Weihnachten möchten wir Menschen, die wir mögen, mit etwas beschenken, das auf Gegenliebe stößt. Keine Socken, Krawatten, Rasierwasser oder die Einladung zu einem Kochkurs. Etwas Bleibendes soll es sein. Musik auf Silberlingen, das geht immer und hinterlässt Eindrücke. Für alle, die ohne Plan losziehen und dann ratlos vor der riesigen CD-Auswahl stehen, hier ein paar Tipps aus meiner Plattenküche.
Für Nostalgiker: Starless von King Crimson
Das letzte Mal, dass es mich beim ersten Hören einer Platte so richtig durch und durch gerissen hat, ist über 40 Jahre her. Da bot einer dieser Dealer-Typen, der schon zu Ostzeiten immer irgendwelche ungewöhnlichen Scheiben in petto hatte, das King Crimson-Album „Starless“ an. Es war ein Kauf – 120 Ostmärker – der sich bis heute zigfach amortisiert hat. Die Scheibe begleitet mich. Immer und immer wieder. Ein Konzeptalbum der Superlative. Eines, dass seither nichts an musikalischer Qualität verloren hat.
Abräumer in Amerika: „Sylva“ von Snarky Puppy & Metropole Orkest
Die CD „Sylva“ (Universal) kam mir eher unvermittelt ins Haus geschneit. Snarky Puppy & Metropole Orkest. Nie gehört. Komisch. Snarky Puppy – das ist eine Prophezeiung, ein Glücksfall. Ohne Übertreibung. Snarky Puppy – dahinter verbirgt sich ein Mann namens Michael League. Und dieser Ami, ein Bassist, behauptet allen Ernstes, das vorliegenden Album auf einer Tournee auf seinem MacBook komponiert und arrangiert zu haben. Was für ein Genie, weil davon auszugehen ist, dass das stimmt. Wen wundert es daher, dass das sensationelle Album, eingespielt mit dem niederländischen Metropole Orchestra, derzeit der Abräumer in den USA sein soll? Mich nicht. Ich habe die CD in den Dreher geworfen und komme nicht mehr davon los. Abends zu Hause, tagsüber im Auto. „Sylva“ hat Suchtpotenzial. Versprochen! Was Besseres gibt es für Jazzästheten unterm Weihnachtsbaum derzeit kaum. Und: unbedingt das Doppel mit DVD nehmen. Optisch wird das Ganze die totale Erweckung. Man höre, sehe und staune.
„From Darkness“ mit dem Avishai Cohen-Trio
Für die, die nicht auf das große Orchester stehen, hier eine Alternative mit klassischem Jazz in Dreierbesetzung. Das israelische Avishai Cohen-Trio ist in diesem Genre für die ganz große Kunst zuständig. Das neue Album „From Darkness“ (Razdaz) liefert den Beweis. Fein austariert, unglaublich präzise, musikalisch top und im Zusammenspiel unerreicht. Der Weltklasse-Bassist, -Komponist, -Sänger und -Pianist bringt multikulturellen Jazz auf CD. Und er hat zwei unglaublich perfekte Musiker an seiner Seite, die Extraklasse verkörpern – den Pianisten Nitai Hershkovits und den unglaublichen Drummer Daniel Dor. Wenn sich das Trio im hochpräzisen Zusammenspiel findet, reißt es einen von der Sitzgelegenheit. Und man übertreibt nicht, wenn man sagt: besser geht es kaum.
Für ELO-Fans: „Alone in the Universe“ mit Ex-ELO Jeff Lynne
So gar nicht in diese Rubrik passt Jeff Lynne. Richtig, das ist der, der mit dem Electric Light Orchestra die musikalischen Brokatvorhänge aufgezogen hat. Der Bandleader hat nun, nach 25 Jahren, Soloalbum Nr. 3 „Alone in the Universe“ (Sony) auf den Weihnachtsmarkt geworfen. Ach wie arbeitet da das Erinnerungszentrum. Schön schwülstig, üppig arrangiert – so kennt man den Briten, der am 30. Dezember tatsächlich schon 68 wird. Indes, bei ELO war mehr Pepp und Schwung drin, da bekam die Musik noch die rockige Komponente, die man hier auf der CD „Jeff Lynne‘s ELO“ weitgehend vermisst. Aber irgendwie schön ist es trotzdem. Immer noch. Der frühere Mastermind der Superband, zigfacher Millionär, verantwortlich für zig Nr.1-Alben und Hits, hat ein gutes Album geliefert, aber keine Meisterleistung. ELO-Fans wird das nicht stören. Sie werden die zehn Songs lieben.
Perlen von 1977 bis 2012: George Benson „The Ultimate Collection“
George Benson ist das, was man bei den Amis unter der Rubrik Superstar führt. Über 30 eigene Alben, gern gesehener Gast bei Kollegen, der Jazz- und Fusiongitarrist, Sänger, ist ein Genie. Das zeigen die 19 Songs auf seinem Album „The Ultimate Collection“ (Rhino). Da finden sich Perlen zwischen 1977 und 2012. Die Auswahl muss, bei diesem Multi-Könner – ungleich schwierig gewesen sein. Aber allein die Live-Version des Chartsstürmers „On Broadway“, ein Song für die Ewigkeit, ist schon Kaufargument genug. Wem das noch nicht genug ist, der greift zur Doppel-CD. 36 Songs. Unter anderem mit dem legendären Al Jarreau, dem noch legendäreren Count Basie oder der Nr.1-Röhre Aretha Franklin aufgenommen. Benson-Herz, was willst Du mehr.
Jazzige Weihnacht.