf den Tisch hauen, könnte es ihm keiner übel nehmen. Er geht zum 1. April in den verdienten Ruhestand. Im Januar 2015 musste Kroll auf Drängen von Innenminister Markus Ulbig (CDU) für ein Jahr verlängern, weil sein Erfahrung aus 42 Jahren Polizeiarbeit bei den Großeinsätzen zu den Pegida-Demos, aber auch bei den bevorstehenden Gipfeltreffen der Innen- und der Finanzminister dringend gefragt waren. Es war Kroll, der die Verantwortung für das Versammlungsverbot am 19. Januar übernahm. „Das war eine sehr schwere Entscheidung“, sagte er heute. Nach den Bilder von den Anschlägen in Frankreich sei er sicher, dass die Entscheidung richtig war, fügte er hinzu.

Kroll verweist darauf, dass die Einsätze der Polizisten – es waren seit den Anfängen von Pegida im Oktober 2014 fast 29.000 – ihren Tribut fordern. Andere Aufgaben würden liegen bleiben, räumt Kroll ein. Er warnt vor Parallelgesellschaften,  wie es sie in vielen Städten Westdeutschlands gibt. „Wenn wir das nicht verhindern, werden wir die gleichen Probleme haben“, sagt er. „Wir haben die Lage noch im Griff“, versichert er den wieder fast 500 Teilnehmern an der dritten Bürgerversammlung.

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Psychiater Hans-Joachim Maaz: Wir brauchen eine neue Beziehungskultur. Foto: W. Schenk

Das „noch“ schwebt im Raum und steht für viele der Ängste, die dann an den Mikrofonen zur Sprache kommen. Zum Beispiel von Emiliano Chaimite aus Mosambik, der seit 1986 in Deutschland lebt. Er habe Angst vor brennenden Häusern, vor Pöbeleien auf der Straße oder gegenüber Kindern auf dem Weg in die Schule. Er kenne Wissenschaftler, die Montags mit dem Taxi nach Hause fahren, weil sie Angst vor der aufgeheizten Stimmung in der Stadt hätten. Mancher lacht daraufhin im Saal. Ein Student aus Mexiko wird später über ähnliche Erfahrungen berichten.

Es ist an Moderator Frank Richter, immer wieder die Diskussionskultur einzufordern. Das tut der Chef der Landeszentrale für Politische Bildung konsequent. Pauschale Verurteilungen, von wem auch immer, weist er zurück. Weil sich kein Redner fand, der die Ängste der Dresdner Bürger formulieren wollte, referiert er selbst die Ängste, die ihm in vielen Gesprächen und Veranstaltungen begegnet sind: „Angst davor, dass die Polizei es nicht mehr schafft. Angst davor, dass die Krisen in der Welt bis in mein Wohnzimmer kommen. Angst davor, dass eine so starke Religion wie der Islam nicht zu unserer Gesellschaft passen könnte. Angst vor dem, was die vielen jungen Männer tun werden, die nach Deutschland fliehen. Angst vor dem sozialen und kulturellen Abstieg.“

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Zeit zum Reden – die sogenannte Murmelrunde in der Pause. Foto: W. Schenk

Die Statements an den Mikrofonen waren breit gefächert. Alle sollen gemeinsam hier leben können, egal wen sie wählen oder woher sie kommen, meinte Theresa Rossenbach. Eine andere Frau erzählte, wie sie ihre Angst überwand, nachdem die Flüchtlinge für sie keine anonyme Masse mehr war, sondern Namen hatten. Sie unterrichtet jetzt in Deutschkursen und hilft den Flüchtlingen im Alltag. „Sprechen Sie die Menschen an“, ermunterte sie die Versammelten. Ein anderer Redner stellt die Frage, warum die Polizei immer in die Verantwortung genommen werde. „Jeder, der eine Straftat begeht, ist das Problem“. Die Polizei könne nicht alles unterbinden. Auch andere Redner sprechen der Polizei ihren Respekt aus. Ein Mann beschreibt seine Angst vor dem, „was die Politik mit uns treibt“. Vielleicht seien bei Pegida die falschen Leute an der Spitze, aber die Bewegung spreche den Menschen doch aus dem Herzen, meinte er.

Der Psychiater und Buchautor Hans-Joachim Maaz hatte einleitend über die Angst referiert. Sie führe zu Aggression und Hass und in der Folge zu Gewalt. Angst sei ein normaler Zustand und ein Signal, das uns auf Gefahren aufmerksam macht, sagte Maaz. Man muss die Positionen der anderen nicht gut heißen, aber beschimpfen sei nicht die Lösung. Wir müssen versuchen zu verstehen, was im Menschen gegenüber vorgeht. „Wenn jemand das Gefühl hat, dass er einen Feind braucht, muss er sich fragen, was mit ihm selbst los ist“, warb Maaz für eine andere Beziehungskultur.

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Oberbürgermeister Dirk Hilbert war am Donnerstag eher der aufmerksame Zuhörer. Foto: W. Schenk

Oberbürgermeister Dirk Hilbert hat während der Statements aufmerksam mitgeschrieben. Zum Ende stehen die beiden Gastgeber am Mikrofon. Dresden tue sehr viel dafür, die Entstehung von Parallelgesellschaften zu verhindern, sagte er. Nirgendwo in Deutschland  würden so viele Flüchtlinge Deutschkurse besuchen, wie in Dresden. Die Neuankömmlinge seien dezentral über die ganze Stadt verteilt untergebracht. Die Stadt bereite den Bau von Sozialwohnungen vor. Nicht auf alle gestellten Fragen geht er ein. Die geplanten zwei Stunden sind längst überzogen. Aber er bleibt nach dem offiziellen Schluss der Veranstaltung da und redet mit jedem, der es will . Das sei schon nach der letzten Bürgerversammlung sehr interessant und lehrreich gewesen, meinte Hilbert.

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