Frank Richter

Interview mit Frank Richter: Wer den gleichen Gegner hat, soll sich nicht bekämpfen

Frank Richter (53), Direktor der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung, ist Experte im politischen Dialog. Das hat er als Mitglied der Gruppe der 20 und  offizieller Gesprächspartner der DDR-Staatsmacht 1989 unter Beweis gestellt, viel später auch als Moderator der AG 13. Februar von 2011  bis 2013. Wir haben mit ihm über die aktuellen Anforderungen an den Dialog um den 13. Februar gesprochen.

Sie sind zur Zeit viel unterwegs, um im Projekt Kommune im Dialog mit den Beteiligten über das Asylrecht zu diskutieren. Helfen da die Erfahrungen aus der AG 13. Februar?

Es gab damals einen Satz, den ich immer noch auswendig kann: „Es stört uns, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass die Art und Weise, wie die jeweils anderen mit der Gestaltung des 13. Februar umgehen, als moralisch höherwertig erscheint, im Vergleich zu der eigenen Art und Weise, mit dem 13. Februar umzugehen.“ Diesen Satz haben damals alle unterschrieben. Plötzlich war eine Basis da.

Und genau das ist mir in den vielen Gesprächen, die wir jetzt in Chemitz, Schneeberg oder Neukirch führen, immer wieder begegnet. Es muss eine grundsätzliche Atmosphäre des gegenseitigen Respekts hergestellt werden. Und eines wird oft unterschätzt. Das geschieht meist erst dann, wenn die Emotionen herausgelassen werden.

Bedauern Sie, dass Sie die Aufgabe als Moderator der AG 13. Februar niedergelegt haben?

Als ich im Sommer 2011 kam, ging es darum, den Dialog nicht abreißen zu lassen. Es herrschte großes Entsetzen über die Gewalt, zu der es im Februar gekommen war. Im Sommer 2011 hatte mich Dirk Hilbert als damals amtierender Oberbürgermeister um die Moderation gebeten.

War die AG mehr ein Organisationskomitee für den 13. Februar?

Die Oberbürgermeisterin hat die Arbeitsgruppe wohl immer mehr als das Organisationskomitee für den 13. Februar verstanden. Das Selbstverständnis der Arbeitsgruppe hatte sich anders entwickelt. Zu Beginn wurden drei Aufgaben definiert: Vorbereitung des 13. Februar, Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und die Entwicklung einer Erinnerungs- und Gedenkkultur für die Stadt Dresden. An diesem drittten Punkt hat sich unsere Auseinandersetzung entzündet. Frau Orosz war der Meinung, dass sich der inzwischen gebildete Stadtratsausschuss um die Gedenkkultur kümmert und nicht die AG 13. Februar. Ich hatte dazu ein andere Meinung. Ein Organisationskomitee wollte ich nicht moderieren. Das war der kontroverse Punkt.

Wo lagen und liegen aus Ihrer Sicht die Differenzen mit dem Bündnis Dresden Nazifrei?

Das ist ganz einfach zu erklären. Beide haben unterschiedliche Ziele. Das Bündnis Dresden Nazifrei will rechtsextremistische Demonstrationen verhindern, durch Blockaden oder andere Instrumente. Die AG 13. Februar hat das Ziel, gegen rechtsextremistische Demonstrationen zu protestieren. Diese unterschiedlichen Ziele und die damit verbundenen Methoden können, so glaube ich, nicht miteinander vermittelt werden. Und es ist auch nicht notwendig. Es müssen nicht immer alle an einem Tisch sitzen.

Aber es wurde miteinander geredet.

Wir haben 2012 und 2013 Kontaktgespräche geführt. Und die wichtigsten gemeinsamen Punkte identifiziert: Beide haben etwas gegen rechtsextremistische Demonstrationen in Dresden. Beide sind gegen Gewalt. Beide wissen, dass sie unterschiedliche Ziele haben. Beide wissen, dass nicht jede Einzelstimme aus dem jeweiligen Lager für das ganze Lager spricht. Beide entschließen sich, mit den Einzelstimmen gelassen umzugehen. Beide kündigen sich die politische Gegnerschaft. Diese Punkte waren extrem wichtig, damit ein Burgfrieden zustande kommen konnte.

In diesem Jahr gehört der Protest zum offiziellen Stadtprogramm, überrascht Sie das?

Die Stadtspitze hat umgedacht. Der Protest in Hör- und Sichtweite gehört jetzt dazu und wird sogar eingefordert. Das ist neu. Früher stand das stille Gedenken klar im Vordergrund.

Die Anerkennung des Mahngangs Täterspuren gehört auch zu diesem Wandel?

Ja, dass der Mahngang Täterspuren jetzt zum offiziellen Programm gehört, ist bemerkenswert. Das ist ein großer Fortschritt. Wenn die Stadtspitze jetzt Protestformen akzeptiert und einfordert, zu denen sie 2011 geschwiegen hat, dann ist das ein gewaltiger Fortschritt.

Sind Neonazis oder Rechtsextreme Gesprächspartner, wenn man Formen des Gedenkens in Dresden sucht?

Es gibt keinen Königsweg. Wie bekämpft man denn extremistische Positionen? Ich zähle mich zu denen, die den öffentlichen Diskurs suchen. Ohne rechtsextremistische Positionen in diesem Diskurs zu dulden. Es gibt immer Leute, die wollen nicht diskutieren, die wollen propagieren. Aber es gibt die Anderen im Umfeld des Rechtsextremismus, die noch offen sind, die ich mit meinen Argumenten vielleicht noch erreichen kann. Diese Gruppen kann man nicht einfach voneinander trennen. Und dann hängt viel von eigenen Erfahrungen ab. Das ist meine persönliche Meinung.

Was machen Sie, wenn die Antworten nicht einfach und nicht eindeutig sind?

Ich würde gern auf ein Streitgespräch zwischen Monika Harms, Generalbundesanwältin a.D. und Elisabeth Raiser, Vorsitzende der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, hinweisen über die Frage, welcher Protest richtig ist. Beide argumentieren mit ihrer Erfahrung aus dem Dritten Reich und kommen zu verschiedenen Schlussfolgerungen. Frau Raiser ist für Blockaden – wir dürfen den öffentlichen Raum nicht den Nazis überlassen. Frau Harms sagt, das Erste, was damals auf der Straße zertreten wurde, war das Recht. Das darf sich nicht wiederholen. Auch nicht gegenüber Minderheit.

Es gibt eben solche Situationen. Dann muss man das akzeptieren. Und man darf sich nicht gegenseitig die moralische Integrität aberkennen. Darum ist für mich wichtig: Akteure, die den gleichen Gegner haben, sollten aufhören, sich zu bekämpfen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Welcher Protest ist richtig?

Prof. Monika Harms (Generalbundesanwältin a.D.), Dr. Elisabeth Raiser (Vorsitzende der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste) und Grit Hanneforth (Geschäftsführerin des Kulturbüros Sachsen) diskutieren, welcher Protest gegen Rechtsextreme richtig ist. Ausschnitte aus der Podiumsdiskussion „auf unseren Straßen. Dresden am 13. Februar – zwischen stillem Gedenken, Demos und Blockaden“ am 5.2.2013 im Kulturrathaus Dresden.

 

 

 

 

 

 

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