Messetage sind rauschverdächtig. Wie Kaffee und Zigaretten. Anregend, schnell und von starker Wirkung. Nur mit diesen durchzustehen und wie immer zu viel von allem. Eine Feier des Überflusses und ein Triumph der Menge. Ein Schwimmen gegen den Strom der Massen, Freistilringen mit den Katalogjägern, erfolglose Versuche spätpubertäre Pickligkeit in die Schranken zu weisen, tiefe Einblicke in die Abgründe des Marktübermutes – ein dichter Feuerring umschließt auch hier den Gral des Guten, das es dennoch gibt.
Ausdauer, Erwartungsfreiheit und Frustresistenz heißt die heilige Dreifaltigkeit des Erfolgs. Wer fünf wirkliche Freunde sein eigen nennen kann, der kann sich glücklich schätzen. Tut er es nicht, so sei ihm hiermit mitgeteilt – er ist es. Wer hier fünf sehr gute Bücher findet, dem geht es ebenso. Mehr ist nicht. Punkt.
Meine ideale Buchmesse bestände denn auch aus einem handelsüblichen Billy-Regal mit eben diesen fünf Büchern. Dies allerdings vorzugsweise in einem eleganten Rauchsalon mit bleiverglasten Jugendstilfenstern und einer hohen Kassettendecke unter der der Rauch in arabeskenhafter Art mäandern könnte. Auf dem polierten Mahagoniparkett, in angemessener Distanz zueinander, acht mit grünem Leder bezogene Sessel mit bequemen Armlehnen. Aufmerksame aber dezent agierende Servicekräfte, die auf ziselierten Messingtabletts unentwegt türkischen Mokka in bauchigen Silberkannen servieren und verschiedene Arten von Zigarrenabschneidern bereithalten. Ich würde jeden Tag ein Buch lesen, hin und wieder versonnen dem Rauch nachblicken, das fünfte einpacken und glücklich nach Hause fahren.
Doch ach, ich bin ja nicht allein: jeder der anderen sieben Sesselleser würde das Regal mit fünf anderen Titeln bestücken wollen. Um die Reinheit der Präsentation nicht zu gefährden ist die Anschaffung von sieben weiteren Regalen unumgänglich. Und Freunde? Auch Freunde. Fünf pro Kopf folgen der Einladung (Leser sind glückliche Menschen) und bald füllen 48 Billy-Regale den dann doch zu kleinen Raum. Wir beschließen, in eine große von Licht durchflutete Halle umzuziehen. Die nächste eintreffende Freundesstaffel erhöht die Leserschaft auf gut 250. Partylaune kommt auf. Laden wir doch mal die oder den ein, mit Lachsbrötchen und Sekt versteht sich, usw. usf.
Es kommt wie es kommen muss – die Buchmesse nämlich. In Deutschland also Leipzig im Frühjahr oder gerade jetzt Frankfurt im Herbst. Die in Leipzig ist älter, die in Frankfurt größer. Gebraucht werden beide: Frankfurt für die internen Verteilungskämpfe der Branche, bei der Rechte und Autoren eingekauft und abgestoßen werden wie Schweinehälften, Leipzig, als das größte Lesefest Europas. In beiden Fällen: vier tolle und volle Tage. Für jeden wirklich Interessierten eine Pflicht. Nicht vergessen: Kaffee und Zigaretten. Alles andere findet sich. Und acht grüne Ledersessel in einem stillen Gemach stehen geduldig und warten.