Zu einer Stadtrundfahrt der besonderen Art lud Ende Januar der stellvertretende Gorbitzer Ortsbeirat Mathias Körner Flüchtlinge und Asylsuchende ein. „Auf unserem Vernetzungstreffen Anfang Januar ist diese Projektidee entstanden“, erzählt der rührige Gorbitzer. Neben Einwohnern aus dem Stadtteil nahmen etwa 25 Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea, Somalia, aber auch Algerien und Lybien das Angebot an. Los ging es vor einem typischen 80er Jahre Wohnhaus in Gorbitz. Mathias Körner, Autor des Buches „Gorbitzer Höhenpromenade – Dresdens vergessener Schatz“ erzählte den Gästen, die zum großen Teil selbst in Gorbitz eine Unterkunft erhalten haben, über den Wohnungsbau der damaligen Zeit.
Die sprachlichen Barrieren zu überwinden half Larbi Qariouh, Sozialbetreuer und Gemeindedolmetscher. Er stammt aus Marokko und lebt seit 2001 in Dresden. Weiter ging es schließlich mit einer Tratra-Straßenbahn zunächst in Richtung Pennrich. Jan Bleis von den Dresdner Verkehrsbetrieben begrüßte die Gäste auf Englisch, erläuterte ihnen, welche Straßenbahnlinien von Gorbitz in die Innenstadt oder die Neustadt fahren und gab Hinweise zur Struktur der verschiedenen Tickets. Auf der Fahrt durch die Alt- und Neustadt erfuhren die Teilnehmer Wissenswertes von der Stadt.
Neben Larbi Qariouh, der ins Arabische übersetzte, unterstützten Anne-Kathrin Unger und Florian Schilling, zwei Schüler des Gorbitzer Berufsschulzentrums für Wirtschaft „Franz Ludwig Gehe“ mit englischen Stadterklärungen das Projekt. In ihrer Schule haben sich die Schüler viel mit dem Asyl-Thema auseinandergesetzt und in einer separaten Projektwoche eine Stadtführung und ein Sport-Event für Flüchtlinge vorbereitet. Die Durchführung wird gemeinsam mit den verantwortlichen Sozialarbeitern organisiert. Während Florian bereits Kontakte zu Flüchtlingen hatte und diese nett fand, hat Anne-Kathrin bisher keine Flüchtlinge persönlich getroffen. „Ich finde, wir können nicht immer nur über dieses Thema reden, sondern sollten auch selbst etwas für die Flüchtlinge tun“, so die 18-Jährige. „Ich mache mir lieber mein eigenes Bild“.
Während der Stadtrundfahrt hatte man viel Gelegenheit mit den Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen, meist auf Englisch oder mit Hilfe des Dolmetschers. Mit Mohammed aus Syrien war dagegen in weiten Teilen die Unterhaltung bereits auf Deutsch möglich. Der 34-Jährige lebt seit vier Monaten in Dresden und nimmt zweimal wöchentlich an einem Deutschkurs der Initiative „Deutschkurs Asyl-Migration-Flucht“ (DAMF) teil. Neben arabisch, spricht er auch französisch und englisch. Großer Ehrgeiz, schnell Deutsch zu lernen, aber vielleicht auch etwas Sprachbegabung sind wohl die Schlüssel zu diesem Erfolg. Mohammed hat einen Masterabschluss als Computer-Ingenieur sowie ein Diplom als Übersetzer „Arabisch-Englisch“. Seine Frau und sein kleiner Sohn leben zurzeit noch in Syrien, nördlich der umkämpften Stadt Aleppo. Sein großer Wunsch ist es, noch besser Deutsch zu lernen und vor allem, dass er seine Familie zu sich holen kann, damit sie gemeinsam in Sicherheit leben können.
Michael aus Eritrea ist ebenfalls seit vier Monaten in Dresden. Der 27-Jährige hat in seiner Heimat als Lehrer gearbeitet. Er würde gern eine Ausbildung im Bereich Mechanik absolvieren. Doch zunächst steht auch für ihn das Deutschlernen auf dem Programm. Hier und da gab es bereits ein paar Kontakte zu Deutschen. Doch ebenso wie seine Landsleute, wünscht er sich, noch mehr mit Dresdnern in Kontakt zu kommen. Dann könnten sie Leben und Kultur hier besser kennen lernen und vor allem deutsch reden.
„Die Jungs waren von der Stadtrundfahrt begeistert“, schildert Dolmetscher Larbi Qariouh das Echo unter den Gästen der Stadtrundfahrt. „Es ist eben auch eine Abwechslung in ihrem Alltag.“ Später schauten sich die meisten im Kulturrathaus die Ausstellung „Neu-Gorbitz – Dresdens vergessener Schatz“, ein Projekt der Gorbitzer Bürgerinitiative, an. Der 20-jährige Student Simon führte die jungen Leute aus Eritrea auf Englisch durch die Ausstellung. Er selbst stammt aus Münster, lebt aber nun in Gorbitz und und wollte auch selbst mehr über seinen neuen Stadtteil erfahren. Mit dabei war auch eine engagierte Gorbitzerin, die einfach auf Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft zugegangen ist und Unterstützung anbot. Jetzt schaut sie regelmäßig bei ihnen vorbei, um beim Deutschlernen, im Haushalt oder bei Behördengängen zu helfen.
Der Tag war schnell vorbei, die ersten verabschiedeten zu ihrem Deutschkurs. Alle waren äußerst dankbar dafür, dass sie ein Stück ihrer vielleicht neuen Heimat kennenleren konnten und dass sie mit ihren Gastgebern ins Gespräch gekommen sind. Unterstützt wurde das Projekt von der Gagfah-Group. „wir unterstützen die Zeitreise gern finanziell, da dieses Projekt die Kommunikation zwischen Flüchtlingen und Gorbitzer fördert“, sagte Dirk Schmitt, Gagfah-Generalbevollmächtigter.
Ginge es nach Mathias Körner, so folgen in Zukunft noch weitere solcher Projekte. Schon in der Weihnachtszeit hatte er die Initiative ergriffen und Flüchtlinge in seine Wohnung zu selbstgebackenem Stollen und Lebkuchen eingeladen. Und er hat schon eine neue Idee. Gemeinsam mit den Flüchtlingen möchte er ein Gorbitzer Kunstwerk restaurieren. Das soll ein Theme auf dem nächsten Vernetzungstreffen im Februar werden.