Lara Liqueur ist im April 20 Jahre alt geworden. Ihr Lieblingsparfüm ist zu Zeit Lady Gaga fame. Sie wohnt in Pieschen in einem WG-Zimmer. Seit dem 12. Mai steht fest, dass sie am 7. Juni als Oberbürgermeisterin von Dresden gewählt werden kann. Die Partei hat sie nominiert. (Anmerkung des Autors: Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative – kurz Die PARTEI – wurde 2004 von Redakteuren des Satiremagazins Titanic gegründet, Vorsitzender ist Martin Sonneborn).
Die Online-Journale menschen-in-dresden.de und neustadt-geflüster.de haben alle Bewerber zum Interview eingeladen, fünf haben bereits zugesagt. Wir treffen Lara Liqueur, die im wirklichen Leben Lars Stosch heißt, in der Boy’s Bar in der Alaunstraße. Dort legt sie als DJ auf. Wir werden geduzt. Wir duzen zurück.
Du arbeitest in der Neustadt, wohnst Du auch hier?
Nein, ich wohne in Pieschen. Und ich war nie in Hamburg wohnhaft.
Wie ist Lara entstanden?
Nach meinem Realschulabschluss war ich noch ein Jahr auf dem Gymnasium. Da habe ich aber schon gemerkt, dass es für mich in die künstlerische Richtung geht. Ich bin auf Parties gegangen, gerade in der schwul-lesbischen Szene. Verkleiden hat mir auch Spaß gemacht und schon bekam ich meinen ersten Job und stand als Lara an der Garderobe.
Bist Du selber schwul?
Nein, ich lebe seit über einem Jahr mit einer Frau zusammen. Ich sage immer, dass ich bisexuell bin, habe auch Erfahrungen mit Männern gehabt. Auf Dauer möchte ich lieber mit einer Frau zusammen leben. Privat bewege ich mich aber trotz allem vorwiegend in der schwul-lesbischen Szene. Da habe ich die meisten Freunde. Außerdem bin ich kein Stino-Typ.
Deine Freundin unterstützt Dich bei Deiner Kandidatur?
Ja, sie hängt mit mir zusammen Wahlplakate auf, kommt auch mit zu den Interviews. Nur heute leider nicht.
Ihr wart zusammen beim Politpicknick bei Frau Töberich, warum?
Ich wollte mal hören, was die Frau so erzählt. Außerdem gab es vor und nach den Reden leckere Lachsschnittchen und Sekt.
Tatjana Festerling war auch da. Habt ihr miteinander geredet?
Ja kurz. Wir hatten uns am Vorabend in der Boy’s Bar getroffen. Ich wollte mal sehen, wie sie ist, wenn sie mit ihren Leuten unterwegs ist. Es war schon ein komisches Gefühl, diese ganzen glatzköpfigen Schränke hinter ihr stehen zu sehen, die genau darauf geachtet haben, was sie sagt. Da hat sie ein bisschen vorsichtiger geredet, als am Abend zuvor. Ich glaube, Emanzipation wird da nicht so groß geschrieben.
Du wohnst in Pieschen in einer WG. Teuer?
189 Euro.
Dann kennst Du das Problem mit der Suche nach bezahlbarem Wohnen. Was stellst Du Dir da für Lösungen vor?
Unser Plan ist, 7.000 neue Wohnungen zu errichten. Für Dresdner, aber nicht in Dresden, sondern in Pirna. Es gibt genug Leute, die die Schnauze voll haben von Dresden und sich nicht mehr trauen zu sagen, wo sie herkommen. Langfristig muss sich Dresden sowieso ausdehnen.
Heftig umstritten ist die Sanierung der Königsbrücker Straße. Was muss hier geschehen?
Da haben wir unseren Masterplan. Wir wollen die Königsbrücker zur Spielstraße machen. Dann ist das ganze Verkehrsproblem gelöst. Die Kinder können spielen, die Teenager können Skateboard fahren, die Rentner haben etwas worüber sie sich aufregen können – Kinder und Skatboard fahrende Teenies. Die Autofahrer lenken wir über den Waldschlösschentunnel. Für etwas müssen wir den ja auch gebaut haben.
Und die Straßenbahnen?
Die müssen wir umlenken. Straßenbahn in der Spielstraße geht nicht.
(Anmerkung des Autors: Im Europawahlkampf 2013 hat Die Partei zum Beispiel die Begrenzung der Managergehälter auf das 35.000fache eines Arbeiters zuzüglich Boni gefordert. Punkt 13 im Regierungsprogramm lautet: Das Bier entscheidet.)
Bei solchen Positionen wird der Stadtrat nicht mitmachen. Er wird dagegen sein. Wie willst Du die 70 Stadträte von Deinen Positionen überzeugen?
Da muss ich Überzeugungsarbeit leisten. Das ist ganz einfach. Erst ein Schnäpschen trinken, dann verführen und dann sind sie mir einen Gefallen schuldig. Das kriege ich schon hin.
Hast Du überhaupt damit gerechnet, die nötigen 240 Unterschriften zusammen zu bekommen?
Natürlich, das war komplett durchkalkuliert. Dass es am Ende noch knapp wird, war ein bisschen seltsam. Aber es ist auch einfach nicht mehr zeitgemäß, dass die Leute irgendwo hingehen müssen für solche Unterschriften. Heutzutage lädt man sich ein App runter und kann dann entscheiden.
Dein Blazer, ist das das offizielle grau von der Partei Die Partei?
Nein, den habe ich nur an, weil es für den Pelzmantel grad zu warm ist. Ich darf als Kandidatin anziehen worauf ich Bock habe. (Anmerkung des Autors: Im Boy’s war es auch für den Blazer zu warm, aber er war da und hing über dem Stuhl.)
Wie bist Du zur Partei Die Partei gekommen?
Das ist eine ganz lustige Geschichte. Der Landesvorsitzende Steffen Retzlaff ist ein alter Freund meiner Mutter, er war öfter zum Grillen da. Dann hat er meine Entwicklung verfolgt und mich später einfach gefragt. Ich bin für jeden Spaß zu haben und fand es sowieso gut, was Die Partei da so macht.
Politik als Satire?
Ich liebe Satire. Wenn ich Zeit habe, lese ich schon mal entsprechende Magazine und schaue mir Satire-Shows an.
Ist die Bewerbung nicht auch ein Risiko für die berufliche Karriere?
Schief gehen kann eigentlich nichts. Ich habe meine Reichweite bei Facebook durch den OB-Wahlkampf schon verdreifacht.
Das klingt nach ziemlich egoistischen Motiven?
Der OB-Wahlkampf ist ein Personenwahlkampf. Da muss man schon ziemlich egozentrisch sein, um sich da aufstellen zu lassen. Wer schüchtern ist und nicht gern im Vordergrund steht, ist eindeutig der falsche Kandidat. Und das bin ich ja nun überhaupt nicht. Eine gewisse Selbstsicherheit sollte man als OB-Kandidat schon mitbringen.
Mehr steckt nicht dahinter?
Man denkt schon an das große Ganze. Nach dem Einzug von Die Partei ins EU-Parlament war natürlich Dresden ein logischer Schritt. Was ist sonst noch größer und mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit? Außerdem bin ich auch nur ein Zahnrad in dem ganz großen Plan zur absoluten Macht von Die Partei. Wir sind schon egoistisch. Es darf keine anderen Parteien neben uns geben.
(Anmerkung: Mit 0,63 Prozent der Stimmen erreichte Die Partei 2013 einen Sitz im Europäischen Parlament)
Die Partei hat ja eine sehr typische Ausdrucksweise. Wie hast Du Dir die angeeignet?
Ganz einfach durch Coachings. Ich habe mir Videos des Vorsitzenden Martin Sonneborn angeschaut. Außerdem haben sie mir ein Buch gegeben zum Thema Schlagfertigkeit. Ich bin auch so ein sehr sarkastischer Mensch. Damit kommen viele nicht klar. Sarkasmus bei Szene-Themen fällt mir allerdings schwer. Weil es mich persönlich berührt.
War bei den Büchern, die Dir der Parteichef gegeben hat, auch die Sächsische Gemeindeordnung dabei?
Nee. Überhaupt nicht.
Interessierst Du Dich dafür?
Ähh. (kurze Pause) Ich sag mal so. Da wir die Wahl ja gewinnen, muss ich mich sowieso bald damit auseinandersetzen. Aber jetzt ja noch nicht. Jetzt ist noch alles schön und gut.
Hast Du eine grobe Vorstellung davon, was auf Dich als Oberbürgermeisterin zukommt?
Ja, natürlich, natürlich. Ich habe mit ehemaligen Oberbürgermeistern geredet. Die haben gesagt: „Mach Dir keine so großen Sorgen. Es ist in erster Linie ein repräsentatives Amt.“ Ich bekomme ja auch ein gewisse Beratung und gewissen Gegenwind, der mich sicher über das eine oder andere nachdenken lässt. Aber hauptsächlich muss ich Sachen eröffnen, Leute empfangen und Reden halten.
Wirst Du als Lara oder als Lars ins Büro gehen? Wir aufwändig ist die Verkleidung als Lara?
Ja. Ich muss sicher sehr früh aufstehen. Wenn ich mich selbst schminke, dauert das etwa eine Stunde. Ein Visagist würde sicher noch den einen oder anderen Handgriff mehr machen. Mal sehen, ob ich mir den leisten kann.
Hast Du Schminktipps für die Frauen?
Nein, für ein Frau nicht. Das ist ein ganz anderes Herangehen. Ich muss mir ja Gesichtszüge ins Gesicht schminken, die eine Frau von Natur aus schon hat. Eine Frau muss auch ihre Augenbrauen nicht abdecken, sie hat meist feminine Brauen und kann sie sich zurechtzupfen. Das kann ich nicht. Dann müsste ich ja auch sonst so rumlaufen. Es ist was ganz anderes, wenn Du vom Mann zur Frau wirst.
Gibt es Themen, die Dir als Oberbürgermeisterin besonders wichtig wären?
Ab nächstem Jahr brauchen wir auf jeden Fall Regenbogenfahnen am Rathaus zur CSD-Zeit. Schöne bunte Fahnen zu verschiedenen Events wäre überhaupt schön. Auch ein bisschen Glitzer auf dem Schreibtisch wird sicher nötig sein. Postkarten signieren und überhaupt Autogramme geben – das ist eine Kernaufgabe als OB. Es ist irgendwie der einfachere Weg zum Popstar. Man wird OB und die Leute kennen einen. Ich glaube, ich habe auch das Potenzial, aus dem Auto auszusteigen und die Leute zum Kreischen zu bringen.
Wieviel Prozent bekommst Du im ersten Wahlgang?
100 Prozent plus x. Aber da ist noch Spiel nach oben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview entstand in Kooperation mit Jan Frintert, Neustadt-Geflüster. Den Text des Kollegen gibt es hier. Die Fotos macht Frank Dehlis von dehli-news.de