Die Menschen strömten ins Stadion. Das ist an sich nicht Ungewöhnlich. Sie haben dort gesungen. Auch das kennen die Dresdner. Aber: Was sie gesungen haben, das gab es zuvor noch nie dort zu hören. Sie sangen vom „Herrn der Herrlichkeit“, von der „gnadenbringenden Weihnachtszeit“, von Engelchören und vom Heiligen Geist. Im Stadion, wo sonst Fangesänge über die Wiese schallen, standen die Menschen andächtig auf dem Fußballrasen, lauschten den Knabenstimmen, der Musik und den Geschichten – und sangen mit, wenn die Texte auf der Videoleinwand auftauchten.
Wie das? Der Dresdner Kreuzchor hatte zum Adventskonzert in das Stadion der Dynamos geladen. Es war ein symbolisches Dankeschön der im nächsten Jahr jubilierenden Gesangsformation – 2016 feiern die Kruzianer ihr 800-jähriges Bestehen. Es war ein Dankeschön an die Stadt, die ihnen immer Unterstützung gewährt hatte. Knapp die Hälfte des reichlich 30.000 Plätze fassenden Stadions war besetzt, das Konzert also beinahe ausverkauft. Schließlich wurde auch nur eine Seite bespielt, damit alle gute Sicht auf die Bühne hatten, die am Rande des Rasens stand. Immerhin: Auch der Rasen war begehrte Fläche für die Zuhörer. Das Konzert sei eine Referenz an ihre Heimatstadt, hatte Kreuzkantor Roderich Kreile zuvor erklärt und darauf verwiesen, dass man damit auch Menschen erreiche, die den Kreuzchor sonst vielleicht nicht erleben würden.
Chor, Solisten und Erzähler
Zugegeben: Es war eine Selbstinszenierung des weltberühmten Knabenchores – aber eine richtig gute. Die Stimmen, die aus dem K-Block heraus gleich zu Beginn noch nach Dynamo riefen, verstummten, als „Stille Nacht“ angestimmt wurde. Und bei „Sind die Lichter angezündet“ leuchteten plötzlich hunderte Handy-Taschenlampen auf. Zur Verstärkung hatten sich die Kruzianer noch Musiker, die Solistin Elisabeth Markstein und den Schauspieler Gunter Schoß geholt. Erstere beeindruckte mit jazzigen Variationen bekannter Weihnachtslieder. Letzterer las mit seiner prägnant tiefen Stimme Gedichte und Geschichten. Die meisten davon habe er selbst ausgesucht, sagte Gunter Schoß und verwies auf das gefühlvolle „Markt und Straßen stehn verlassen, still erleuchtet jedes Haus“ von Joseph von Eichendorff. Eigentlich habe er sich nicht vorstellen können, dass solch ein Programm in einem Stadion funktioniere, erklärte der Schauspieler im Anschluss, sichtlich beeindruckt vom Applaus und der Zufriedenheit der Gäste.
Es war ein guter Mix aus Liedern und Geschichten, aus Passagen zum Mitsingen und solchen zum Lauschen. Klar, dass man Johann Sebastian Bachs „Ave Maria“ lieber den professionellen Kinderstimmen überließ, während man „Oh du fröhliche“ unbeschwert mitschmettern konnte. Mitunter fehlte die Moderation zwischen den Programmpunkten und manchmal schienen die Gäste etwas unschlüssig, wann Mitsingen erwünscht war und wann nicht.
Mit den filmischen Werbe-Einspielern gelangen amüsante Zwischentöne, etwa, wenn die jungen Sänger gefragt wurden, was das Schönste an Weihnachten sei. Die Palette reichte vom „nach Hause fahren“ über „freie Tage“ bis zum Gänsebraten. Auch die Umfrage unter Dresdnern zu „ihrem“ Kreuzchor kam gut beim Publikum an, die Statements von Politikern, besonders jene von Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck dagegen weniger. Alles in allem aber ein eindrücklicher und teilweise recht berührender musikalischer Abend an einem besonderen Ort, der den Wunsch aufkommen lässt, das Ganze möge eine Tradition werden.
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