Rot-rot-grün hat gestern im Stadtratsausschuss für Stadtentwicklung und Bau ein abschließendes Votum zu den Bebauungsplänen entlang der Elbe an der Leipziger Straße verhindert. Nach zwei Stunden mit heftigen Wortgefechten und einer fünfminütigen Auszeit beantragten die Ausschussmitglieder aus den drei Fraktionen, dass die zwei Vorlagen zu Hafencity und Marina Garden „in den Stadtrat gehoben werden“. Das Verfahren, für das die Stimmen von drei Ausschussmitglieder ausreichen, soll bei wichtigen Entscheidungen eine Beratung im Stadtrat ermöglichen. So gab es zwar eine Abstimmung im Ausschuss, aber abschließend entscheidet der Stadtrat.
Streitpunkt zwischen CDU, FDP und Bürgerfraktion auf der einen und rot-rot-grün auf der anderen Seite ist der Hochwasserschutz. Schon beim Streit um die Hafencity hatte die Stadt immer wieder betont wurde, dass erst die Auswertung des Juni-Hochwassers vorliegen muss, bevor weitere Entscheidungen gefällt werden können. Wir erinnern uns: Im Dezember hatte USD Immobilien den ehemaligen Segway-Parcour gerodet und den Bau von 54 Wohnungen auf Grundlage einer alten Baugenehmigung angekündigt. Nach kurzem Hin und Her hatte man sich mit der Stadt auf ein Stillhalten geeinigt und den Hochwasserbericht abgewartet.
Der Bericht liegt nun seit längerem vor und wurde bereits in den Ortsbeiräten und Ortschaftsräten diskutiert. Der Umweltausschuss des Stadtrates hat die Auswertung einstimmig verabschiedet. Im Juli könnte der Stadtrat, zum letzten Mal in alter Besetzung, diesem Votum folgen. In Punkt 4 der Vorlage wird ein öffentlicher Gebietsschutz für die Leipziger Vorstadt und Pieschen zwischen Marienbrücke und Pieschener Eck empfohlen. Grund sind die Werte, die in diesem Gebiet inzwischen geschaffen wurden und nun auch geschützt werden sollen. Das Schadenspotential bewegt sich um die 15 Millionen Euro, sagte Christian Korndörfer, Leiter des Umweltamtes gestern im Bauausschuss. Neue Werte im gleichen Gebiet „kann man nur gutheißen, wenn man sie gut schützen kann“, fügte er hinzu. Der Schutz des gesamten Gebietes sei eine öffentliche Aufgabe, die man nicht privaten Investoren überlassen könne. „Das will ich noch einmal ganz klar sagen“, betonte Korndörfer, auch in Richtung seines ärgsten Widersachers in dieser Frage, Hans-Joachim Brauns, baupolitischer Sprecher der CDU-Fraktion noch bis zum Sommer. Brauns, der sein Sprecher-Amt in der neuen Stadtratsfraktion an Gunter Thiele abtritt, hatte in der Debatte unmissverständlich die Position der CDU mitgeteilt. Bei der geplanten Hafencity könnten die Hochwasserschutzmaßnahmen in das geplante Bauvorhaben integriert werden. Bei dem benachbarten Grundstück, auf dem die Dresden Bau mit dem Projekt Marina Garden fast 70 Millionen Euro in den Bau von 320 Wohnungen investieren will, lehnt die CDU einen Bebauungsplan ab. Hier, so Brauns mit aller Entschiedenheit, müsse nach Paragraf 34 Baugesetzbuch vorgegangen werden. Dieser Paragraf ermöglicht ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren, vor allem wenn keine widerstreitenden Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen. Investoren sollten nicht übergebührlich behindert werden, verlangte der CDU-Politiker.
Mit der Festlegung des Gebietsschutzes ist inzwischen ein öffentliches Interesse entstanden, das mit den privaten Investoren-Plänen abgeglichen werden muss. Darin scheinen sich Linke, SPD und Grüne einig zu sein und beantragten darum die weitere Beratung im Stadtrat. Allerdings herrscht keine rot-rot-grüne Einigkeit zur Zukunft der umstrittenen Flächen. Die SPD plädiert für eine „differenzierte Betrachtung“, wie es der baupolitische Sprecher Axel Bergmann im Ausschuss ausführlich begründete. Unterm Strich kann sich die SPD auf beiden Flächen eine, wenn auch reduzierte und aufgelockerte, Bebauung vorstellen. Auf der Fläche der geplanten Marina Garden sollten die elbnahen Gebiete frei bleiben und Baugeschehen nur entlang der Leipziger Straße erlaubt werden.
Das wollen die Grünen nicht. „Wir sehen auf dem Gelände Leipziger Straße/Alexander-Punschkin-Platz keine Wohnbebauung“, stellte Fraktionschef Thomas Löser klar. Der Freiraum Elbtal, der sich derzeit mit den Eigentümern um den Verbleib auf dem Gelände gerichtlich streitet, sollte dort eine Chance haben, so Löser. Die Entwicklung sei in der Region gut angenommen worden und sollte erhalten bleiben. Für die Linken sind beide Bebauuungspläne falsch. „Wir haben uns auf einen Gebietsschutz geeinigt. Dann kann man nicht mit Objektschutz kommen und den Hochwasserschutz grundstücksweise planen“, machte Kris Kaufmann, baupolitische Sprecherin ihrer Fraktion, deutlich.
Die Marina-Garden-Investorin Regina Töberich von der Dresden Bau hat der Stadtverwaltung bereits gerichtliche Schritte angekündigt. Stefan Szuggat, Chef des Stadtplanungsamtes, erwähnte dies schon bei der Präsentation der Bebauungspläne. „Sie hat angekündigt, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen“, sagte er.