„Mir gefiel das Manuskript. Das Thema ist interessant und der Schreibstil sehr gut“, sagt Verleger Christoph Hille. Brigitte Schubert-Oustry habe angefragt, ob ich ihr Buch, das zur Herausgabe schon weitestgehend vorbereitet war, verlegen würde, erinnert sich Hile. Ihr Verlag in Halle war in Insolvenz gegangen. Nun hat die in Dresden geborene Journalistin und Schriftstellerin auch einen Verleger in der Elbestadt. Das Buch wird auch als e-Book erhältlich sein. „Wenn wir mit dem Relaunch unserer Homepage fertig sind“, tröstet Hille die Kunden noch etwas. Der kleine Verlag hat in den letzten 20 Jahren rund einhundert Titel mit den Schwerpunkten Regionales, Sachbücher, Zeitgeschichte, Religion und Belletristik herausgegeben. Jetzt also „Achtung Aufnahme – Band läuft. Eine Journalistin erinnert sich“ von Brigitte Schubert-Oustry.
Befehl 209
Die Dresdner Schriftstellerin und Journalistin Brigitte Schubert-Oustry blickt in ihrem neuen Buch „Achtung Aufnahme – Band läuft“ zurück und gibt Einblicke in die deutsch-französische Zeitgeschichte.
Sie gehört zu denen, die dabei gewesen sind. Für die der Mythos Realität war: Die Bombardierung Dresdens erlebte Brigitte Schubert-Oustry als Mädchen im zarten Alter von neun Jahren. Sieben Jahrzehnte später packt sie diese Erinnerung in den Prolog ihrer autobiographischen Erzählung „Achtung Aufnahme – Band läuft. Eine Journalistin erinnert sich“. Dabei geht es jedoch nicht darum, ein historisches Ereignis zum hundertsten Mal zu reflektieren oder in den Mittelpunkt zu rücken. Nein, Schubert-Oustry schildert die Ereignisse und alles was danach kommt – die Flucht aus der brennenden Stadt, die Rückkehr in das als Lazarett gediente Elternhaus; die schwierigen Nachkriegsjahre, in denen der Vater als Architekt unter dem Befehl 209 des sowjetischen Marschalls Sokolowski die Bodenreform umzusetzen hatte; die Bespitzelung, die Einengung, die Beklemmung – sie schildert dies alles, um den Prolog mit einem Abschied von Dresden zu beenden.
Flucht mit 19
Doch zunächst: Weil sich neben all den Unwägbarkeiten im Leben der jungen Brigitte Schubert-Oustry das geplante Pianostudium an der Dresdner Musikhochschule als schwierig – ja unrealisierbar – erwies, verlässt die kaum Neunzehnjährige und frisch verheiratete junge Frau bei Nacht und Nebel ihre Heimatstadt. Unter Vorgabe, in die Flitterwochen zu reisen, steigt sie mit ihrem Mann 1955 in eine S-Bahn gen Westberlin. Nur ein kleiner Koffer begleitet die Flüchtenden, dahingegen große Hoffnungen auf eine erstklassige Ausbildung und ein Leben in Freiheit. Es folgen die ersehnte Aufnahme an der Berliner Hochschule für Musik und vier Lehrjahre im weitesten Sinne des Wortes: Vier Jahre Exil voll künstlerischer und menschlicher Erfahrungen, doch auch harte Entbehrungen und finanzielle Miseren in der mittellosen, nur durch ein karges Flüchtlingsstipendium gestützten Studienzeit. Am größten Tiefpunkt hausen sogar Ratten in dem kärglichen Zimmer des Musikerpaares. Am Ende steht er trotzdem– der Studienabschluss zur Pianistin. Und: die überraschende Entscheidung, Journalistin zu werden. Diesem Wunsch gingen allerdings bereits veröffentlichte Novellen beim Sender Freies Berlin und in der Berliner Morgenpost voraus.
Der Glücksfall ihres Lebens
Riskant – weil vorher ein Erfolg nicht absehbar war – entwickelt sich diese Entscheidung zum großen Glücksfall ihres Lebens. Ab diesem Moment wechselt Schubert-Oustry in ihren Schilderungen von der Autobiographin öfter in die Rolle einer Publizistin. Leidenschaftlich und reflektiert resümiert sie ihren Beruf, der ihr Leben war. Sie berichtet über ihren gänzlich unbeleckten Start beim Saarländischen Rundfunk, von freundlichen Technikern, gemolkenen Milchkühen und dem glücklichen Eroberungsfeldzug in die Rundfunkabteilungen Aktuelles, Kultur, Bildung, Frauen- und Landfunk. Fast minutiös schildert die Autorin in sehr amüsanten Anekdoten Erfahrungen und auch Pannen, die sicher schon viele Journalisten einmal erlebt haben.
Der Liebe wegen ist die Autorin Anfang der 70er Jahre, nach ihrem Start beim Saarländischen Rundfunk, nach Paris gezogen und hat von dort aus viele Jahre als Auslandskorrespondentin für zahlreiche deutsche Sender sowie das Schweizer Radio-Studio Basel und Radio Wien aus Österreich berichtet. Die Pariser Revolte der 68er Jahre erlebte sie im französischen Familienkreis, quasi direkt vor der Haustür, unter den Fenstern ihrer Wohnung.
Berlin, Saarbrücken, Paris
Und weil eben alles so war, wie es war, ist der Rückblick auch gleichzeitig eine Reise durch die deutsche und später auch französische Nachkriegszeit: Ganz nebenbei analysiert sie die Entwicklung der kriegsgebeutelten Nachbarländer Deutschland und Frankreich, die Probleme der angehenden Europäischen Gemeinschaft aus französischer Sicht sowie den Freiheitskampf der französischen Kolonie Algerien, die in den 60ern um ihre Unabhängigkeit rang.
Schubert-Oustry gliedert ihr Buch in die drei großen Stationen ihres Lebens: Berlin, Saarbrücken und Paris. Dabei schwankt sie zwischen autobiographischen und dokumentarischen Perspektiven. Trotzdem gelingt ihr eine farbenreiche, interessante und spannende Reise durch ihr Leben und die Gesellschaft zweier Staaten, die, vom Krieg geprägt, ihre neuen Rollen suchen.
In einer lebendigen und auch poetischen Sprache wandert Schubert-Oustry auf 327 Seiten durch die Jahre. Ihr Buch ist gleichsam Autobiographie, Historien-Reise, Portrait des (Saarländischen) Rundfunks, aber auch das Gemälde eines restpompösen Frankreichs, das zunehmend mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Es ist persönliches Bekenntnis wie erlebte Zeitgeschichte.
>> Buchlesung: 23. Oktober 2015, 19.30 Uhr, Lingnerschloss Dresden, Bautzner Straße 132, Dresden
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