Zelte und Turnhallen sollten eigentlich vermieden werden. Zelte gibt es seit Wochen, jetzt muss die Stadt erstmals Notunterkünfte schaffen. Vier Turnhallen werden ab sofort geschlossen, um Plätze für 230 Flüchtlinge zu schaffen, kündigte heute Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) an. „Die Zeltstadt in der Bremer Straße ist für die kühlen Herbsttemperaturen nicht mehr geeignet“, sagte er. „Unser wichtigstes Ziel ist es, den Menschen, die in Dresden Zuflucht suchen, eine gute Übergangsunterkunft zu bieten“, fügte Hilbert hinzu.
- Turnhalle Ginsterstraße 3: 59 Plätze
- Turnhalle Thäterstraße: 59 Plätze
- Turnhalle Terrassenufer: 40 Plätze
- Turnhalle Schleiermacherstraße: 70 Plätze
Grund für diese Maßnahme ist eine kurzfristige Aufstockung der Zuweisungen durch den Freistaat. Statt 98 kämen nun 500 asylsuchende Menschen, die ersten 98 bereits heute. In den nächsten zwei Tagen müssten weitere 400 Flüchtlinge untergebracht werden. Da die Kapazitäten in der Heidenauer Straße und in der Podemusstraße nur für 300 Personen ausgelegt sind, habe die Stadt auf die Notunterkünfte zurückgegriffen. Die vier Hallen werden von Mitarbeitern des Sozialamtes mit Klappbetten, Decken und Bettwäsche, Tischen, Stühlen und anderem Kleinmobiliar ausgerüstet. Die Betreuung in drei Unterkünften übernehmen voraussichtlich die Johanniter, in der vierten werde sich die Heilsarmee um die Insassen kümmern. Die Verträge sollen morgen unterschrieben werden. Auch Caterer und Wachdienste stehen bereit.
Hilbert wirbt um Verständnis
Die vier Turnhallen werden nicht vom Schulsport, aber von 25 Sportvereinen genutzt. „Natürlich ist das ein großer Einschnitt, aber das Wohl der hilfesuchenden Menschen wiegt schwerer“, erklärte Hilbert. „Ich werbe hiermit um Verständnis der Sportlerinnen und Sportler“, so der Oberbürgermeister und schloss in die Entschuldigung für die kurzfristigen Maßnahmen ausdrücklich die Anwohner ein.
Der Sportstättenbetrieb werde sich bemühen, für die betroffenen Vereine Alternativen zu finden. Aber das werde aufgrund der angespannten Situation in den Schulsporthallen nicht in jedem Fall gelingen.
Wie schwierig die Lage sei, habe auch die heutige Beratung der Landräte und Oberbürgermeister mit der Landesregierung gezeigt. Statt der anberaumten zwei habe man fast sieben Stunden getagt. Die Regierung habe zugesagt, innerhalb von 14 Tagen ein Konzept vorzulegen, wie die jetzt zugewiesenen Flüchtlinge schnell durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge registriert werden können. Bisher hätten diese nur die Gesundheitsüberprüfung und eine Registrierung durch die Ausländerbehörde hinter sich. Das BAMF-Verfahren, in dem über den Asylantrag entschieden wird, stehe noch aus. Im Normalfall gebe das Land die Zuständigkeit für die Flüchtlinge erst nach einer Entscheidung in dem Verfahren an die Kommunen ab.
Hilbert: Antwort liegt nicht auf der Straße
„Die Dresdner Bürgerschaft ist stark und entschlossen genug, um eine solche Herausforderung zu meistern“, zeigte sich Hilbert überzeugt und appellierte an die Menschen in der Stadt, mit ihrer Hilfsbereitschaft jetzt nicht nachzulassen. Klare Worte fand er für die Pegida-Anführer und deren Anhänger, die Angst schüren würden. „Die Antwort liegt nicht auf der Straße“, sagte Hilbert und schloss hier wohl auch die AfD mit ein. Es sei keine Lösung, in einer solchen Situation der Stadt und der Verwaltung das Vertrauen zu entziehen. Diese müssten jetzt ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wer Fragen hat oder unsicher bei der Beantwortung von Fragen sei, könne sich jederzeit an das Rathaus wenden und werde Antworten bekommen. „Ich werde aber keine rassistischen Wortmeldungen zulassen“, stellte Hilbert klar.
Rückendeckung von Linke, SPD und Grünen
Rückendeckung bekam der Oberbürgermeister von der rot-grün-roten Stadtratsmehrheit. Es sei richtig, dass die Stadt kurzfristig auf Turnhallen ausweicht, erklärte Grüne-Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne und dankte den betroffenen Sportvereinen für ihre Solidarität. Viele Dresdner würden bereits den Menschen helfen, die aus ihren Heimatländern flüchten mussten, meinte Dana Frohwieser, SPD-Fraktionsvize. „Bitte bleiben Sie so offenherzig und großzügig, behalten Sie Ihren Mut und Ihre Kraft“, sagte sie. Linke-Fraktionsvorsitzender André Schollbach nahm Bezug auf Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte und Losungen auf Demonstrationen. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass rechtsradikale Hetzer die aktuelle Situation missbrauchen, um ihr fremdenfeindliches Süppchen zu kochen und Angst in der Bevölkerung zu schüren“, so Schollbach.
Die Landesdirektion hatte angekündigt, statt der Zelte in der Erstaufnahmeeinrichtung an der Bremer Straße Leichtmetallbauten zu errichten. Dann werde sich die Kapazitäz an dem Standort von jetzt 1.000 auf 500 reduzieren. Bereits gestern hatte der Freistaat mit dem Bundesverteidigungsministerium eine Verlängerung der Unterkunft in der Offizierschule des Heeres an der Stauffenbergallee vereinbart.