Kreativ sein und wirtschaftlich denken ist nicht einfach. Jeden 1. Montag im Monat gibt Katja Großer vom Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes mit dem kostenfreien Beratungsangebot „Kreativ arbeiten – Mit Erfolg!“ Orientierung auf diesem Weg. Katja Großer spricht im Interview über die kreative Szene in Dresden, häufige Fehler und mögliche Erfolgsrezepte.
Warum ist die Kreativwirtschaft für Dresden so wichtig?
Spätestens seit der Veröffentlichung der Studie zur Kultur- und Kreativwirtschaft in Dresden ist die wirtschaftliche Bedeutung der Branche selbst offensichtlich: In Bezug auf Unternehmenszahlen, Umsatz und Erwerbstätige erreicht die Kultur- und Kreativwirtschaft einen beachtlichen Anteil an der Gesamtwirtschaft der Landeshauptstadt. Die Wachstumsraten sind zum Teil zweistellig. Ein anderer wichtiger Aspekt ist aber auch die Scharnierfunktion, die die Kultur- und Kreativwirtschaft für die traditionellen Wirtschaftszweige übernimmt: Keine neue Verfahrenstechnik, kein neues Technologieprodukt wird am Markt erfolgreich sein ohne gutes Design oder professionelle Werbung – beides sind Kernbereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft. Wenn es gelingt, diese Synergien noch stärker zu nutzen, kommt das letztlich auch der Gesamtwirtschaft der Landeshauptstadt zugute.
Jeden ersten Montag des Monats bieten Sie in der Scheune eine kostenlose und individuelle Beratung für freischaffende Kreative und Künstler in Dresden an. Welche Fragen tauchen dabei besonders häufig auf?
Im Prinzip lassen sie sich auf eine reduzieren: Wie kann ich mit meiner eigenen Arbeit (mehr) Geld verdienen? Im Gespräch sortieren wir dann, was genau diejenige oder derjenige wem warum für wieviel Geld verkaufen möchte. Das klingt vielleicht banal, ist es aber nicht. Der entscheidende Unterschied zwischen einem ‚typischen‘ Unternehmer und Kreativen ist nämlich die Perspektive: Ein Musiker, Künstler, Spielentwickler oder Schriftsteller sucht sich nicht eine Marktlücke, die er dann gezielt bedienen kann, sondern handelt eher wertegetrieben: Das Kind muss auf die Welt, und erst dann stellt sich die Frage, wer das eigentlich haben will. Es geht also darum, Selbstverwirklichung und Unternehmertum zusammen zu denken, für das Geschaffene einen Markt zu definieren oder neu zu erschaffen –bei diesem Entwicklungsprozess versuche ich, Unterstützung zu leisten.
Gibt es ein Erfolgsrezept, dem Kreativwirtschaftler folgen können?
Ganz klar: Nein. Es gibt vermutlich genauso viele kreative Ideen wie Arten, diese unternehmerisch umzusetzen. Und wir versuchen in unseren Beratungen auch, genau dazu zu ermuntern: Die ausgetretenen Pfade von Vertrieb und Vermarktung zu verlassen und ein Konzept zu entwickeln, das der eigenen Arbeit und der eigenen Persönlichkeit entspricht. Und wer könnte das besser als ein kreativer Mensch? Entscheidend ist dabei letztlich nur die eigene unternehmerische Haltung: Bin ich bereit, meine Arbeit unternehmerisch zu denken? Wie definiere ich für mich Erfolg? Was treibt mich an? Diese Fragen sind essenziell. Deshalb haben wir auch im September eine bundesweite Veranstaltungsreihe gestartet, Format:Bühne, die in Dresden Premiere hatte und sich nur mit diesen Fragen befasst.
Welche Fehler machen Kreative und Künstler oftmals auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit?
Zunächst einmal: Fehler sind wertvoll! Wer selbst einmal auf die Nase gefallen ist, lernt daraus vielleicht mehr, als aus Vorträgen und Workshops. Viele haben Angst, etwas falsch zu machen, die Spielregeln „des Marktes“ nicht zu kennen und trauen sich deshalb nicht in die Offensive. Selbstständigkeit bedeutet aber unter anderem auch Freiheit: In der Wahl der Kunden, der Konditionen und der Leistungen, die man verkauft. Viele schränken sich hier zu sehr ein: Sie möchten als Neulinge nicht zu teuer sein, machen alles selbst, um das ohnehin geringe Honorar nicht teilen zu müssen und sprechen nicht über ihre Projekte aus Angst vor Ideenklau. Das ist nachvollziehbar, aber aus meinen Gesprächen mit erfahrenen Unternehmern weiß ich: Netzwerke und Kooperation sind ebenso wichtig wie eine kluge und selbstbewusste Preispolitik. Insofern wäre mein Rat, so früh wie möglich raus zu gehen, Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Ein erster Schritt in diese Richtung kann auch ein Gespräch mit mir sein.
Sie arbeiten nun schon jahrelang an der Schnittstelle zwischen Kunst, Kultur und Wirtschaft. Welche Erfahrungen waren dabei für Sie am lehrreichsten?
Es war sehr wertvoll, kreative Arbeit aus zwei Perspektiven kennen gelernt zu haben: Aus Sicht eines Kulturbetriebes, der jeden Cent zwei Mal umdrehen musste, und aus Sicht eines Unternehmens, für das ich kreative Leistungen einkaufen durfte. In der einen Sphäre ging es um Anerkennung, in der anderen um Geld. Mir ist schon damals aufgefallen, wie schwer es Kreativen fällt, ein Preisschild an ihre Arbeit zu machen. Sei es, weil man weiß, dass kein Geld da ist (wie in den meisten Kulturbetrieben), oder weil man gar keine Vorstellung hat, wie viel die eigene Arbeit eigentlich kosten darf (bei Aufträgen für die freie Wirtschaft). Im Kulturbereich wird mit symbolischem Kapital kompensiert, und dieses Denken wird mitgenommen, wenn man Aufträge für Unternehmen umsetzt. Aber: Applaus ist keine Währung. Anerkennung ist wichtig, aber die Miete muss auch bezahlt werden. Dieses Bewusstsein ist natürlich bei den meisten da, nur fehlt manchmal noch der Mut zur Handlung, aus Angst, potentielle Kunden zu verprellen. Es ist gut, das zu verstehen, um die Kreativen auf Augenhöhe abzuholen.
Seit 2003 ist die Zahl der Erwerbstätigen in der Dresdner Kultur- und Kreativwirtschaft um 20 Prozent gestiegen. Demgegenüber stehen allerdings weiter geringe Umsatzzahlen. Wie lässt sich das erklären?
Einen Aspekt habe ich bereits genannt: Das Bewusstsein um den monetären Wert der eigenen Arbeit ist teilweise noch nicht richtig ausgeprägt. Zum anderen konzentrieren sich viele Kreative bei der Akquise auf die Region, in der sie selbst wohnen. Dadurch entsteht ein Konkurrenzdruck, dem viele mit einem Preiskampf begegnen. Das schadet nicht nur dem eigenen Umsatz, sondern macht auch den Markt kaputt, weil die Preise insgesamt gedrückt werden. Manchmal kann es viel sinnvoller sein, sich in seinen Leistungen zu spezialisieren und diese bundesweit oder international anzubieten.