Stefan Vogel hat im vorigen Jahr seinen ersten Wahlkampf um den Einzug in den Stadtrat zusammen mit seinen Mitstreitern aus dem Dresdner Kreisverband der Alternative für Deutschland erfolgreich bestritten. Zu fünft zogen sie in den Stadtrat ein und bilden die zweitkleinste von fünf Fraktionen. Ein paar Monate weiter ist der Neueinsteiger in die Politik schon Fraktionsvorsitzender. Vorgänger Bernd Lommel hat Dresden aus beruflichen Gründen verlassen. Im Februar wählte ihn der AfD-Kreisverband mit 93 Prozent zum Kandidaten für die Oberbürgermeister-Wahl am 7. Juni.
Die Online-Journale menschen-in-dresden.de und neustadt-geflüster.de haben alle Bewerber zum Interview eingeladen. Fünf Zusagen liegen vor. Wir haben uns mit Stefan Vogel zum Frühstück im Café Sperling in der Alaunstraße verabredet.
Herr Vogel, Ihr Kollege Urban hat im Stadtrats-Wahlkampf 2014 behauptet, dass in der Neustadt in fast jedem zweiten Haus ein Drogendealer wohnen. Wir sitzen hier mitten in der Neustadt – haben Sie keine Angst, dass Ihnen Drogen angeboten werden?
Ich habe absolut keine Angst. Ich glaube, Herr Urban hat seine Meinung inzwischen relativiert.
Sie teilen diese Meinung also nicht?
Nein. Aber wir haben in Dresden ein allgemeines Drogenproblem. Es ist bekannt, dass der Konsum von Crystal und die Beschaffungskriminalität in allen größeren Städten verbreitet ist. Da ist Dresden leider keine Ausnahme und bei Crystal Spitzenreiter.
Ist Ihnen die Verbreitung von Crystal als Thema im Wahlkampf häufig begegnet?
Ja, vor allem weil die Kriminalität in erschreckendem Maße zugenommen hat. Wohnungseinbrüche, Kfz-und Fahrraddiebstähle, das ist ja bekannt. Die Polizeistatistik spricht ein deutliche Sprache.
Sie sind jetzt seit neun Monaten für die AfD im Stadtrat. Ist es so,wie Sie es sich vorgestellt haben?
Es geht im Stadtrat sehr ideologisch zu. Die OB-Wahl überlagert dort manches. Wir wünschen uns, dass künftig mehr über Sachthemen geredet wird und die Interessen der Bürger berücksichtigt werden. Bürgernähe ist für uns sehr wichtig. An manches müssen wir uns im Stadtrat erst gewöhnen.
Inwiefern herrscht im Stadtrat zuviel Ideologie?
Das kommt in der Haltung der rot-rot-grünen Stadtratsmehrheit zum Ausdruck. Kompromissmöglichkeiten mit uns als Opposition werden gar nicht gesucht. Das haben wir am Donnerstag erst wieder bei der Debatte um das Integrationskonzept erlebt. Hier wird mit der Arroganz der Macht durchregiert. Das werden wir den Bürgern vermitteln und entsprechend kommunizieren. Insofern freuen wir uns schon wieder auf die nächste Kommunalwahl.
Was gefällt Ihnen an dem gerade beschlossenen Integrationskonzept nicht? Können Sie das etwas näher erläutern?
Das Papier zählt eine breite Angebotspalette auf, aber keine Verpflichtungen für diejenigen, die integriert werden sollen. Integration ist Nehmen und Geben zugleich. Wir sollten uns auf den Personenkreis orientieren, der einen Aufenthaltstitel in Deutschland bekommt. Dafür brauchen wir keine 120 Seiten Papier. Es gibt elementare Themen: Das Erlernen der deutschen Sprache. Dann muss die Existenzsicherung gewährleistet sein durch Aufnahme einer legalen Tätigkeit. Zu einer gelungenen Integration gehört für uns auch eine eigene Wohnung. Integration heißt Hilfe zur Selbsthilfe. Wir wünschen uns, dass die Menschen mit legalem Aufenthaltstitel hier langfristig ihre Zukunft sehen und sich Dresden als Heimat vorstellen können.
Das wollen alle Parteien. Der Streit dreht sich doch eher um die Zeit bis zu einer Entscheidung und um die, die keinen Aufenthaltstitel haben. Was gestehen Sie denen zu, deren Asylverfahren noch läuft?
Es ist Sache des Gesetzgebers, so viel Personal einzustellen, dass möglichst rasch über den Aufenthaltsstatus der Asylbewerber entschieden werden kann. Unserer Meinung nach muss nach drei Monaten eine Entscheidung gefallen sein.
Wir fordert seit langem ein Einwanderungsgesetz und haben es geschafft, damit die CDU in Bund und Land vor uns her zu treiben. Auch die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping von der SPD will sich dafür einsetzen. Das darf jetzt nicht noch zehn oder zwanzig Jahre dauern.
Was kann ein Dresdner Oberbürgermeister in dieser Angelegenheit erreichen?
Der Oberbürgermeister kann aus seiner Position Druck auf die Entscheidungsträger ausüben. Und er kann sich um Beschäftigung für die Asylbewerber bemühen. Zum Beispiel nach Tätigkeiten im öffentlichen Bereich suchen, die niemanden überfordern. Es geht um einfache Jobs, für die es auch eine gewisse Entschädigung geben sollte. Das könnte ich mir für die ersten drei Monate gut vorstellen. Jeder Tag in einem Übergangswohnheim ist ein Tag zuviel. Das Leben dort ist menschenunwürdig.
Gehören Sprachkurse für Sie dazu?
Ja, selbstverständlich. Wir sollten allerdings den Fokus auf die Asylbewerber legen, die große Chancen auf eine Anerkennung haben. Wer zum Beispiel aus Albanien oder dem Kosovo kommt, sollte von Anfang an darüber aufgeklärt werden, dass es keine Möglichkeit zum Bleiben gibt. Die Menschen kommen als Wirtschaftsflüchtlinge hierher und wollen unseren Lebensstandard erreichen. Das ist menschlich verständlich, entspricht aber nicht unseren Gesetzen.
Sie wollen Wirtschaft in Dresden zur Chefsache machen. Was bedeutet dies konkret?
Als erstes müsste die Stelle des Amtsleiters für Wirtschaftsförderung nach zwei Jahren Vakanz besetzt werden. Es liegt allein an der Arroganz von Wirtschaftsbürgermeister Hilbert, dass er das Amt zusätzlich betreut und sich offensichtlich dabei übernommen hat.
Was genau vermissen Sie? Was müsste das Amt und sein Leiter leisten, was Wirtschaftsbürgermeister Hilbert nicht kann?
Er müsste sowohl Kontrolle als auch Controlling ausüben. Das Beispiel NanoelektronikZentrum zeigt, dass es an beidem mangelt. Oder nehmen Sie die Ansiedlungen. 71 Anfragen zur Neuansiedlung, 63 Anfragen zur Erweiterung der Produktionspalette und nur sieben Neuansiedlungen. Alles Zahlen aus dem Jahr 2014. Über 540 Abmeldungen von Firmen aus dem Jahr 2014. Das Entwicklungszentrum von Intel verlässt Dresden. Die Entscheidung ist rufschädigend für die Stadt. Für Dresden als der Standort für Halbleiterindustrie ist das ein ganz schöner Niederschlag. Ein weiterer Punkt ist die Vermarktung von Gewerbeflächen, wie dem interkommunalen Gewerbepark Dresden/Heidenau in Dresden Sporbitz. Heidenau am Stadtrand von Dresden prosperiert und in Dresden sagen sich auf 50 Prozent der Fläche Fuchs und Hase Gute Nacht. Es wird immer von Flächenkonzepten gesprochen – es ist alles da, sie müssten nur belebt werden.
CDU-Kandidat Markus Ulbig hat gefordert, eine Stadtentwicklungsgesellschaft zu gründen. Wäre das eine Lösung?
Ein aus der Wirtschaft kommender Experte und Manager mit einem kompetenten Team sind die Lösung. Dieses Team sollte dem oder der OB direkt unterstellt werden. Dort könnte man auch das Beteiligungsmanagement und die Wohnungswirtschaft integrieren.
Sie haben gesagt, dass Sie als Oberbürgermeister auch versöhnen wollen – wie würden Sie den Konflikt mit Frau Töberich um den Bau von Marina Garden lösen?
Seit 2008 sind Frau Töberich die Risiken, im Hochwassergebiet zu bauen, bekannt. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder lassen wir die Frau bauen oder die Gerichte müssen entscheiden.
Die Vorbereitung des Werkstattverfahrens hat ohne Frau Töberich begonnen. Würden Sie ihr empfehlen, an diesem Verfahren teilzunehmen?
Sie sollte sich den Ideen nicht verschließen. Eine Verweigerungshaltung halte ich grundsätzlich nie für zielführend.
Zum Wohnungsbau: Die einen wollen eine Drewo gründen, die anderen eine Woba. Wie heißt Ihre neue Wohnungsbaugesellschaft?
Bei mir gibt es keine neue Gesellschaft. Die braucht Dresden wirklich nicht. Das beweist doch der Markt. Wir benötigen in den nächsten zehn Jahren durchschnittlich 2.000 bis 2.500 neue Wohnungen jährlich. Im vorigen Jahr sind 4.200 neue Wohnungen gebaut worden. Eine neue Woba oder Drewo entwickelt eine Marktrelevanz erst nach drei bis fünf Jahren. Ulbig müsste auch erklären, woher die Subventionen für die neuen Wohnungen kommen sollen. Unter einem Quadratmeterpreis von 9 Euro kalt kann nicht gebaut werden. Ulbig spricht von nicht mehr als 7-8 Euro kalt.
Der Pegida-Verein unterstützt ihre Konkurrentin um das OB-Amt, Tatjana Festerling. Warum funktioniert Pegida in Dresden? Hat Festerling eine Chance?
Nach der OB-Wahl wird sich hoffentlich vieles normalisieren, auch die montäglichen Abende in Dresden. Ich bin in Dresden großgeworden. Die Dresdner wurden in DDR-Zeiten besonders bevormundet und benachteiligt. Die anderen hatten Westfernsehen. Wir mussten uns im „Tal der Ahnungslosen“ unserre Meinungsbildung über die Welt härter erarbeiten. All die Gängeleien und Bespitzelung oder Überwachung – das prägt doch. Da wird man widerstandsfähiger und, ja auch manchmal auf Krawall gebürstet. Die Sachsen und die Dresdner wurden dadurch immer stärker und selbstbewusster. Durchlebte Diktaturen machten Menschen auch sensibler und wachsamer.
Mehr Bürgerbeteiligung fordert Pegida, aber auch die AfD. Welche Themen halten Sie für besonders gut geeignet?
Ein OB, der nicht von der rot-grün-roten Mehrheit getragen wird, braucht viel Unterstützung durch die Öffentlichkeit. Ich würde auf rechtzeitige Information und Einbindung der Bürger setzen. Mit Bürgerbegehren zum Ausbau der Königsbrücker Straße zum Beispiel. Das Projekt geht doch die ganze Stadt an. Ein weiteres Thema wäre die Aufnahme zusätzlicher Asylbewerber. Die Dresdner wollen nicht fremdbestimmt werden, sie wollen selbst entscheiden, was hier geschieht.
Wollen Sie Aufnahmequoten zur Abstimmung bringen?
Das kann ich so nicht sagen, wenn schon in Europa offener Streit darüber besteht. Das hängt von vielen Gegebenheiten ab. Wir wissen doch gar nicht, welche kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt noch auf uns zukommen und wie sich die aktuelle weltweite Fluchtbewegung von über 50 Millionen Menschen entwickelt.
Mitbewerber Dirk Hilbert sagte uns im Interview, er gewinne im zweiten Wahlgang – jede Wette. Welche Wette gehen Sie ein?
Keine. Ich wette nicht.
Anders gefragt: Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
(längere Pause) Wir werden es im ersten Wahlgang mit einer Personenwahl zu tun haben, die nicht entschieden wird. Der zweite Wahlgang wird eine Richtungswahl. Das wichtigste Ziel ist das Wohl der Bürger. Und da tut eine Stärkung von Rot-rot-grün nicht gut. Die Bürger haben doch jetzt schon davon die Schnauze voll.
Vielen Dank für das Gespräch.