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Das große Verheddern – Shakespeares Komödie „Maß für Maß“

Der Zeitgeist hat zugeschlagen. Derb und laut. Parolen rufend und die Faust erhebend. Dabei hätte es das Theaterstück „Maß für Maß“ von William Shakespeare am Schauspielhaus nicht gebraucht, um modern zu sein. Denn die fast allesamt zitatreifen Sätze des Drama-Königs haben in den vergangenen reichlich 400 Jahren nichts an Aktualität verloren. Da wirkt die Pegida-Thematik etwas brachial eingestrickt – vermutlich hätte der große Literat etwas ganz Eigenes daraus gewerkelt. So aber – wenn das Shakespearsche Fußvolk zum „Dresdner Pack“ wird – wirkt es wie ein etwas hilfloser Versuch, politisches Theater zu machen. Interessante Zugabe allerdings ist das zeitgeistsche Bühnenbild mit kahlen schwarzen Wänden ohne Fenster und Türen und mit gelb-schwarzen Absperrbändern, in denen sich alle immer mehr verheddern.

Das passt gut zum eigentlichen Stück. Es führt die Zuschauer über die Irrwege eigener Meinungen, bietet aber fast immer den Ausweg, darüber lachen zu können – weil dort, wo die Tragödie mit der Komödie tändelt, eine herrliche Groteske entsteht. Und die ganze Zeit: Fragen über Fragen: Wer sündigt mehr? Der, der in Versuchung führt? Oder jener, der ihr erliegt? Und was ist das überhaupt – die Sünde? Wird sie von Gesetzen definiert? Oder von der Moral? Falls ja: von welcher Moral? Und dann die Sache mit der Macht, der Begierde und der Freiheit.

Schnell wird klar: Freiheit ist nicht per se eine schöne Sache. „Die Freiheit packt die Justiz grob an die Nase. Und alle Regeln sind dahin“, heißt es. Es geht um Korruption und Eitelkeiten, um den Drang, zu besitzen, was man nicht haben kann – und darum, ob etwas Schlechtes dann akzeptabel ist, wenn es zum Guten gereicht. Doch der Zweck begründet nicht die Mittel. Heiligen wird er sie erst recht nicht.

„Am Tod das Schlimmste ist die Angst vor ihm.“

Zur Geschichte: Der Herzog ist des Regierens überdrüssig und gibt sein Amt an Angelo, „mit Blut, so kalt wie Eiswasser“. Der riecht nicht nur an der Macht, sondern bemächtigt sich ihrer, will das Amt nicht nur ausfüllen, sondern auch umfüllen: schärfere Gesetze, strengere Sitten. Fast schon logisch, dass Angelo als erster über die von ihm gezogenen Fallstricke strauchelt und über die eigene Begierde stürzt. Die von ihm so begehrte Isabella lässt sich nicht auf seine Forderungen ein, nicht einmal, um das Leben ihres Bruders zu retten – und wird wenig später doch zur entscheidenden Figur im Ränkespiel.

Schauspielerisch ist die Isabella der Ina Piontek absolut sehenswert. Matthias Reichwald als Angelo und Philipp Lux als Herzog Vincentino stehen ihr in nichts nach, bemerkenswert wie Matthias Reichwald, seine markant schöne Figur ins Herrische und fast schon Diabolische auflaufen lässt. Er ist die tragende tragische Figur, das I-Tüpfelchen der Tragödie, während Philipp Lux sich sehr unterhaltsam zwischen die Sparten zwängt. Und Benjamin Pauquet macht mit seiner Nebenrolle des Lucio das Stück noch ein bisschen mehr zur Komödie.

Zum Finale wird dann alles auf den Kopf gestellt, treffen sich die Figuren im moralischen Niemandsland. Vermutlich hat sich Shakespeare schon beim Schreiben schlapp gelacht. Noch ein Häppchen aus der Zitateküche gefällig? „Seid auf den Tod gefasst. So lebts und stirbts sich leichter“, hatte der Herzog zu Beginn verkündet und später erklärt: „Am Tod das Schlimmste ist die Angst vor ihm.“ Das Stück sollte man zuvor gesehen haben, trotz des Zeitgeistes. Natürlich wäre es ohne den Pegida-Seitenhieb noch etwas besser. Aber das wäre das reale Leben ja auch.

Nächste Vorstellungen: am 30. September und 3., 11. und 22. Oktober im Dresdner Schauspielhaus, Karten: Tel.: 0351/4913555

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