Der Stadtrat hat gestern Abend seinen eigenen Beschlus zum Tunnel am Neustädter Markt gekippt. Eigentlich sollte über die Vergabe des Auftrags für Verfüllen und oberirdische Querung entschieden werden. Das scheiterte jedoch mit 35 zu 32 Stimmen bei einer Enthaltung. Im Januar 2015 hatte der gleiche Stadtrat die Verwaltung mit 36 Ja-Stimmen bei 25 mal Nein und 8 Enthaltungen aufgefordert, alles für die Variante Verfüllen und oberirdische Querung der Meißner Straße vorzubereiten.
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Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) verlangte eine namentliche Abstimmung. „Damit ich weiß, an wen ich mich halten muss, wenn ich in Regress genommen werde“, sagte er sichtlich verärgert, weil die Verwaltung jetzt gegenüber dem Bauunternehmen erst einmal ziemlich dumm dasteht. Eine präzise rechtliche Bewertung der Situation samt der finanziellen Folgen für die Stadt steht noch aus. „Der Oberbürgermeister hat sieben Tage Zeit, dem Beschluss zu widersprechen“, meinte Rathaussprecher Kai Schulz und hielt es aufgrund des vollen OB-Kalenders für unwahrscheinlich, dass Hilbert noch heute entscheidet.
Widerspruch sei möglich, wenn der Stadtratsbeschluss rechtswidrig wäre, erläutert Schulz. Geht der OB diesen Weg, muss der Stadtrat erneut beraten. Bleibt der Stadtrat dann bei seinem Beschluss und der OB widerspricht erneut, ist die Landesdirektion die nächste Instanz. Hilbert kann auch widersprechen, weil er den Beschluss für nachteilig für die Stadt hält, schildert Schulz die andere Option. Auch in diesem Fall müsse der Stadtrat erneut beraten. Bleibt er bei seinem Beschluss, ist die Diskussion beendet.
Es war die dritte lange Stadtrats-Debatte um die Zukunft des Neustädter Tunnels in den vergangenen 18 Monaten. Die Argumente der streitenden Parteien haben sich nicht geändert. Der besagten Diskussion im Januar 2015 folgte fast genau ein Jahr später die Diskussion um die von den Linken intiierte Petition gegen das Verfüllen des Tunnels. Sie wollten sich mit dem Beschluss nicht abfinden und hatten eine entsprechende Petition gestartet. Diese wude mit 38 zu 30 Stimmen abgelehnt. Warum gestern plötzlich die Mehrheit kippte, könnte man nur genau feststellen, wenn alle drei Abstimmungen namentlich gewesen wären. Das ist jedoch nicht der Fall. Klar ist, dass Linke und SPD gegen das Verfüllen sind, Grüne und CDU dafür. Die 9 Stadträte von FDP/FB und AfD haben nicht einheitlich abgestimmt. Das Abstimmverhalten der drei fraktionslosen Stadträte fällt ebenfalls noch ins Gewicht.
Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) hatte noch einmal klargestellt, dass die 675.000 Euro die Gesamtkosten für Verfüllen und überirdischen Querung samt Ampelanlage sind. Das Verfüllen sei „keine verrückte Idee der Verwaltung gewesen“, betonte er mit Verweis auf den Grundsatzbeschluss vom Januar 2015. Seit Juni 2015 liege der Bescheid des Freistaates vor. Bei einem Nein des Stadtrates müssten die 675.000 Euro, die aus dem Flutschadenbeseitigungsprogramm stammen, zurückgegeben werden. Geld für eine Sanierung des Tunnels sei im Haushalt nicht vorgesehen, so Schmidt-Lamontain. Er nannte auch die Folgekosten: Für die Ampelanlage lägen diese bei 2.700 Euro, für einen sanierten Tunnel bei jährlich rund 46.000 Euro. Das Angebot des Unternehmens habe knapp 160.000 Euro unter den zunächst angenommenen Kosten gelegen.
Der Tunnel war bei den Hochwassern 2002 und 2013 vollgelaufen. Schon nach der ersten Flut blieben die Souvernierläden im Tunnel geschlossen. Seit 2013 ist er vollständig gesperrt. Eine Sanierung hätte rund 330.000 Euro gekostet.
Die kommenden Wochen werden zeigen, welche Auswirkungen diese Abstimmung auf das Klima in der rot-grün-roten Stadtratskooperation hat. Die Kooperationsvereinbarung 2.0 mit ihren 26 gemeinsamen Vorhaben ist zwar inzwischen von den drei Parteien abgesegnet, aber noch nicht unterschrieben.