Das Untersuchungsobjekt ist weg und kommt so nie mehr wieder. Jedenfalls nicht mehr so, wie es drei Wissenschaftler-Teams aus Dresden, aber auch Forscher aus Göttingen und Berlin in den letzten Wochen untersucht haben. Nach der Abspaltung eines Teils der Pegida-Organisatoren und der Neuformierung des Vereins werden alle künftigen Befragungen und Analysen eine neue Situation beschreiben.
- verbal, emotional und symbolisch abrüsten
- Pegida zur Formulierung von politischen Zielen veranlassen
- Kommunikation organisieren
- Zivilcourage zeigen, Extremisten aller Art ausgrenzen
Die heute vorgestellte Studie „Was und wie denken Pegida-Demonstranten?“ bildet somit einen gewissen Abschluss unter den auf empirischen Daten beruhenden Pegida-Forschungen in Dresden. Philipp Buchallik, Stefan Scharf und Clemens Paul, drei Masterstudenten, haben Pegida-Demonstrationen besucht, Demonstranten befragt, die Facebook-Kommunikation gelesen und analysiert. Heute stellte Werner Patzelt, Professor für Politikwissenschaft, die Arbeit seiner Studenten gemeinsam mit ihnen vor.
Auch wenn sich die zentralen Ergebnisse nicht wesentlich von den Vorgängerstudien unterscheiden – einen großen Unterschied gibt es dennoch. Nur Patzelt verbindet die Studie mit praktischen Vorschlägen für den Umgang mit Pegida und deren Anhängern. Und er machte heute klar, warum. „Intellektuelle müssen sich einmischen. Eine Kritik an dieser Haltung finde ich völlig daneben.“ Patzelt war selbst auf mehreren Pegida-Demonstrationen und hat dort mit Teilnehmern geredet. Auch auf Diskussionsrunden der Landeszentrale für politische Bildung waren seine Statements zu hören. Das brachte ihm von einem Teil der Akademiker den Vorwurf ein, er verwechsle Wissenschaft und Politik. Patzelt kündigte noch für diese Woche eine umfassende Stellungnahme zu allen Vorwürfen an.
Was die Pegida-Demonstranten denken
Pegida-Demonstranten sind nicht einfach eine Sammlung von Rechtsextremisten, bestätigt die Studie bereits vorliegende Ergebnisse. Ein Drittel der Befragten ordnen die Forscher den „rechtsnationalen Xenophoben“ (Fremdenfeindlichen) zu. Die meisten Pegida-Demonstranten sind demnach besorgte und empörte Bürger, deren zentrales Motiv die „Unzufriedenheit mit Politik, Politikern, Parteien und Medien“ ist.
Die Demonstranten stehen im Durchschnitt weit rechts von der politischen Mitte und setzen ihre politischen Hoffnungen in die AfD. Zwei Drittel der Befragten sind grundsätzlich für die Aufnahme von politisch verfolgten Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen. Allerdings meinen genauso viele auch, dass Deutschland zu viele Asylbewerber aufnimmt. Die Forscher haben hier einen weiteren Zusammenhang ausgemacht. Je weniger sich die Befragten von den etablierten Parteien und Politikern vertreten fühlen, desto weniger sind sie für Asylbewerber und Flüchtlinge offen.
Mehrheit: Islam gehört nicht zu Deutschland
Die Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass selbst ein friedlicher Islam nicht zu Deutschland gehöre. Die Frage lautete hier: „Gehört ein Islam, der so friedlich wie das heutige Christentum ist, zu Deutschland?“. 52 Prozent antworteten hier mit „eher nicht“ und „überhaupt nicht“. Fast 15 Prozent waren unentschieden. Hier zeige sich ein „Kristallisationspunkt – nicht die Ursache – der Pegidaproteste: Unzufriedenheit mit einem gefühlt ungesteuerten Einwanderungsgeschehen, gerade aus einem anderen Kulturkreis“, so Patzelt.
Bemerkenswert ist auch das Ergebnis der Studie zu den Rufen „Wir sind das Volk“. Weniger als die Hälfte der Pegida-Demonstranten war 1989 auf der Straße und hat eigene Erfahrungen gesammelt. Und von denen, die damals protestiert haben, meint die Mehrheit durchaus nicht, dass die Situation wie damals sei.
Der Studie liegen vorbereitende Befragungen am 22. Dezember und 5. Januar und eine Erhebung am 25. Januar zu Grunde. Von 492 angesprochenen Personen haben 242 geantwortet. Wie die anderen Studien könne auch diese „keinen wirklichen Anspruch auf Repräsentativität“ erheben, betonte Patzelt. Auch hier müsse man mit der Verzerrung leben, dass Demonstrationsteilnehmer mit vermutlich weit rechter oder rechtsextremer Einstellung eine Befragung verweigert haben. Außerdem könne es sein, dass an der Sonntagskundgebung am 25. Januar nicht der gleiche Teilnehmerkreis wie an den Abenddemonstationen vertreten war. Wichtig sei aber die Gesamtinterpretation und die Zusammenschau vieler Einzelheiten, so der Politikwissenschaftler.
Weitere Pegida-Studien:
>> Protestforschung am Limit: Eine soziologische Annäherung an Pegida. Ergebnisse eines Wissenschaftler-Teams unter Koordinierung von Prof. Dr. Dieter Rucht (Berlin)
>> Ergebnisse einer Befragung des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung der TU Dresden, Leitung Prof. Hans Vorländer
>> Welche Einstellungen führen zu Pegida? Ergebnisse einer Umfrage der Kommunikationswissenschaft unter Leitung von Prof. Wolfgang Donsbach
>> Studie zu Pegida- und Nopegida-Demonstrationen Ergebnisse des Instituts für Demokratieforschung Göttingen