Die ABC-Tische des Dresdner Umweltzentrums haben neue Quartiere für die kalten Wintermonate gefunden. Der Lichthof im Albertinum und die Mensa in der Hochschule für Bildende Künste Dresden waren heute zum ersten Mal Gastgeber für Flüchtlinge und ehrenamtliche Deutschlehrer. Aus den Unterkünften in der Bremer Straße, der Hamburger Straße und der Pfotenhauerstraße hatten sich die Lernwilligen gemeinsam mit Lotsen aus dem Umweltzentrum auf den Fußmarsch durch die Stadt begeben. Etwa 80 Flüchtlinge und 20 „Deutschlehrer“ waren der Einladung gefolgt. „Wir haben das gestern in den Einrichtungen bekannt gemacht. Wir wussten nicht, wie viele wirklich kommen werden“, sagte Geoffrey Brown vom Umweltzentrum und freut sich, dass es so viele geworden sind. Die ABC-Tische sind als Angebot an die Flüchtlinge der Zeltstadt in der Bremer Straße entstanden und fanden auf dem Gelände des ehemaligen Äußeren Matthäusfriedhofes gleich gegenüber statt. Seit einigen Wochen schon suchen die Initiatoren um Stefan Merteskötter Ausweichquartiere für den Winter.
Auch bei uns im Haus gab es Überlegungen, wie wir unsere öffentlichen Räume für derartige Initiativen besser nutzen können, sagte Hilke Wagner, Direktorin des Albertinums. Durch den Kontakt zum Umweltzentrum sei dann die Idee entstanden, den Lichthof zu nutzen. „Für uns ist das kein großer Aufwand“, sagt die Chefin der Galerie Neue Meister und der Skulpturensammlung und fügt hinzu: „Ein besonders schönes Gefühl war es auch, die vielen ehrenamtlichen Helfer kennenzulernen, die sich Tag für Tag bei der Hilfe für die Flüchtlinge engagieren.“ Hilke Wagner weiß, wie man Deutsch unterrichtet. Sie habe ihr Studium mit Deutschstunden für Ausländer finanziert, erinnerte sie sich. Gerade habe sie noch eine Mail vom Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen, Hartwig Fischer, bekommen. Er habe die Initiative von Anbeginn unterstützt, jetzt neugierig nach dem ersten Tag gefragt und viel Erfolg gewünscht. Kunsthistorikerin Gwendolin Kremer, die fleißig an den Strippen im Hintergrund gezogen hat, kündigt für die nächsten Wochen noch eine öffentliche Vorstellung der ABC-Tische an. „Nach den Herbstferien gibt es hier ein kleines Fest“, sagt sie.
Salam Abokhair aus Damaskus ist schwer beeindruckt vom neuen „Klassenzimmer“ für den Deutschunterricht. Er hat in Damaskus Bauingenierwesen studiert. Voller Respekt schaut der junge Syrer nach oben, wo sich in einer einmaligen architektonischen Lösung der hochwassersichere zweigeschossige Werkstatt- und Depotneubau über den Innenhof spannt. „Ich weiß das zu würdigen und es sieht sehr schön aus“, sagt Abokhair. Nicht für alle haben die Tische heute gereicht. Mit einem großen Stapel Sitzkissen wird das Problem unkompliziert behoben. Schnell bilden sich kleine Sitzrunden in der hinteren Ecke der riesigen Halle. In einer der Runden finden sich Nabell aus dem Irak und Isabell, die kolumbianische Wurzeln hat und heute zum ersten Mal als Lehrerin dabei ist. Sie studiert Kunstgeschichte und macht gerade ein Praktikum im Albertinum.
Etwa 20 Flüchtlinge samt ihrer ehrenamtlichen Lehrer haben sich zur Deutsch-Lern-Premiere in der Mensa der Hochschule für Bildende Künste eingefunden. „Auf meine Rundmail haben sich gleich 30 Studenten gemeldet“, erzählt Hochschulsprecherin Andrea Weippert. „Bei uns ist das Fremde Normalität. Wir beschäftigen uns jeden Tag damit“, sagt sie. Von Dienstag bis Freitag wird hier jetzt ab 15 Uhr unterrichtet. Ohne große Bürokratie.
Susann Binder vom Umweltzentrum kümmert sich um die „Lehrer“. Im September hatten sich 145 Freiwillige über die von ihr eingerichtete Doodle-Umfrage gemeldet. In der Oktoberliste sind es jetzt knapp fünfzig. Da haben wir noch Reserven, meinte sie. Neben vielen Neulingen gibt es inzwischen auch alte Hasen unter den „Teachern“, wie zum Beispiel das deutsch-agyptische Ehepaar Monika und Hassan Disouky aus Radebeul.
Kunsthochschule und Museum – da bleibt es nicht bei Deutschstunden. Wir planen natürlich auch Führungen durch das Museum, meint Hilke Wagner. Andrea Weippert ist sicher, dass die Studenten ihre Deutschschüler auch zu anderen Veranstaltungen in der Stadt mitnehmen. „Wir wollen sie ein bisschen im Alltag begleiten“, sagt sie. Karina Peschel, im Albertinum für Bildung und Vermittlung zuständig, hat heute noch andere Kontakte geknüpft und kündigt an: „Wir wollen jeden Sonnabend einen speziellen Treffpunkt nur mit den Frauen und Kindern aus den Flüchtlingsunterkünften organisieren.“