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Panometer: Horrorszenario des zerstörten Dresden

Anita John war 13 Jahre alt, als ein Soldat ihre Eltern aus dem teilweise verschütteten Keller in der Zöllnerstraße zog. Er nahm den Toten die Trauringe ab und legte sie dem Mädchen in die Hand. Es war der Morgen des 14. Februars 1945 in Dresden. Anita hatte als einzige von 14 Hausbewohnern die Nacht überlebt. Ein Glücksfall. Tatsächlich?

In dieser Nacht sterben in Dresden um die 25.000 Menschen. Wer nicht gestorben ist, hat zwar überlebt. Aber: Er muss auch irgendwie weiterleben. Schicksale wie das von Anita sind auf den Stelen der Ausstellung »DRESDEN 1945 – Tragik und Hoffnung einer europäischen Stadt« zu lesen. Es gibt außerdem eine Liste aller Kriege, die seit 1945 in der Welt gewütet haben und einen Film, der Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs zu Wort kommen lässt. Das wirklich Schockierende in dieser Ausstellung ist das Panoramabild selbst, 3.000 Quadratmeter Grauen. Einzelne Mauern. Rauch und Asche. Verschiedene Feuer, manche noch lodernd, andere glimmend. Die Stadt ist ein einziger grau-brauner Schutthaufen, durch den sich winzig klein wenige Menschen bewegen.

„Ich bewege nur mit dem Herzen“

„Wenn du das machst, wirst du Wasser auf die Mühlen des Opfermythos fließen lassen“, hatte ein Kritiker gesagt, als Yadegar Asisi ihm von der Idee des neuen Panoramabildes erzählte. Aber dem Künstler ging es nicht um einen Mythos. Ihm ging es um die Opfer, um die Überlebenden und um die Weiterlebenden. Und auch darum, weshalb trotz solcher schrecklichen Erfahrungen „immer wieder Kriege benutzt werden, um Probleme nicht zu lösen“.

Man könne so etwas wie den Zweiten Weltkrieg nicht über Zahlen und Fakten, nicht intellektuell erfassen. Aber solch ein Bild zu zeigen, löse Gefühle aus. Es entstehe eine Beklommenheit. „Ich bewege nur mit dem Herzen“, erklärt Yadegar Asisi. Deshalb werde dieses Bild nun immer von Ende Januar bis Ende Mai gezeigt – 2015 also auch über den 70. Jahrestag der Zerstörung hinweg. Danach wird wieder das barocke Dresden zu sehen sein. „Im Sommer gibt es Barock, im Winter Krieg.“

Hakenkreuze im Schutt

Hamburg hatte mehr Tote, Würzburg war noch zerstörter. Dennoch: „Auf dem obersten Listenplatz im makabren Ranking kriegszerstörter Städte steht Dresden“, sagt Militärhistoriker Dr. Gorch Pieken. Dieses Panorama, fügt er hinzu, „schließt eine Lücke im Bildgedächtnis der Stadt“.

Tatsächlich wird die Zerstörung mit diesem Panorama überhaupt erst einmal vorstellbar für alle, die nicht dabei waren. In diesem Suchbild des Grauens findet man wenige Farbpunkte, hässliche und schöne. So sieht man Hakenkreuzfahnen im Schutt. Ein angenehmerer Farbpunkt sind die beiden Papageien, die sich in die rauchgeschwängerte Luft erheben. Der geschichtliche Hintergrund: Natürlich starben auch viele Tiere, die im Zoo beheimatet waren. Etliche aber konnten sich befreien – und manche in die Lüfte erheben und davonfliegen.

Bitte aufwachen

Ein Kommentar von Thessa Wolf

wolf thessa

Thessa Wolf.

Kennen Sie das Gefühl, im Schrecken gefangen zu sein? Fliehen zu müssen und nicht zu wissen, wohin? Und dann – aufzuwachen und festzustellen: Es war nur ein Traum. Ein ganz übler zwar, aber eben doch nur ein Traum.

Ein ähnliches Gefühl kann man sich auch aus der neuen Ausstellung im Panometer mitnehmen. Rausgehen und die Stadt sehen. Die Straßen entlang gehen. Es gibt keine Kriegsruine mehr, nur wenige vor sich hin marodierende Häuser. Es gibt keine Angst, zumindest keine alltäglich vordergründige. Der Frieden ist irgendwie schon selbstverständlich. Seit fast 70 Jahren schon in dieser Stadt, in diesem Land. Der Schrecken ist lange vorbei, blasse Erinnerung aus den Erzählungen der Großeltern und Urgroßeltern.

An einem selbst ist der Krieg vorbeigegangen. Glück gehabt. Doch dieses Glück ist auch eine Verpflichtung, nicht nur, weil man Kinder und Enkel hat. Nicht nur, weil man nur, weil man möglichst in Ruhe leben möchte. Yadegar Asisi sagt, er sei glücklich, als Künstler das machen zu können, was ihm wichtig sei. Deshalb wollte er auch diese Stadt in ihrer Zerstörung zeigen, „immer in der Hoffnung, dass wir diesen Mist nicht noch mal machen“.

Denn – leider – war das Ganze kein Traum, sondern grauenvoller Ernst – wenn auch in Dresden für eine andere Generation. Doch nicht nur die Liste der Kriege am Rande der Ausstellung oder auch ein Blick in die Nachrichten der Welt zeigt: Der Krieg tobt an vielen Orten. Deshalb ist es wichtig, aufzuwachen – nicht erst, wenn der Schrecken vorbei ist, sondern bereits vorher. Damit üble Träume sich gar nicht erst ausbreiten können.

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WAS: Ausstellung »DRESDEN 1945 – Tragik und Hoffnung einer europäischen Stadt«
WANN: 24. Januar bis 31. Mai
WO: Panometer Dresden, Gasanstaltstraße 8B

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