Die Umsatzkurve zeigte für Lisa Stansfield in den letzten zehn Jahren eher stetig nach unten. Keine neue Platte, nur Zu- und Nachkäufe ihrer Top-Scheiben aus den 80ern und 90ern. Dennoch, die inzwischen 47-Jährige muss nicht am Hungertuch nagen und die Mindeslohn-Klausel trifft auf die 20fache Plattenmillionärin ohnehin nicht zu. Erst recht nicht, weil sie gerade ein neues Werk veröffentlicht hat, welches ihr Konto ganz sicher kräftig beleben wird.
„Seven“ (Edel Records) heißt ihr siebentes Studioalbum passender Weise. Es ist eine fulminante Rückkehr, so, als wäre sie nie weg gewesen, seit sie 2004 mit ihrem letzten Album „The Moment“ scheinbar in den schöpferischen Winterschlaf versank. Und nun das. Scheibe in den Dreher und schon geht die Post ab. Wir erleben eine Musikerin in Bestform. „Can‘t dance“, der rhythmische Opener mit dem Zeug, die Tanzflächen zwischen Reyjkjavik und Neapel zu entern und wie ihre alten Hits zum Ohrwurm zu werden, reißt schon zu Beginn regelrecht von den Sitzen. Kein Wunder, dass die Stansfield mit ihm als erste Single-Auskopplung bereits 2013 ein Achtungszeichen setzte: „Hallo, mich gibt es auch noch“.
Lisa Stansfield macht mit diesem Album nahtlos weiter, wo sie einst aufhörte. Mit glänzendem Disco-Pop-Soul. Mit einer Stimme, kraftvoll, stark, auch verletzlich und melancholisch, eben unglaublich variabel. Wer da keine Gänsehaut bekommt, ist gefühllos oder ein Zombie. Da kommen viele Erinnerungen hoch. Die Stansfield turnt in den zehn neuen Songs auf der Tonleiter nach Belieben herum und liegt auch in den hohen Tönen noch immer exakt richtig. So, als wäre nichts gewesen, so als habe sie seit ihren größten Hits (u.a. „All around the World“ 1989) nicht mehrere Pausen eingelegt.
Sollte für den nächsten James Bond-Streifen eine Titelmusik gesucht werden, die Stansfield hat ihn schon. „Why“ hat alles, was ein 007-Thriller für den Vor- und Abspann braucht. Lässige Kraft und etwas von der Coolness eines Krimis finden sich darin, unterlegt mit Streichern, die so gar nichts Schnulziges an sich haben, gespickt mit packenden Background-Chorussen. Besser geht‘s kaum.
Das neue Album lebt von seinem Groove, seiner Melodik, den hervorragenden Arrangements. Und vor allem diese Stimme, die nichts von ihrer Power eingebüßt hat. Die Britin, die das Album mit ihrem Ehemann Ian Devaney, der mit ihr seit Jahren die Songs gemeinsam schreibt, produziert hat, brennt sich mit „Seven“ in die Gehörgänge und ich prophezeie, die CD wird bei dem einen oder anderen in der Endlosschleife landen. Ich hab den Silberling tagelang laufen lassen, ohne seiner überdrüssig zu werden. Im Gegenteil, man erhört sich immer wieder neue Raffinessen. Mal verpackt in herrlichen Balladen („Stupid Heart“, „The Crown“, „Conversation“), mal als treibender Soul verarbeitet („Picket fence“) oder als Club-Dance-Nummer („Carry on“) auf den Punkt gebracht. Den ultimativen Schlusspunkt setzt die wärmende Soulballade „Love can“.
Ausgefeilte Arrangements, ein Top-Produzent, dazu eine perfekte Band und diese überzeugende Rocklady – das sind Zutaten, die man für ein Top-Album braucht. Hier stimmt einfach alles. Entweder man hat es oder man hat es nicht. Lisa Stansfield hat es. Immer noch. Alte Lady, von wegen. Sie zeigt den schnell verbleichenden Sternchen im Pop-Geschäft, was Qualität und von Dauer ist. „Seven“ ist eines der besten Alben der Lisa Stansfield geworden. Es ist für mich jetzt schon ein heißer Anwärter auf das Album des Jahres.
Micha