Vier Friedenskerzen werden in aller Stille vor den Altar in der Frauenkirche getragen. Sie kommen aus Coventry, Breslau, Ostrava und St. Petersburg. „Danke, dass sie heute bei uns sind“, richtet Bundespräsident Joachim Gauck seine Worte direkt an die Repräsentanten der vier Dresdner Partnerstädte während seiner Rede auf der zentralen Gedenkfeier zum 13. Februar. Der Beifall in der bis auf den letzten Platz besetzten Frauenkirche ist zaghaft, wie an vielen anderen Stellen bei den Reden auch. In einer Mischung aus Gotteshaus, Totengedenken, feierlicher Musik und guten Worten rühren sich nicht alle Hände. Es ist eine nachdenkliche Feierstunde.
Gauck erinnerte an die Leiden im Krieg. „Viele Städte haben im Krieg schreckliche Bombardements erlitten. Städte, die von Deutschen angegriffen wurden: das polnische Wieluń, Rotterdam, Belgrad, London, Leningrad oder Coventry. Auch Städte, über denen alliierte Piloten ihre Bomben abwarfen: Kassel, Darmstadt, Essen, Lübeck, Berlin, Würzburg, Swinemünde oder Pforzheim. Doch es sind Hamburg und vor allem Dresden, die zum Symbol für die Leiden der deutschen Zivilbevölkerung im Bombenkrieg wurden – wegen der Zahl der Opfer und wegen der ungeheuren Feuersbrünste“, sagte Gauck. Er erinnerte an die Recherchen einer unabhängigen Historikerkommission, die die Zahl der Toten vom 13. und 14. Februar 1945 mit bis zu 25.000 bezifferten. „Dennoch werden von einigen weiter höhere Opferzahlen behauptet, um alliierte Angriffe gegen nationalsozialistische Menschheitsverbrechen aufzurechnen, deutsche Schuld also zu relativieren. Und von anderer Seite wird das Flächenbombardement trotz des ungeheuren menschlichen Leids als gerechte Bestrafung gebilligt, also eine Kollektivschuld unterstellt und deutsche Leiderfahrung gänzlich ausgeklammert“, macht Gauck die unterschiedliche Sicht auf die Zahlen deutlich und fügt hinzu: „Ich weiß: Seit wir uns in Deutschland über das Ausmaß der deutschen Schuld klar geworden sind, fällt es vielen schwer, auch das Leid deutscher Opfer zu sehen. Ich weiß aber auch: Ein Land, das für eine Ungeheuerlichkeit wie den Völkermord steht, konnte nicht damit rechnen, ungestraft und unbeschädigt aus einem Krieg hervorzugehen, den es selbst vom Zaun gebrochen hatte.“ Gauck machte klar, dass es nichts zu relativieren gibt. „Wir wissen, wer den mörderischen Krieg begonnen hat. Und deshalb wollen und werden wir niemals die Opfer deutscher Kriegsführung vergessen, wenn wir hier und heute der deutschen Opfer gedenken“, stellte der Bundespräsident klar.
Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) erinnert in ihrer Rede an den Tag vor 70 Jahren, der ein Faschingsdienstag war. „Um 21.45 Uhr endete die Hoffnung, dass Dresden von diesem Krieg, der so viele Städte und Landstriche zuvor zerstörte, verschont bleiben könnte. Was zurück blieb, waren Trümmer, Berge von Leichen und verzweifelte Überlebende“. Sie werde jedes Jahr in vielen Briefen aus aller Welt mit Erinnerungen und persönlichen Erlebnissen konfrontiert, sagt sie. Dabei seien aber auch Zeilen „voller Hass und Bitterkeit, geschrieben wie Anklage und Urteil in einem“.
Der Blick zurück habe gerade in Dresden eine ungeheure Aktualität gewonnen. „Krieg beginnt nicht mit dem ersten Waffengang, nicht mit dem ersten Schuss. Krieg, Hass und Gewalt beginnen immer in den Köpfen der Menschen, in ihren Gedanken und Wertvorstellungen“, sagte Orosz. Und so habe der Krieg in Deutschland auch nicht am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen begonnen. „Er begann mit der Tatsache, dass das deutsche Volk sich mehrheitlich entschied der nationalsozialistischen Ideologie zu folgen. In den Köpfen wurde unterschieden zwischen wertvollen und wertlosen Menschen. Und dann war es nur noch ein kleiner Schritt, um zwischen lebenswert und lebensunwert zu unterscheiden. Diese Denkweise war der Beginn des Krieges. Der Weg in die Konzentrationslager und Gaskammern wurde zuallererst in den Köpfen von Millionen Deutschen gepflastert.“ Darum, so Orosz, sei es so wichtig, sich auch heute gegen jeden Versuch zu wehren, der „darauf abzielt, Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer Hautfarbe erneut zu kategorisieren und zu bewerten“.
Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, sprach in seinem Grußwort vom kriegerischen Zorn, der die Herzen unweigerlich hart werden lässt. Um die Wunden der Vergangenheit zu heilen, „müssen Feinde einen Weg beschreiten, der sie zu Freunden werden lässt“, sagte Welby. Er erinnerte an die 2012 von der Stiftung Frauenkirche überreichte Skulptur „Chor der Überlebenden“ des Dresdner Bildhauers Helmut Heinze und meinte: „Dieses Kunstwerk ist zu einem wahren Symbol des Versöhnungsweges geworden“.
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