Fraktionslose Stadträte haben mit einer Reihe von Nachteilen zu kämpfen. Die beiden wichtigsten sind, dass sie nicht an der Arbeit der Fachausschüsse teilnehmen und dass sie keine eigene Geschäftsstelle unterhalten können. Damit bleiben ihnen wichtige Mittel für die Mitarbeit an Beschlüssen des Stadtrates vorenthalten. Auf Entscheidungen, die in den Ausschüssen fallen und nicht im Stadtrat beraten werden müssen, haben sie gar keinen Einfluss. „Dann macht die Arbeit im Stadtrat keinen Spaß. Wie soll ich da den Willen des Wählers umsetzen“, fragt sich Jan Kaboth, seit er über die Konsequenzen des Wahlergebnisses nachdenkt. Er ist Mitglied der Fraktion Bündnis Freie Bürger, die es mit der Neukonstituierung des Stadtrats im September nicht mehr geben wird. Dann sind sie nur noch zu zweit und fraktionslos. Der Zweite ist Franz-Josef Fischer.
„Ich werde mich bemühen, eine kleine Fraktion zu bilden“, kündigte Kaboth im Gespräch an. Die zwei fraktionslosen NPD-Stadträte kommen für ihn nicht in Frage, bleiben drei Stadträte der FDP und zwei der Piraten-Partei. Voraussichtlich sind letztere seine ersten Ansprechpartner. Viele Konstellationen sind möglich. Keiner wagt eine Prognose. Eine Variante fürchten CDU und FDP wohl am meisten – dass einer der fraktionslosen Stadträte einem rot-rot-grünen Bündnis zur Mehrheit verhilft. Eine einizge Stimme reicht dafür. Das wiederum ist für alle Verhandlungspartner auch ein mögliches Druckmittel.
In den Regeln, die sich der Stadtrat für seine Arbeit gegeben hat, ist klar definiert, dass für eine Fraktion mindestens vier Stadträte erforderlich sind. Sie müssen nicht aus einer Partei sein. Aber ein Zusammenschluß nur um des (finanziellen) Vorteils wegen ist ausgeschlossen. Die Fraktionsmitglieder müssen eine Vereinbarung über gemeinsame kommunalpolitische Ziele unterschreiben.
Den ehrenamtlichen Stadträten steht Unterstützung bei der Arbeit im Stadtrat zu – wenn sie sich als Fraktion organisieren. Dann können sie je nach Stärke 1 Mitarbeiter (bei 4 bis 5 Fraktionsmitgliedern) bis hin zu 4 Mitarbeitern (bei mehr als 26 Fraktionsmitgliedern) beschäftigten. Sie erhalten monatliche Zuschüsse für Sachkosten in Höhe von 1650 Euro plus weitere 120 Euro pro Fraktionsmitglied. Bis zu drei Klausurtagungen können durchgeführt werden. Dienstreisen, Fortbildung, Visitenkarten – die Kosten werden erstattet.
Fraktionen können Vorschläge für die Tagesordnung machen, fraktionslose Stadträte nicht – es sei denn, mindestens vier einigen sich. Fraktionen können in Fragestunden Fragen stellen, fraktionslose Stadträte nur begrenzt – nämlich einer pro 30-Minuten-Runde. Er muss sich dann mit allen anderen fraktionslosen Stadträten darüber vorher geeinigt haben. Fraktionen können Experten für Anhörungen benennen und Rederecht für Gäste in der Plenarsitzung beantragen. Das können fraktionslose Stadträte nicht.
„Ich bin jetzt seit zehn Jahren dabei“, sagt Kaboth. Als fraktionsloser Stadtrat will er die nächsten fünf Jahre nicht arbeiten. Trotz der drohenden Nachteile hat er eine Prämisse: „Ich werde mich nicht verbiegen.“