Triangulation heißt eine bewährte Methode beim praktischen Orientieren im Gelände. Dasjenige, um das es geht, wird von drei verschiedenen Positionen angepeilt und so fest im Netz des Vergleichbaren eingefangen. Wenn man den neuen Roman von Georg Klein auf diese Weise verorten möchte ergibt sich als kleineres Problem: auch die ihn umgebenden Peilungseckpunkte sind ebenso auf wundersame Weise aus der Zeit gefallen (und daher weiterhin gültig und äußerst empfehlenswert): Zulawski: Auf dem Silbermond, Fries: Verlegung eines mittleren Reiches und Bradbury: Die Marschroniken.
Georg Klein hat einen dunkel glimmenden Marsroman geschrieben, einen Zukunftsroman, gewiss, aber einen im Futur Zwei – so wird es gewesen sein. Einen magisch rot schimmernden Retro-Science-Fiction, voll mit Staub, Verhängnis und Legenden. Eine Zukunft, die es gegeben haben könnte, wenn die Geschichte früher einen anderen Abzweig genommen und die Menschheit schon in den Zwanziger Jahren in den Weltraum vorgedrungen wäre. Die erste Marskolonie geht hier ihren einsamen Weg durch das Dunkel der eigenen Geschichte in einer analphabetischen Kultur von verstörender Schönheit.
Strom ist nicht (deshalb vielleicht), kein Computer und kein Internet. Vom E-Book ganz zu schweigen – „heilige Bücher“ im „Sonnenhaus“ übernehmen eine Quellen- und Orientierungsfunktion. Und natürlich gibt es dann den Einen, der sich die versunkene Kulturtechnik Lesen doch noch aneignet und alles, alles kommt ins Rutschen… An die Erde, die sich in einem desolaten Zustand befindet, knüpfen die Siedler nur noch vernebelte Legenden. Doch auch hier geschieht Einiges. Der alte Sprithoffer, Reparaturmeister von elektrischen Geräten, die dem Großen Winter zum Opfer fielen, gabelt am Rande des chinesischen Protektorats eine sibirische Mutter und deren Tochter auf, um die abgerissene Verbindung zu den Kolonisten wieder neu zu knüpfen. Alles fügt sich und der Roman endet melancholisch und sehnsuchtsvoll zart (wie der Sepiaton eines 500 Jahre alten Handabzugs vom Startgelände) und nicht wie sonst in einem Massensterben und auch dafür möchte man Georg Klein danken, und natürlich für dieses wunderbare Buch, das uns betrifft und angeht, und wir wissen nur noch nicht wie und wo und warum.
384 Seiten
ISBN 978-3-498-03534
Rowohlt, August 2013