Musik ist zu Weihnachten immer richtig. Die Auswahl ist riesig. Aber bei Musik kann man leicht danebenliegen. Und es stellt sich die Frage, welche Scheibe schenke ich? Diese kleine Empfehlung soll die Auswahl unter den schönsten Perlen im CD-Regal etwas erleichtern.
Tingvall Trio: Beat
Sinnlichkeit hat Konjunktur. Ein probates Mittel gegen die Alltagshektik ist das neue Album „Beat“ (Skip Records) des Tingvall Trios. Der Tod von Esbjörn Svensson im Juni 2008, Schwedens einstigem Jazzer Nr. 1, hat, allen Unkenrufen zum Trotz, kein Vakuum hinterlassen. Denn die Nordländer haben noch das Tingval-Trio. Ein Dreigestirn aus einem Schweden, einem Kubaner, einem Deutschen. Das Dreigestirn malt mit Musik Klangbilder von unverrückbarer Schönheit und Wärme.
Da finden die Phantasie und die Seele reichlich Nahrung. Die zwölf Stücke sind feingliedrig-feingeistiger Jazz. Schlicht und unverstellt. Musik ganz ohne Konservierungsstoffe. Zeitlos schön. Diese Prädikat könnte sich auch einer anheften, den man hierzulande nur kennt, … wenn man hin und wieder MDR Figaro hört.
Ray Bonneville: Easy gone
… wenn man hin und wieder MDR Figaro hört. Die Musikredakteure scheinen einen Narren an Ray Bonneville gefressen zu haben. Er trägt bei Schubladenbeschriftern das Prädikat „kanadisch/US-amerikanischer Singer/Songwriter und Gitarrist“. Alles richtig, aber damit kann man nicht ernsthaft eine Typen wie diesen beschreiben. Seit über vier Jahrzehnten ist er Musiker und hat zig Alben produziert, von deren genauer Anzahl er nicht mal selber so genau weiß, wie viele es eigentlich sind. Und die man hierzulande nur schwer bekommt. Nun sein neuestes Werk „Easy gone“ (Red House Records). Ray Bonneville erinnert etwas an den leider verstorbenen Willy DeVille. Düster, schleppend und geerdet tropft der Blues aus den Boxen. Bonneville erzählt uns Stories. Da ist so richtig grooviges Zeugs drunter, von dem man die genaue Übersetzung gar nicht kennen möchte. Aber auch ohne textsicher zu sein, lebt diese Musik von ihrer einsaugenden Aura. Da hört man und hört und kann gar nicht wieder aufhören. Wer wissen will, wie Ray Bonneville-Songs wirken: man sitzt in der Wüste, irgendwas wirbelt vorbei, dann kommt ein Auto. Man sitzt im Schaukelstuhl und schaut ihm nach, wie es vorbeifährt. Ohne zu tanken. Und man denkt: Auch egal.
Rebekka Bakken: Little Drop of Poison
Mögen Sie Bockwurst mit Schlagsahne oder Fleischsalat mit Himbeersirup? Oder andere Kombinationen, die auf den ersten Blick wenig Spaß verheißen? Da gäbe es eine Kombi, die scheinbar so gar nicht zusammenpasst. Nehmen wir mal die norwegische Dame mit den drei Oktaven – Rebekka Bakken. Diese steht eher für Sanftmut und Melancholie. Nun wird sie keck. Und nimmt sich tatsächlich Tom Waits-Songs vor. Verrückt geworden? Mitnichten. Es ist unglaublich, was alles zusammenpasst und mundet, von dem man früher dachte: Igitt!!! Nein, Ausschlag ist zu befürchten bei dem mit der HR-Bigband produzierten Album „Little Drop of Poison“ (Emarcy Records/Universal). Man weiß nun nicht, wie Tom Waits das findet. Wir finden es gut. Allein der Titelsong ist funkelnd wie ein Juwel. Das hätte man der feinsinnigen Schönen eigentlich nicht zugetraut. Sex and Drugs and Rock‘n Roll besungen von einer eher zarten Songwriterin? Geht. Gesanglich eine Schippe Dreck drauf und eine sensationelle Bigband dazu – fertig ist die Überraschung. Damit punktet man bei jedem Jazzfreak. Oder auch nicht. Eine Frau singt Tom Waits. Ist wie Vanilleeis mit Chilisauce. Erst schief angeschaut, dann maßloses Verlangen.
Gregory Porter: Issues of life – Features and Remixes
Gregory Porter muss man nicht mehr vorstellen. Das ist der Herr, der seine winterfesten Ohrenschützer in der Kappe jahrein und jahraus stets bei sich hat. Im Winter ein klimatischer Standortvorteil. Der Mann bricht inzwischen alle Rekorde. 43 Jahre alt schneidet er sich gerade einfach und direkt in die Glamourwelt des Jazz. Mit einer ausdrucksstarken Stimme, mit der er auch das Telefonbuch vertonen könnte und die Scheibe ein Bestseller würde. Es reicht aber auch, sich die aktuellste CD „“Issues of life – Features and Remixes“ (Mebran) zuzulegen, um eine Ahnung von den Qualitäten des Amerikaners zu bekommen. Wer „in“ ist, weiß natürlich längst um die Qualitäten des skurril anmutenden Grammy- und Echo-Jazz-Gewinner diesen Jahres. Irgendwer hat mal behauptet, Porter habe „eine Stimme wie ein Barrique-Fass“. Mag sein. Er hat in erster Linie Aura und ein Art den Jazz in Worte zu fassen, wie man es nicht lernen kann. Porter hat überwiegend eigene Songs mit Alltagsgeschichten, die zur Garnierung der 12 Stücke werden, so man sie denn versteht. Das singuläre Merkmal des Hünen mit der Statur eines Footballers ist nun mal sein Stimmorgan. Er hat es eben.
Christopher Cross: Secret Ladder
Kennen Sie noch Christopher Cross? Das ist der, der nicht sonderlich attraktiv wirkt, aber die Frauen reihenweise um den Finger wickelt und auch die maskuline Fraktion für sich einzunehmen versteht. Mit emotional geimpften Songs wie „Ride like the Wind“ oder „Say you‘ll be mine“ oder „Sailing“. Hat es klick gemacht? Das war doch der damals in den 80ern. Genau der ist das. Und den gibt es immer noch.
Ohne Qualitätsverlust, wie man auch nach 35-jähriger Karriere des Texaners neidlos anerkennen muss. Es sei denn, man hat es nicht so mit den gefühlvollen Balladen, die der inzwischen 63-Jährige mit wunderbarer Leichtigkeit und Wärme intoniert. Davon zeugt das aktuelle Album „Secret Ladder“ (Edel Records). Da meint man, einen Mittzwanziger zu hören und keinen, der straff auf den Rentenbescheid zusteuert. Christopher Cross hat sich seine jugendliche Leichtigkeit bewahrt. Und sein Charisma. Leichte jazzige Einsprengsel machen die Stücke spannend, aber für solche Songs wie „The times I need you“ muss man ihn einfach lieben. Die klingen mit und auch trotz ihrer Streichersätze genau so zeitlos wie weiland der Hit „ All right“. Honigsüß und verlockend. Aber klar doch, es ist Weihnachten. Klassische Naschzeit. „Christopher Cross ist doch nur Pop“, sagen die einen. „Aber einer in 1a-Qualität“, sagen die anderen. Dritte verwechseln ihn mit Chriss Cross, dem Hiphoper. Nichts von alledem ist er. CC ist ein musikalisches Trüffelschwein.
Und wem das alles nicht hart genug ist, soll sich die neue AC/DC-Scheibe „Rock or bust“ zulegen. Kennste eine, kennste alle. Wurscht. Aber die Kalotten in den Lautsprecherboxen werden mal wieder freigepustet. Rohe Weihnachten, kann man da nur sagen.