Frauenkirche oder Semperoper. Original Dresdner Stollen oder Radeberger Kräuterlikör. Tillich oder Gebhardt oder Dulig. Das sind Marken aus Dresden und aus Sachsen, die jeder kennt und mit denen jeder bestimmte Assoziationen verbindet. Jede dieser Marken hat einzigartige Merkmale, die in ihrer Beschreibung hervorgehoben werden und mit denen sie sich von ihrer Konkurrenz abheben will.
Wie das bei Politikern funktioniert, hat die Sprachwissenschaftlerin Laura Rudelt in ihrer Masterarbeit analysiert. Über einen Zeitraum von sieben Monaten analysierte sie die Sprachstrukturen von Stanislaw Tillich (CDU), Rico Gebhardt (Die Linke) und Martin Dulig (SPD). Die drei sind die Spitzenkandidaten ihrer Parteien zur Landtagswahl am 31. August. Gegenstand der Analyse waren die Pressemitteilungen und Facebook-Einträge im Zeitraum von September 2013 bis März 2014, also lange vor der heißen Wahlkampfphase. „Eine Marke aufzubauen, ist eine langfristige und aufwändige Angelegenheit“, erklärt die Absolventin der TU Dresden. Mit Hilfe einer Software wurden die Texte auf häufig verwendete Worte und Wortgruppen durchsucht. Dabei wurden auch die verwendeten Fachbegriffe aus dem politischen Alltag herausgefiltert.
Im zweiten Schritt untersuchte Rudelt diese Begriffe mit Hilfe der an der Leipziger Universität im Wortschatzprojekt entwickelten Wortfelder. Sie zeigen die Assoziationen, die mit den verwendeten Worten verbunden sind.
Auf einen Nenner gebracht:
- Stanislaw Tillich: der Landesvater mit beruhigender Sprachweise.
- Martin Dulig: der Macher, der die Ärmel hochkrempelt, ohne jedoch den Ministerpräsidenten übermäßig zu attakieren.
- Rico Gebhardt: der konsequente Oppositionelle, mit klarer Stellung und massiven Angriffen auf die Gegenkandidaten.
Rudelt erläutert ihre Ergebnisse für uns an Beispielen für jeden der drei Politiker. Häufige Begriffe in den Texten von Tillich waren „herzlich, Familie, lieb, wunderbar, mahnen, bekennen, bewahren“. Die Wortfelder verknüpfen nun zum Beispiel den Begriff herzlich mit anständig, aufmerksam, beflissen, bereitwillig, entgegenkommend und fast zwanzig anderen äußerst positiv besetzten Assoziationen. Für ähnlich positive Verknüpfungen sorgt unser Hirn auch bei den anderen Begriffen. Rudelts Resümé für den Typ Landesvater: „In keinem der Worte lässt sich Fortschritt oder Änderungswille festmachen“. Das passt alles zu einer „Wohlfühlzone“, in der nichts kritisiert wird.
Im untersuchten Sprachschatz von Rico Gebhardt hat die Software die Begriffe „herrschen, abschaffen, ablehnen, anstreben, innenpolitisch, Kommune, kommunal“ geliefert. „Abschaffen“ ruft konsequente Assoziationsketten hervor. Es wird verändert, abgewandelt, abgewrackt, verneint, abberufen, abgesetzt, abgestoßen, um nur einige zu nennen. Die im Vergleich zu den anderen beiden Politikern deutlich öfter verwendeten Begriffe wie „Kommune“, „kommunal“ oder „innenpolitisch“ interpretiert die Sprachwissenschaftlerin auch im Ergebnis weiterer Untersuchungen so, dass hier eine Verbundenheit zu den Menschen ausgedrückt wird – weil sich Gebhardt mit ihnen auseinandersetzt. Mit einer klaren Abgrenzung zum Gegner wird dieses Resümé zu Gebhardt ergänzt.
Der dritte im Bunde der Analyse ist SPD-Spitzenkandidat Martin Dulig. In seiner Sprache dominieren Begriffe wie „angehen, gestalten, müssen, Initiative, mitreden, beteiligen, fair, ausreichend, vernünftig“ und Fachausdrücke wie „einkommensschwach, Mindestlohn, Arbeitnehmer, Rente, Wohnraum, gerecht“. Was zuerst auffällt, sind die vielen verwendeten Verben, meint Rudelt. Die durch Zugaben wie „fair“, „ausreichend“ und „vernünftig“ ergänzten Verben vermitteln den Eindruck, „dass er Ahnung hat von dem, was er tut“.
Rudelt erklärt dann die Assoziationen zum Begriff „angehen“. Egal, ob in Verbindung mit „Beziehung angehen“, „Feuer geht an“, „Beginnen“ oder „Mittelmäßiges angehen“ – größtenteils wird das Verb mit einem Zuwachs und mit Handlungen in Verbindung gebracht. Am Ende der Analyse des Dulig-Sprachschatzes steht das Bild der Machers. Mit dem Zusatz, dass er den Ministerpräsidenten weder übermäßig angreift, noch unterstützt.
Die Sprachwissenschaftlerin verweist zum Verständnis der Markenbildung noch einmal auf den Einstieg in das Thema. „Egal ob es sich um einen Putzlappen oder eine Metallsäge handelt: Problemlösungskompetenz, Glaubwürdigkeit, Verbindlichkeit und Kontinuität sind für das Image eines Politikers ebenso wichtig wie für den Verkaufserfolg eines Waschmittels“.
Die Marke der Absolventin Laura Rudelt verbindet sich jetzt erst einmal mit der Assoziation, dass sie etwas über die Sprache von Politikern weiß und dass sie auch blumige Wortwolken schnell durchschauen kann. Ob sie ihr Wissen künftig in der Forschung weiter ausbaut oder vielleicht in einer Marketing-Agentur, steht noch nicht fest. „Ich suche jetzt“, lautete ihr Kommentar, der sich mit eindeutigen Assoziationen verbindet.
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