Gute Proberäume sind in der Landeshauptstadt absolute Mangelware. Das Projekt „Volume11“ von Nils Burchartz und Andreas Lichterfeld gilt als Kreativpilot und bietet eine Alternativlösung für alle raumlosen Musiker. Dafür wurden die beiden Initiatoren jetzt mit dem bundesweiten Branchenpreis „Kultur- und Kreativpiloten“ ausgezeichnet. Im Interview hat Nils Burchartz über den hiesigen Proberaummangel und die allzu oft vernachlässigte Musikszene Sachsens gesprochen.
„Volume11“ bietet Musikern in Dresden ein neues Konzept gegen die schlechte Proberaumsituation. Warum ist das schon längst überfällig gewesen?
Grundsätzlich möchte „Volume11“ Infrastruktur für die Musikszene erschließen, Austausch und Netzwerke ermöglichen und Plattform sein für Musiker. Das ist deshalb überfällig, weil die Musikszene hier in Sachsen nicht die Aufmerksamkeit erhält, die ihr gebührt. Andere Bundesländer sind da wesentlich weiter. Berlin wurde kürzlich mit dem „Musicboard“ eine eigene Institution gegründet, die sich um die Belange der lokalen Popmusik kümmert. Dafür wurden eine Million Euro in die Hand genommen.
Im Juli wurde „Volume11“ mit dem Branchenpreis „Kultur- und Kreativpiloten“ ausgezeichnet. Ist das Projekt von Anfang an so erfolgsverwöhnt gewesen?
Das ist für uns ein Wahnsinns-Preis und bestärkt uns ungemein in unserem Tun. Dass wir als kleines Projekt schon nach zwei Jahren auf Bundes-Ebene ausgezeichnet werden, ist eine große Ehre. Wir haben zwar von Anfang an recht viel Aufmerksamkeit bekommen, auch medial, trotzdem muss man im Rückblick sagen, dass zunächst vieles provisorisch war und wir in vielen Punkten dazulernen mussten. Letztendlich verdanken wir den Preis und unseren Erfolg deshalb auch dem Vertrauen der vielen Musiker, die sich auf unser System eingelassen haben und uns signalisiert haben: „Jungs macht weiter so, Ihr seid auf dem richtigen Weg.“
Jeder hört gern Musik, aber probende Musiker will niemand als Nachbar haben. Ein Widerspruch, oder?
Eigentlich nicht. Wilhelm Busch hat mal gesagt: „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden ist.“ Es ist auch für einen übenden Musiker kein gutes Gefühl, wenn er anderen auf die Nerven geht. Das darf dann nur nicht dazu führen, dass Musiker sich mit maroden Altbauten am Stadtrand anfreunden müssen, weil es andernorts keinen Platz für sie gibt. Genau deshalb gibt es „Volume11“.
Viele Bands beklagen sich lautstark über den Mangel an Proberäumen. Glauben Sie, dass sich viele zu schnell beschweren, statt selbst aktiv und kreativ zu werden?
Es gibt in Dresden derzeit – nicht zuletzt wegen des Immobilienbooms – generell zu wenig Raum für Kreative. Andererseits stehen etliche Gebäude leer, zum Beispiel weil deren Besitzer diese Immobilien als Spekulationsobjekt verstehen und somit kein Interesse an einer kreativen Nutzung haben. Diese Sachlage schürt Frustration. Allerdings bringen uns lautstarke Empörung nicht weiter – im Gegenteil, so was sorgt auf Seiten der Eigentümer für noch größeres Misstrauen. „Volume11“ soll nicht zuletzt auch Vorbehalte abbauen, denn ich denke, dass Raumnutzungskonzepte aus der Kreativwirtschaft ein immenses stadtplanerisches Potenzial haben. Außerdem zeigen hiesige Projekte wie „neonworx“, die „Kreativraumagentur“ oder eben „Volume11“, dass die Kreativen in Dresden tatsächlich kreativ genug sind, Lösungen für das Problem ‚Raum‘ zu finden – wenn man sie denn lässt.
Eigentlich wollten Sie neben den stundenweisen Proberäumen auch feste Räume anbieten. Warum konnte diese Idee nicht umgesetzt werden?
Im Endeffekt , weil ich kein Haus gefunden habe, wo dieses Konzept umgesetzt werden konnte. Ich habe die Idee allerdings noch nicht gänzlich ad acta gelegt. Letztlich stellen sich viele Leute das aber auch zu einfach vor, weil ein solches Konzept eben doch immense Verantwortung und Kosten mit sich bringt. Reinigung, Müllentsorgung, Versicherungen, Einbruchschutz sind nur einige der Punkte, die dabei in Erwägung gezogen werden müssen. Ich kenne ein Proberaumhaus, das Kosten in fünfstelliger Höhe hatte, weil eine Brandmeldeanlage eingebaut werden musste.
Musik ist ein Kulturgut. Warum werden sie und ihre Akteure dennoch so vernachlässigt?
Klar ist Musik Kulturgut. Aber daraus folgt eigentlich nichts außer moralinsaurer Argumente. Ich argumentiere anders. Den Beatles wurde 1965 der MBE, der höchste Orden Großbritanniens verliehen, nicht etwa weil sie so schöne Musik machten, sondern aufgrund ihrer Verdienste um die britische Handelsbilanz. Ich glaube, große Kunst entsteht nur da, wo funktionierende ökonomische Modelle dafür existieren. Demnach muss kulturelles Schaffen eben auch als Wirtschaftsgut begriffen werden. Die angesprochene Vernachlässigung hängt vermutlich damit zusammen, dass das ökonomische Potenzial von Kreativität hierzulande bisher zu wenig erkannt wird. Das Thema Kreativwirtschaft ist in Deutschland zwar seit ein paar Jahren auf dem Parkett, aber andere Länder haben da einen deutlichen Vorsprung.
Ihre Räume sind sehr gefragt und gut besucht. Haben Sie Pläne, das „Volume 11“ zu vergrößern?
Wir denken ständig über weitere Konzepte nach. Akut haben wir abends eine starke Auslastung, tagsüber jedoch meistens noch Kapazitäten. Unsere Überlegungen gehen gerade in mehrere Richtungen, z.B. ob wir ein Angebot für Schüler machen oder mit anderen Initiativen zusammenarbeiten. Wir sind da offen und freuen uns, wenn Leute auf uns zukommen.