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Stadtrat lehnt Bürgerentscheid zu verkaufsoffenen Sonntagen ab

Nach einer hoch emotionalen Debatte mit leidenschaftlichen Beiträgen und leisen Tönen hat der Stadtrat am späten Donnerstag Abend die Durchführung eines Bürgerentscheids zu verkaufsoffenen Sonntagen abgelehnt. Die Stadträte von Linke, SPD, Grünen und Piraten folgten damit der Empfehlung der Stadtverwaltung. Diese hatte das vom Verein Bürgerstimme Dresden initiierte Bürgerbegehren wegen 854 fehlender Stimmen als gescheitert erklärt. Grund dafür war die Bewertung des Bürgerbegehrens als „kassatorisches“, weil eine Stadtratsentscheidung vom 12. Dezember 2014 aufgehoben werden sollte. Für diesen Fall sieht das Gesetz vor, dass innerhalb von 3 Monaten 5 Prozent der wahlberechtigten Dresdner für ein Bürgerbegehren unterschreiben müssen. Zum 12. März lagen die dafür erforderlichen 21.786 Unterschriften nicht vor.

Der Verein Bürgerstimme Dresden war von CDU-Kreisvorsitzenden Christian Hartmann und FDP/FB-Frationschef Holger Zastrow gegründet worden. Hartmann, der als Vertrauensmann des Vereins Rederecht im Stadtrat hatte, appelierte an die Stadträte, die bis heute gesammelten 22.800 Unterschriften als Bürgerwillen ernst zu nehmen. „Das ist kein Votum für die Sonntagsöffnung, sondern für Bürgerentscheide“, richtete er sich an die rot-grün-rote Mehrheit und forderte sie auf, mit einem Ratsbegehren die Abstimmung aller Dresdner zu ermöglichen. „Sie hinterlassen sonst den Eindruck, dass der Bürgerwille nur dann gefragt wird, wenn er Ihrer Meinung entspricht“, fügte er hinzu. Bei einem Ratsbegehren müssen zwei Drittel der Stadträte zustimmen. Dass CDU und FDP die Gelegenheit nutzten, um aus der Frage der Sonntagsöffnung eine Debatte über Bürgerbeteiligung  zu machen, deutete sich bereits am 12. März an, als die Stadt das Begehren für gescheitert erklärte.

Zum Thema:

>> zum Wortprotokoll der Debatte, das die Piraten pflegen, TOP 14, Zeile 236

>> zur Videoaufzeichnung der Debatte, Teil 4, ab 32. Minute und Teil 5

Peter Lames, SPD-Fraktionschef, bewertete die Sache als Jurist sehr nüchtern und sah „keinen Ermessensspielraum“. Es sei ganz klar ein kassierendes Begehren und von CDU und FDP als Mittel der politischen Auseinandersetzung mit der rot-grün-roten Entscheidung angekündigt. Holger Zastrow, Mitinitiator des Bürgerbegehrens, erinnerte an die intensiv und „hochemotional geführten jährlichen Debatten um die verkaufsoffenen Sonntage in der Vergangenheit“. Es hielt Linken, SPD und Grünen vor, dass sie das Thema „Bürgerbeteiligung wie eine Monstranz vor sich hergetragen haben“ und rief ihnen eindringlich zu: „Bitte stimmen Sie für einen Bürgerentscheid.“ Hans-Joachim Brauns, Jurist aus der CDU-Stadtratsfraktion, hält die Bewertung des Bürgerbegehrens als „kassierendes“ für nicht richtig. „Sie entscheiden nach Gutsherrenart. Nur wenn es Ihnen in den Kram passt, sind sie für Bürgerbeteiligung“, warf er Rot-Grün-Rot vor. Das wollte Christiane Filius-Jehne, Fraktionschefin der Grünen, nicht auf sich sitzen lassen. „Ich habe für den Bürgerentscheid zur Waldschlösschenbrücke gestimmt, auch wenn ich das Ergebnis politisch nicht gewollt habe“, stellte sie klar.

Wie schon öfter war es dann Linke-Fraktionschef André Schollbach, der mit seiner Rede lautstarke Zwischenrufe provozierte. Schon bei seinem einleitenden Satz „wir haben der ausufernden Kommerzialisierung Grenzen gesetzt und die verkaufsoffenen Sonntage beschränkt“ regte sich spöttischer Protest bei CDU und FDP. Als Schollbach ihnen dann vorhielt, dass die Regeln für die Bürgerentscheide von CDU und FDP im Landtag gemacht wurden, wurde es nicht ruhiger. Mit dem Zusatz „glauben Sie etwa, dass FDP-Hilbert (1. Bürgermeister Dresdens – Anmerkung Autor) und CDU-Sittel (Ordnungsbürgermeister) gemeinsame Sache mit Rot-Grün-Rot machen“, hatte er dann die Verantwortlichen für die rechtliche Situation benannt. „Haben Sie die Größe und gestehen Sie die Niederlage ein“, forderte er darum lautstark am Rednerpult.

CDU-Stadtrat Steffen Kaden versuchte, mit ruhigen Tönen den Umgang mit den mehr als 22.000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren zum Thema zu machen. „Wie wirkt das eigentlich draußen, was wir hier machen“, fragte er. Der Stadt könne  nicht besseres passieren, als dass mehr Leute zur OB-Wahl gehen, weil sie noch über den Bürgerentscheid abstimmen wollen. Detlev Cornelius, AfD, plädierte ebenfalls dafür, „bei einem Thema, was viele bewegt, die Entscheidung auch vom Bürger treffen zu lassen“. Sein Fraktionskollege Jörg Urban warf Rot-Grün-Rot vor, sich „hinter einem Rechtsproblem zu verstecken“.

Als Tilo Wirtz, Linke, von „gekaufter Demokratie“ sprach, erntete er empörte Proteste bei CDU und FDP. Wirtz forderte, die Vereinsfinanzen offenzulegen, damit klar werde, wer das Stimmensammeln und die Werbung für das Bürgerbegehren bezahlt habe. Wirtz vermutete hier Handel und Geschäftsmänner und andere Profiteure der Sonntagsöffnung als freizügige Spender. Astrid Ihle, CDU, warf den Stadträten von Linke, Grünen und SPD vor, mittelstandsfeindlich zu sein. „Nieder mit dem Handel, aber wo die Steuern herkommen ist Ihnen egal“, sagte sie.

Thomas Blümel warnte CDU und FDP vor „dieser Moralnummer“. 2006 hätten sie selbst ein Ratsbegehren abgelehnt. Hartmann warf er Doppelzüngigkeit vor, weil er im Landtag gegen eine Absenkung des Quorums für Bürgerbegehren plädiert habe.

Die versöhnlichen Töne und Kompromissangebote gingen in der Debatte unter. Dafür war die Stimmung zu aufgeheizt. Martin Schulte-Wissermann von den Piraten sprach sich für ein Ratsbegehren aus. Er schlug vor, weitere Themen zu sammeln, die man der Stadtbevölkerung zur Entscheidung vorlegen wolle, um dann per Bürgerentscheid entsprechende Mehrheiten zu suchen. Michael Schmelich und auch SPD-Kreischef Christian Avenarius stellten in Aussicht, dass sich der Stadtrat erneut mit der Sonntagsöffnung beschäftigt. Die jetzige Entscheidung gelte nur für 2015. Aber hier werde sie auch umgesetzt, stellten beide klar., Was 2016 und danach wird, darüber müsse noch entschieden werden.

Christiane Filius-Jehne versuchte gegen 21.3o Uhr ein Ende der Debatte zu erwirken, weil mit der Bettensteuer noch ein Thema auf der Tagesordnung stehe, bei dem es um dringend benötigte Einnahme gehe. Das wurde abgelehnt.

Der CDU/FDP Antrag, den Bürgerentscheid durchzuführen, wurden mit 32 mal Ja und 35 mal Nein abgelehnt. Der weitere Antrag, mittels eines Ratsbegehren den Bürgerentscheid doch noch zu ermöglichen, fand 34 Ja-Stimmen bei 33 Ablehnungen. Zwei Stadträte hatten hier das Lager gewechselt. Allerdings war eine Zweidrittel-Mehrheit nötig.

In der Schlussabstimmung setzten sich Linke, Grüne und SPD mit 35 Ja-Stimmen gegen 32 Nein-Stimmen durch. Alle drei Abstimmungen erfolgten namentlich. Wer wie abgestimmt hat, kann man später im Ratsinfo-System nachlesen. Allerdings wird man keine Überraschungen entdecken.

Wie es nach der Niederlage weiter geht, konnte Zastrow noch nicht sagen. „Wir werden darüber beraten. Es ist eine Niederlage für 22.000 Bürger, die ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben“, sagte er. Das wird die derzeit aufgeheizte Stadtgesellschaft weiter spalten, so seine Befürchtung. Als bedauerlich bewertete Hartmann den Ausgang der Abstimmung. „Es hat die Möglichkeit gegeben, die Bürger selbst entscheiden zu lassen. Das war nicht gewollt“, sagte er.

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