Sie hat eindeutig die falschen Schuhe an. Als Ortsvorsteher Gottfried Ecke Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) über einen kleinen Umweg vom Dixiebahnhof zum Sportplatz führt, geht es plötzlich über groben Schotter. Und ganz trocken ist es auch nicht am Weg entlang des Seifzerbaches. Da müssen sie durch, die schwarzen Lackpumps, bei der Stippvisite der Rathauschefin heute nachmittag in Weixdorf. „Ich bin froh, dass ich mich Anfang vorigen Jahres dazu entschlossen habe, die Dresdner Ortsteile und Ortschaften besser kennen zu lernen“, wird am Ende das Resüme lauten.
Und in der 6000-Seelen-Ortschaft scheint die Welt in Ordnung. Die Bürgersprechstunde ist mäßig besucht, es geht nicht um Globus oder die Königsbrücker Straße, sondern um eine fehlende Baugenehmigung, Baumbeschnitt und die Möglichkeit einer Fußgängerampel. Oder vielleicht doch nur ein Fußgängerschutzweg? „Für meine Verwaltung kann ich schon einiges mitnehmen“, sagte deren Chefin. Manchmal sei es vielleicht besser, einfach zum Hörer zu greifen, statt gleich ein amtliches Schreiben aufzusetzen. „Diese Verwaltungssprache ist ja auch nicht einfach zu verstehen“, fügt Helma Orosz hinzu.
Beeindruckt zeigt sich die Politikerin vom Engagement, das ihr in jeder Ecke im Ort begegnet. Und es ist wohl typisch für diesen wachsenden Ort an Dresdens Stadtrand, dass hier im Ortschaftrat neben sechs CDU-Mitglieder der Sportverein mit einer Frau und fünf Männern zweitstärkste Fraktion ist. Die Linke hat es noch mit einem Mitglied in den Ortschaftsrat geschafft. Dass die SG Weixdorf eine Macht ist, bekommt die Oberbürgermeisterin demonstriert. Ein Fußballfeld mit Naturrasen und ein im Oktober 2011 eingeweihter Kunstrasenplatz. Vereinsvorsitzender Michael Kaiser erzählt stolz von 950 Mitgliedern, davon allein 450 in den verschiedenen Fußballligen. Als beste spielt die A-Jugend in der Landesliga. Einen gr0ßen Schub beim Mitgliederzuwachs hat es 2009 gegeben, als der Verein seine Sporthalle eingeweiht hat. Richtig: der Verein hat gebaut. „Die erste Sporthalle in Sachsen, die nach dem Passivhausstandard gebaut wurde“, erzählt der stellvertretende Ortsvorsteher und CDU-Stadtrat Lothar Klein später, als wir am Rathaus sind, hinter dem die Halle steht. Das Prinzip besteht hier darin, den überwiegenden Teil des Wärmebedarfs aus passiven Quellen zu decken, wie zum Beispiel Sonneneinstrahlung und Abwärme von Personen und technischen Geräten.
Die Halle brachte zum Beispiel die Badminton-Spieler, Volleyballer und Handballer zum Verein. Die Judokas haben zwar im schicken Vereinsgebäude am Sportplatz ihren Trainingsraum, gehen aber zu den Wettkämpfen ebenfalls in die Halle. Der Sportverein zieht inzwischen aus dem ganzen Dresdner Norden und aus dem Umland Mitglieder an. Nicht umsonst heißt es bei den Fußballern, sie seien die „Fußballfamilie im Norden“, flüstert mir ein Vereinsmitglied auf dem Sportplatz ins Ohr.
Feuerwehr und Kulturverein sind weitere Bastionen des gut funktionierenden Ehrenamtes in Weixdorf. Die Wände im Flur bei der Freiwilligen Feuerwehr sind gepflastert mit Urkunden für die Jugendfeuerwehr. 31 aktive Feuerwehrleute hat Weixdorf, immer genug, um einen Feuerwehrzug im Ernstfall mit sechs Leute zu besetzen, sagt der stellvertretende Wehrleiter Holger Romberg. „Wir haben keine Probleme“, meint er fast ein bisschen verschämt, als Helma Orosz nachfragt. Neue Einsatzkleidung sei da, die neuen Helme kommen, das Dach wird repariert und mit dem Feuerwehr-Nachwuchs würde man auch nachkommen, sagt Romberg, dessen zwei Kinder ebenfalls bei der FFW sind.
Von einem Glücksfall berichtet Jürgen Georges, Vereinsvorsitzender vom Dixiebahnhof Dresden. Als die Deutsche Bahn den alten Bahnhof nach fünf preiswerten Jahren für teures Geld vermieten wollte, hat die Stadt gekauft und das Gebäude für 25 Jahre an den Verein verpachtet. Der Verein mit seinem rührigen Vorsitzenden hat daraus ein Kulturzentrum für Dresdens Norden gemacht. Ganz bewusst wolle man nicht „eine Kunstrichtung oder eine Interessengruppe bedienen, sondern Platz für ein breites Musikangebot und andere Veranstaltungen bieten“, erklärt Georges das Erfolgskonzept. Sogar ein eigenes Talkshow-Format habe man entwickelt. „Das Haus hatte schon immer was“, erinnerte sich der Vereinschef, dass er schon früher Pläne für den Bahnhof im Kopf hatte. Er zeigt der Oberbürgermeisterin den Saal und meint: „Hier kann jedes Vereinsmitglied sagen, an welcher Ecke es gebaut, gemalert, geputzt hat“. Orosz erzählt, dass sie sich bei der Vorbereitung auf ihren Weixdorf-Besuch auch über den Verein informiert habe. „Der Ruf geht weit über Weixdorf hinaus“, zeigt sie sich ehrlich beeindruckt. Und sie verspricht dem Vereinsvorsitzenden Hilfe. Er ist auf der Suche nach dem Kaufvertrag zwischen Stadt und Bahn. Bei der Bahn, so Georges, sei der Vertrag verschollen.
Seit 1999 gehört Weixdorf zu Dresden. Für die nächsten 30 Jahre gilt die Ortschaftsverfassung und sichert in wichtigen Fragen die Mitbestimmung der Bürger. Sie sichert auch die Wahl des Ortschaftsrates. Ganz anders, als in den zehn Ortsteilen des Dresdner Kerngebietes. Dort können die vom Stadtrat eingesetzten Ortsbeiräte nicht einmal die Tagesordnung bestimmen. Hier wird beraten, was die Verwaltung vorgibt. Der Stadtrat hat am 6. März mit knapper Mehrheit einem Antrag der Grünen zur Einführung der Ortschaftsverfassung in allen Ortsteilen zugestimmt. „Das prüft jetzt die Verwaltung“, sagt Orosz und bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck.
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