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Frank Richter: Ein offener und fairer Streit ist keine Stärke der sächsischen Gesellschaft

Zwei Jahre lang haben Experten der Landeszentrale für politische Bildung im Projekt Kommune im Dialog die Meinungsbildung zwischen verschiedenen Akteuren im kommunalen Leben begleitet. Oft haben sie mit ihrem Eingreifen Blockierungen in der Kommunikation aufgelöst. Zum Beispiel in Neukirch, in Schneeberg, in Chemnitz, in Mittelsachsen oder in Dresden. Der Abschlussbericht zum Projekt, das pro Jahr mit 60.000 Euro gefördert wurde, steht noch aus. menschen-in-dresden.de hat mit Frank Richter, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, über wichtige Schlussfolgerungen aus dem Projekt gesprochen.

Als der Kommunikationsbedarf im vergangenen Jahr, besonders rings um das Thema Asyl, immer größer wurde, war das Projekt Dialog in der Kommune ausgelaufen. War das ein Fehler?

Ich finde es richtig, dass Projekte begrenzt sind und es keinen Verlängerungsautomatismus gibt. Dennoch haben eine Weiterführung beantragt. Diese soll in einem geringeren finanziellen Umfang erfolgen. Und die Auftraggeber sollen am Aufwand beteiligt werden. Wer dazu bereit ist zeigt, dass er wirklich ein begründetes Interesse hat, eine blockierte Meinungsbildung wieder in Gang zu bringen.

Was haben die vielen Dialogveranstaltungen aus Ihrer Sicht gezeigt? Warum entstehen derartige Blockaden in der Kommunikation?

Einen offenen, fairen, demokratischen und kompromissorientierten Streit zu führen, gehört nicht zu den Stärken der sächsischen Gesellschaft und Politik. In Konfliktsituationen kommt es oft zu Verdrängungsreaktionen, wird autoritär entschieden oder auch nach autoritativer Entscheidung verlangt. Das haben wir oft beobachtet. Das lässt sich auch mit Zitaten von Verantwortlichen belegen. Angestellte von Kommunen zum Beispiel erklärten unumwunden, das über bestimmte Fragen nicht diskutiert wird.

Wie entstehen Situationen, in denen die eine Seite die andere nicht mehr versteht?

Kommunikationsblockaden haben wir in ganz verschiedenen Situationen ausgemacht, häufig in der Frage der Unterbringung von Asylbewerbern. Gelegentlich gibt es eine Kluft zwischen Verwaltung und den Bürgern, gelegentlich auch zwischen Landkreis und Kommunen oder zwischen der Verwaltung und den lokalen Gemeinderäten oder Stadträten. Nicht selten beschuldigten sich die verschiedenen Ebenen gegenseitig.

Diese Konflikte lassen sich lösen?

Ja. Wir haben gelernt, dass man diese Blockaden auflösen kann. Dafür braucht es Geduld. Oft sind solche Konflikte mit vielen Emotionen beladen. Das muss man wissen und auch akzeptieren und dafür sorgen, dass diese Emotionen auch ausgesprochen werden dürfen.

Das kann dann aber auch laut werden?

Richtig. Als Moderator kann man sich auch mal anschreien lassen. Das muss man aushalten. Für den Abbau solcher angestauter Emotionen gibt es keine gültige Maßeinheit. In Schneeberg und Riesa haben wir jeweils sieben beziehungsweise acht Veranstaltungen zum Thema Asyl durchgeführt.

Woran kann der Dialog scheitern?

Gewalt und die Macht der Fäuste sind in der Demokratie nicht vorgesehen. Bei Leuten, die nur auf Propaganda setzen, hat der Dialog keinen Zweck. Dann muss man ihn auch abbrechen, da sonst ein falsches Signal gesendet wird. Man kann sich dabei Grundgesetz orientieren. Das Beschimpfen und böswillige Verächtlich machen oder Verleumden einer bestimmten Gruppe von Menschen, sei es wegen ihrer nationalen, rassischen, religiösen oder ethnischen Herkunft, das Aufstacheln zu Hass oder gar Gewalt und Willkür setzt klare Grenzen. Ganz klar, in solchen Fällen hat der Dialog keinen Sinn.

Sie haben mit Lutz Bachmann und Kathrin Oertel gesprochen, ihnen ihre Räume für eine Pressekonferenz zur Verfügung gestellt.

Ja, das war, bevor die menschenverachtenden Äußerungen von Bachmann bekannt wurden. Heute würde ich ihm unsere Räume nicht mehr zur Verfügung stellen. Die Versuche allerdings, mit den Pegida-Sympathisanten ins Gespräch zu kommen, sollten auf keinen Fall beendet werden. Man muss fragen, warum sich so viele nicht von den Äußerungen Lutz Bachmanns distanzieren.

Viele Politiker räumen inzwischen Fehler in der Kommunikation des Asylthemas ein. Wie ist Ihre Beobachtung aus den Dialogveranstaltungen?

Politische Entscheidungen werden meines Erachtens oft zu defensiv diskutiert. Manche Politiker begeben sich in eine Verteidigungshaltung, statt offensiv und transparent mit den Entscheidungen umzugehen. Das führt unter anderem zu dem negativen Effekt, dass die wohlmeinenden Kräfte in der Gesellschaft nicht aktiviert und nicht als Verbündete gewonnen werden. Auch haben wir beobachtet, dass die Funktionslogik der repräsentativen Demokratie nicht von allen verstanden und verteidigt wird.

Gibt es für Sie Grundregeln in der Kommunikation?

Ja – und man darf sie nicht unterschätzen. Eine lautet: Gesagt ist noch nicht gehört, gehört ist noch nicht verstanden, verstanden ist noch nicht einverstanden, einverstanden ist noch nicht überzeugt und überzeugt ist noch lange nicht getan.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

 

 

 

 

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