Andreas Kümmert: Here I am. Eine Entdeckung

Andreas Kümmert. Verdammt und geliebt. Was wurde über den Knaben, der rein äußerlich in jedem Mittelalterspektakel einen prima Landsknecht abgeben würde, nicht schon alles geschrieben. Vornehmlich von Leuten, denen es bei Rockmusik weniger auf die Musik, weniger auf die Stimme, weniger auf die Wirkung ankommt. Leute, die sich an Fassaden ergötzen, ohne dahinter zu schauen.

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Michael hat ein wunderbares Hobby – er liebt die Musik. Rock, Pop, Soul, Jazz, Dance. Hauptsache gut und keine One-Hit-Wonder oder flachen Dudelsongs.

Wer genauer hinhört, dem würde auffallen, dass dieser zippelbärtige Kümmert aus Schaippach in Unterfranken ein außergewöhnliches Talent ist. Das ist einer, der nicht unbedingt in Hochglanzmagazine passt. Eher schon einer, der in jedem seriösen Rockmagazin gut aufgehoben ist. Einer, der das einzig richtige gemacht hat – er hat die Reißleine gezogen. Und vorher hat er dem Bussi-Publikum beim Vorausscheid zum Eurovision Song Contest gezeigt, was eine echt geile Rockmugge ist. Dann hat er den Abgang gewählt und der Mob hatte was zum Pöbeln.

Am besten, man ignoriert beides – diesen seltsamen Wettbewerb und das tobende Publikum, das so gar nicht verstehen wollte, warum dieser undankbare Dicke nicht die einmalige Chance ergreift, sich von der Eventgesellschaft verheizen, verhöhnen, verreißen zu lassen.

„Richtig gemacht“, möchte man dem eigentlich zerbrechlichen Burschen zurufen. Erst recht, wenn man das so genannte Re-release seines 2014er Albums „Here I am“ (Universal) anhört. Der Rundling hat vier Bonussongs mehr als die Urversion und er hat dadurch noch gewonnen. Denn dieser Kümmert, der hat es. Zweifelsohne.

16 Titel sind es geworden. Da ist am Anfang etwas viel Melancholie im Spiel. Doch jeder Herbstblues, jede Frühjahrsmüdigkeit, jeder Liebeskummer ist irgendwann langweilig und es verlangt die Seele nach etwas Beschwingterem. Kümmert liefert es. Am Anfang setzt er auf die emotionale Schiene. Er singt nicht einfach, er röhrt den Blues, das kann er.
Kümmert Andreas
DSDS braucht dieser Kümmert eigentlich gar nicht. Denn er kann singen, ohne in ein Image gepresst zu werden. 16 Mal tritt er auf dem Album den Beweis an, auch wenn es in der ersten Halbzeit ein Spiel auf ein Tor ist: auf das der Gefühle. „Home is in my Hands“ und „Heart of Stone“ – da zeigt er, was seine Stimmbänder hergeben. Ein Kracher hätte danach für Abwechslung sorgen können, aber er trauert „Hey Louise“ hinterher. In der Folge nimmt die Scheibe Fahrt auf. Da geht der so gar nicht zum Vorzeigestar taugende Franke aus sich heraus. Erster Anlauf bei „Here I am“, dem Titelsong. Da zeigt er, was man aus einem Album machen kann, weil oder obwohl es Max Herre produziert hat. Mit dem „Simple Man“, ein Song, der zu Kümmert passt, kommt Leben in die Boxen. „Just like you“ – es geht voran. Nach „Solid Gold“ wird‘s dann mit „Faith“ wieder etwas weinerlich. Aber nur kurz. Der Soul bekommt seine Zeit. „For so long“ geht runter wie Öl, da werden Erinnerungen an die goldene Tamla Motown-Zweit wach.

Bee Gees for ever. Kümmert nimmt sich mit Jane Danelane den Klassiker „To love somebody“ vor. Netter Einfall. Aber: die Bee Gees waren doch besser. Echt.

Der Höhepunkt naht: „Sky is calling“. Ein Song, wie in den 70er-Stein gemeißelt. Der Hammer des Albums schlechthin. Straight, ab durch die Mitte. Direkt und rockig. Dann das Finale: ein bisschen Gefühl in „Avalance“, ehe der herrliche Billy Preston-Evergreen „Nothing from nothing“ den fulminanten Schlusspunkt setzt.

Wer hätte sich sonst an diesen Klassiker gewagt, wenn nicht dieser Kümmert. Eine Entdeckung.

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