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CDU-Vorsitzender Christian Hartmann: Woba-Vorschlag war Alleingang von OB-Kandidat Ulbig

Am 6. November wählt die Dresdner CDU einen neuen Vorstand. Kreisvorsitzender Christian Hartmann will sich erneut der Wahl stellen. Derzeit beschäftigt er sich intensiv mit der Auswertung der Wahlen 2014 und 2015. Zum Alleingang von Oberbürgermeister-Kandidat Markus Ulbig, den Aufbau einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft zu initiieren, findet er im Interview mit dem Onlinejournal menschen-in-dresden.de  kritische Worte.

Wie fühlen Sie sich in der neuen Rolle als Opposition in der Stadtpolitik?

Die Wahrnehmung unser 1.300 Mitglieder ist da sehr unterschiedlich.  Wir werden nicht fünf Jahre lang nur rufen, was alles nicht geht und selbst die Antworten schuldig bleiben. Das hat die Linke in der Vergangenheit so gemacht und offenbar mit Pauschalforderungen auch einigen Erfolg gehabt. Aber das ist nicht unser Selbstverständnis. Wir sind nach wie vor die stärkste politische Kraft im Stadtrat. Wir stehen in der Verantwortung, mit dem Oberbürgermeister und der Verwaltung konstruktiv zusammenzuarbeiten. Insofern sehe ich die Rolle der CDU schon als die eines Verantwortungsträgers innerhalb der Stadt, der zwar nicht die politische Mehrheit repräsentiert, aber die Verantwortung hat, in zentralen Fragen für politische Mehrheiten zu sorgen. Aber nicht um jeden Preis. Darum sind unsere eigenen Positionen so wichtig.

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CDU und FDP – hier Holger Zastrow (l.) und Christian Hartmann – organisierten Bürgerbegehren für den Ausbau der Königsbrücker und verkaufsoffene Sonntage. Foto: W. Schenk

Wurde der Parteitag verschoben, um Zeit für die Wahlauswertung zu gewinnen?

Ja, das war nach den vergangenen zwei Jahren notwendig, um sich mit den Zukunftsfragen unserer Partei auseinanderzusetzen. Wir sind nach den Vorstandswahlen 2013 unmittelbar in einen Wahlmarathon gegangen, erst die Kommunal-, dann die Landtags- und anschließend die OB-Wahlen. Bei letzterer mussten wir sehr kurzfristig eine Alternative nach dem Rücktritt von Helma Orosz finden.

Wie läuft die Auswertung? Gibt es erste Ergebnisse?

Wir haben uns für ein Drei-Stufen-Modell entschieden. Wir fragen die Mitglieder in unseren 13 Ortsverbänden, aber auch in der Seniorenunion, in der Frauenunion, der Jungen Union und der Mittelstandvereinigung. Als zweites wollen wir wissen, wie wir in den Reihen der Multiplikatoren wahrgenommen werden – also bei Wissenschaftlern, Künstlern, Kulturarbeitern, Sportlern. Unter diesen haben wir eine Umfrage und Diskussionsveranstaltung durchgeführt. Das dritte Standbein der Auswertung wird eine Wählerbefragung in einem wissenschaftlich geleiteten Projekt sein.

Was können Sie ihren Mitgliedern zum Parteitag am 6. November als Ergebnis präsentieren?

Die Mitgliederbefragung in den Ortsverbänden ist fast abgeschlossen. Die Auswertung der Multiplikatoren-Interviews ebenso. Die Wählerumfrage ist erst zum Jahresende geplant.

Gibt es handfeste Ergebnisse, muss die CDU ihren Kurs ändern?

Wir wollen unseren Kompass neu justieren. Die Grundsatzfrage für die Kommunalpolitik lautet, woher das Geld für die Investitionen kommen soll – für Schulen, Kitas, Kultur, Wohnen. Seit zehn Jahren stagnieren unsere Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Das ist in Leipzig oder Chemnitz ganz anders. Wir wollen Schwerpunkte für das gesellschaftliche Zusammenleben und die dafür notwendigen Investitionen definieren. Außerdem müssen wir unser Personal breiter entwickeln, einen Pool aufbauen.

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August 2014: Die Dresdner CDU feiert eine Woche vor der Landtagswahl den ersten Geburtstag der Waldschlösschenbrücke. Foto: W. Schenk

Gilt das auch für den Vorschlag des Bildungsbürgermeisters?

Wir werden rechtzeitig einen Kandidaten präsentieren.

Aus Dresden oder möglicherweise auch einen externen Bildungsexperten?

Wir werden einen geeigneten Bewerber mit Dresdner Lokalkolorit vorschlagen.

Zurück zu Gewerbesteuer und Wirtschaftsentwicklung. Ihre Partei hatte in den vergangenen Jahren die entscheidenden Stellen im Rathaus in der Hand, inklusive Oberbürgermeisterin.

Vielleicht haben wir uns zu stark diszipliniert, zu oft gedacht, dass man die Arbeit eigener Amtsträger nicht kritisieren sollte. Auch der Kreisverband und die Stadtratsfraktion haben an mancher Stelle zu wenig gefordert. In der Partei wird jetzt verstärkt wahrgenommen, dass sich die Mitglieder mehr einbringen müssen.

Gilt das auch für die Kandidatur von Markus Ulbig? Besonders für seinen Vorstoß, eine stadteigene Wohnungsbaugesellschaft zu gründen?

Die CDU Dresden hat 2012 eine Position zum Thema Wohnen erarbeitet. Das war ein gutes Papier. Die Gründung einer Woba gehörte nicht dazu. Das finde ich auch heute noch richtig. Aber die CDU hat bis 2014 nicht viel für die Umsetzung getan, weder die Stadtratsfraktion noch das Rathaus. Dann kam die Kommunalwahl, bei der die Linke mit dem Thema Wohnen offensichtlich Stimmen gewinnen konnte.

Aber der Vorstoß von Markus Ulbig zur Gründung einer Woba kam für Sie überraschend?

Der Kreisvorsitzende und der Fraktionsvorsitzende wurden am Vorabend von Herrn Ulbig darüber informiert, dass er am nächsten Morgen zu einem Pressetermin sein Konzept für eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft präsentieren wird.

Sie hätten nein sagen können. Es gab den anderslautenden CDU-Beschluss.

Das Thema war gesetzt und ein zentrales persönliches Anliegen unseres OB-Kandidaten. Wir haben daher gesagt, dass wir die Idee als eine mögliche Option mittragen – das Geld ist derzeit sehr billig, die Stadt verfügt über Grundstücke und über erhebliche Rücklagen. Es war also eine durchaus umsetzbare Idee.

Warum war das Thema nach dem Rückzug von Ulbig wieder vom Tisch?

Nach der OB-Wahl haben wir entschieden, das Thema in der Partei gründlich zu diskutieren. Wir müssen sicher unseren Beschluss von 2012 überprüfen. Der ist kein Dogma. Im Moment gibt es weder in der Partei noch in der Stadtratsfraktion eine einheitliche Position. Klar ist, dass es hier keine einsame Entscheidung wie die unseres OB-Kandidaten im Wahlkampf geben kann.Wir werden daher in den nächsten Wochen eine gemeinsame Position erarbeiten.

Am Montag sind Tausende Dresdner gegen Pegida auf die Straße gegangen. Ist die Dresdner CDU in der Asylfrage zerrissen?

Wir sind eine Volkspartei, unsere Mitgliedschaft spiegelt die gesamte Palette der gesellschaftlichen Diskussion wider.

Auch weit linke Positionen?

Das sicher nicht, aber Menschen die ein großes Selbstverständnis für eine Willkommenskultur für Asylbewerber haben, finden Sie auch in den CDU-Reihen. Sie finden aber auch Mitglieder, die zu Pegida-Demonstrationen gehen. In diesem Spannungsbogen verlaufen die Diskussionen auch innerhalb der Partei. Das ist auch gut so!

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Ein Jahr Pegida: Auch CDU-Mitglieder finden sich unter den Montags-Demonstranten. Foto: W, Schenk

Können Sie das näher erklären?

Das Meinungsbild ist sehr heterogen. Einigkeit besteht jedoch in der Notwendigkeit, zügig zu tragfähigen Lösungen zu kommen, die auch in der Bevölkerung als solche wahrgenommen werden. Es geht in erster Linie nicht um Willkommenskultur, sondern um die Wahrnahme von Verantwortung, im Sinne unserer christlichen Tradition. Auch die Diskussion über die gesellschaftliche Bereicherung vermittelt einen falschen Eindruck. Vielmehr müssen wir in der Herausforderung die Lösungen und Chancen suchen. Wir haben jedoch eine Situation erreicht, in der ein weiter so nicht mehr möglich ist. Meine innere Überzeugung ist, dass wir bis Ende des Jahres 70.000 bis 75.000 Flüchtlinge in Sachsen haben werden – das ist nicht amtlich bestätigt, aber meine Überzeugung. Es werden sieben Mal so viel sein wie voriges Jahr. Wenn das so ist, muss man über eine Beschränkung der Zahlen reden. Wir müssen definieren, was unsere Gesellschaft organisatorisch, fiskalisch und gesellschaftlich verkraften kann.

Auf dem Theaterplatz waren wieder Sprechchöre „Merkel muss weg“ oder „Volksverräter“ zu hören. Auch CDU-Anhänger rufen mit.

Was Bachmann und Festerling an Hass säen und wie sie gegen schutzsuchende Minderheiten hetzen, ist unerträglich. Aber es gilt die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die Beurteilung obliegt der Justiz, dafür haben wir Gewaltenteilung. Sie prüft jetzt, ob Herr Bachmann gegen Rechtsnormen verstoßen hat. Ich hätte auch bei Frau Festerling genug Ansatzmomente gesehen für eine ebensolche Prüfung, aber das ist Sache der Jusitz, nicht der Politik.

Halten Sie einen Dialog mit den Pegida-Anhängern für möglich?

Einem Teil der Pegida-Anhänger attestiere ich eine klare rechtsextreme Haltung. Ich würde sehr vorsichtig sein, die Mehrheit in die gleiche Ecke zu stellen. Die Masse geht dort nicht hin, weil sie der Rethorik von Bachmann oder Festerling folgen. Sie drücken mit ihrer Teilnahme Protestgefühl aus, das höchst unterschiedliche Ursachen hat. Und sie sehen derzeit keine andere Möglichkeit als dies bei Pegida-Demos zu tun.

Kann die CDU Alternativen bieten?

Die Rolle der CDU besteht nicht darin, sich an Antipegida-Demonstrationen zu beteiligen. Ich persönliche halte diese Form der Meinungsäußerung nicht für die Richtige, um den gesellschaftlichen Frieden in unserer Stadt zu wahren. Wir kritisieren jeden, der zu Pegida geht, weil er sich mit den Rechten gemein macht. Wer zur Gegendemo geht, steht dort auch zusammen mit dem schwarzen Block der Antifa – dessen muss sich jeder bewusst sein. Viel wichtiger wäre es, wenn die Leute wieder miteinander ins Gespräch kommen, anstatt sich unversöhnlich gegenüber zu stehen – auch im Kleinen: „Fragen Sie doch einmal, warum ihr Nachbar zu Pegida geht.“ Kommen Sie ins Gespräch. Nur so können Meinungen ausgetauscht werden. Wir brauchen wieder eine Diskussionskultur, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist, auch wenn man mit seinem Gegenüber nicht immer übereinstimmt.

Können Sie einen Teil der Pegida-Anhänger noch erreichen?

Ja, aber nicht im Moment. Erst müssen wir beim Thema Asyl zu erkennbaren Lösungen kommen und vor allem die Menschen auf diesem Weg mitnehmen. Sie werden erst wieder Vertrauen fassen, wenn sie erkennen können, wo die Reise hingeht. Dann sehe ich eine Chance.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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