Es gibt immer wieder diesen Moment: man hört etwas und vergleicht. Mit dem, was es schon mal an Ähnlichem gab. Was in der Rockmusik nicht gerade selten passiert. Nicht gerade ein Aushängeschild für den, der verglichen wird.
Und doch, Geschichte wiederholt sich. Besonders oft in der Rockmusik. Wer am 27. März im „Beatpol“ die Ohren auf Empfang gestellt hatte, dem braucht man davon nichts mehr erzählen. Wer dort das Glück hatte, Joan as Police Woman, mit bürgerlichem Namen Joan Wasser, 43, Wahl-New Yorkerin, gehört zu haben, der dürfte ein Gespür dafür haben, was diese Frau ausmacht.
Das ist nicht irgendeine Musik, das ist kein Mainstream, das ist keine Massenware. Das ist Soul als Kerngeschäft. Den gab es schon. Und er erlebt derzeit so etwas wie eine Renaissance. Der entscheidende Unterschied: Unter all den Retro-Rockern ist Joan as Police Woman eine Extra-Klasse für sich.
Aber: Wer kennt Joan as Police Woman überhaupt? Leute mit einem Faible für das Besondere. Ihr Name ist einer Fernsehserie („Police Woman“) in den USA entlehnt. Angeblich sieht sie aus wie die Hauptdarstellerin. Doch Joan Wassers Mittelpunkt ist musikalischer Natur. Zum Glück. Man sollte sich das nunmehr dritte Studioalbum der Dame „Classic“ (Play it again Sam/Rough trade) zu Gemüte führen. Da ist der Mut zum Besonderen herauszuhören. Im Kaufhaus-Fahrstuhl läuft so etwas nicht. Da ist Tiefe, da ist Kreativität. Und da ist ein Inbrunst, die so vielen dieser unsäglich talentfreien Pop-Fuzzies zu wünschen wäre, die tagtäglich den Dudelfunk verkleistern.
Bei Joan Wasser ist hingegen alles echt, unverstellt und mit so einer riesigen Portion Verve ausgestattet, dass man glatt niederknien möchte. Bei Joan as Police Woman werden Delikatessen a la carte aufgetischt. Die Dame, die mit „The Classic“ (welch selbstbewusster Titel!) schon ihr – man höre und staune – Album Nr. 5 ins Rennen schickt, sie fackelt nicht lange. Mit dem Opener „Witness“ setzt sie gleich eine Duftmarke, die keinen Zweifel lässt, dass da noch etwas aus der Abteilung Eindrucksvoll nachkommt. Kaum zu glauben, dass die Künstlerin unter Depressionen gelitten haben soll. Wenn doch, ist das hier ein Art Befreiungsschlag der besten Güte.
Soul, ein bisschen Blues, ein bisschen Reggae, ein bisschen Jazz, ein bisschen Rock – die Mischung macht‘s. Zehn Titel hat die CD, viele Stilschubladen werden aufgezogen. Die schönste hat die Nr. 3. Hier steckt der Titelsong drin und so etwas hat man lange nicht mehr zu Ohren bekommen. Ein A Capella-Song bester Güte. Den möchte man gar nicht mehr rauslassen und die Repeat-Taste am Scheibendreher bekommt zu tun. Da tropft ein naturbelassener Sound aus den Boxen, dass man es kaum glauben mag. Beatpol-Freaks, habe ich recht? Da kann es, glaube ich, keine zwei Meinungen geben. Das gilt auch für das schleppende „Good together“ oder „Get direct“ oder für das sparsame „What would you do“, einer Melange aus Piano und Drums mit einem tief-melancholischen Finale.
Joan Wasser weiß, wo die Musik spielt. Sie hat mit Rufus Wainwright gearbeitet, bei Elton John und Sherryl Crow gesungen und bei Lou Reed auf dessen letzter Tour. Das prägt und hinterlässt Spuren. „The Classic“ hat eine Wanderung durch mehrere Tonstudios in New York hinter sich. Es hat nicht geschadet. Herausgekommen ist eine schillernde Scheibe, mit solch wunderbaren Songs über die Vergänglichkeit der Liebe wie „Get direct“. Der Chor singt passend „Oh no, no, no“. Da stellen sich einem glatt die Nackenhaare auf. Herausgekommen ist ein Album mit zehn Songs, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die Verwechslungsgefahr geradezu kategorisch ausschließen. Und hier schließt sich die Klammer. Man denkt: schon mal gehört. Und merkt, das hier, das ist doch ganz anders. Da passt kein Vergleich. Und: Es soll, so ist zu erfahren, auf den vier Vorgängeralben nicht minder hinreißend zugehen. Klarer Fall. Auf in den – Achtung, Betonung! – „gut sortierten Plattenshop“.