Thema: Asyl in Dresden

Asyl in Dresden: Studenten helfen im Camp in der Nöthnitzer Straße

Als Ende Juli die Zahl der Flüchtlinge in Dresden sprunghaft angestieg, wurde die Zeltstadt an der Bremer Straße aus dem Boden gestampft. Wenige Tage später, es waren Semesterferien, belegte die Landesdirektion zwei Turnhallen der TU Dresden. Das Zeltlager ist aufgelöst, die Turnhallen dienen nach wie vor als zeitweilige Unterkünfte im Rahmen der Erstaufnahme. Während die einen vor den Unterkünften protestierten und die Schlagzeilen dominierten, machten sich die anderen daran, Hilfe und Unterstützung zu organisieren. Unter ihnen viele Studenten der Technischen Universität.

Aus Distanz wurden Freundschaften

Noethnitzer Straße Schlafsaal

Die beiden Turnhallen sind seit Anfang August er Lebensraum für fast 600 Flüchtlinge. Foto: DRK

Zum Beispiel Jan Klein. Für den Maschinenbaustudenten im fünften Semester standen im Sommer zunächst Prüfungen an. Dann ließ er sich als Helfer beim DRK registrieren und engagiert sich seit dem im Camp an der Nöthnitzer Straße. Kleiderspenden sortieren und ausgeben sind typische Aufgaben für studentische Helfer. Um Essen an die Flüchtlinge auszugeben, brauchte es schon eine extra Hygieneschulung. „In der Anfangsphase gab es sehr viel zu tun. Inzwischen hat das DRK mehr Personal, zum Beispiel auch für die Kinderbetreuung“, erzählt der 20-Jährige. Klein hat ein paar Wochen sehr intensiv im Camp mitgearbeitet, hatte dabei vor allem mit Flüchtlingen aus Syrien Kontakt. „Die ersten Male im Camp hatte ich noch eine gewisse Distanz, brachte selbst falsche Vorstellungen mit. Doch schnell entstanden auch Freundschaften“, erzählt er. Das sei leicht gewesen, weil viele der Flüchtlinge gleichaltrig waren. Und Klein machte eine sehr lapidare Feststellung: „Das sind Menschen wie du und ich, mit ähnlichen Interessen und ähnlicher Ausbildung.“

Einige Flüchtlinge würden auch selbst Hilfe anbieten und seien dankbar, wenn das angenommen werde. Und ja, es gäbe auch die anderen, die sich bedienen lassen und den Müll nicht aufräumen, meint Klein. Seine Mitbewohner in der WG, Lars König und Kassem Taher Saleh, helfen ebenfalls im Camp. Kassem ist als 9-Jähriger mit seinen Eltern aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet. Er spricht Kurdisch und Arabisch, war im Camp bis zu Beginn des neuen Semesters unter anderem als Dolmetscher tätig. Er hat Flüchtlinge zum Arzt begleitet und bei der Essenausgabe geholfen. Seit zwei Jahren studiert er Bauingenieurwesen.

Konflikte haben nicht immer mit Religion zu tun

Nöthnitzer Straße Ammar Arran

Ammar Arran will schnell Deutsch lernen und sein Ökonomie-Studium fortsetzen. Foto: Claudia Trache

Eine Beobachtung teilt er mit seinen Kommilitonen. „Konflikte im Camp sind nicht ausschließlich eine Frage der Religion. Hier prallen nicht nur verschiedene Nationalitäten aufeinander, sondern auch unterschiedliche soziale Schichten mit verschiedenen Einstellungen und Vorstellungen vom Leben.“

Auch die psychische Anspannung der Campbewohner berge Konfliktpotential. „Das lange Warten auf das Erstgespräch zur Eröffnung des Asylverfahrens oder auf die medizinische Erstuntersuchung durch den Amtsarzt, die Ungewissheit und das Nichtstun sind eine große Belastung“, schildert Ammar Arran seine eigenen Erfahrungen. Der 24-jährige Syrer hat mehr als zwei Monate im Camp an der Nöthnitzer Straße gelebt und durfte vor wenigen Tagen in eine Wohnung umziehen – nach Chemnitz mit vier Landsleuten.

In Dresden hatte er einen Monat lang zwei Tage in der Woche einen Deutschkurs besucht. Dazu holen die Studenten die Flüchtlinge am Camp ab. Für den Unterricht können sie Räume in der Universitätsbibliothek nutzen. In Eingangstest wurden die Sprachkenntnisse ermittelt und die „Schüler“ dann entsprechende Kurse verteilt. Ammar gehörte zu den Leistungsstärkeren und durfte zusätzlich zwei Wochen an einem Intensiv-Deutschkurs teilnehmen. Gemeindemitglieder der Auferstehungskirche hatten diesen Kurs angeboten. Gelernt habe er vor allem nachts. „Von Mitternacht bis sieben Uhr war es am ruhigsten“, meinte er. Ammar hat viele Freunde unter den freiwilligen Helfern gefunden. Er spricht gut Englisch, das erleichtert die Verständigung. Er möchte gern so gut Deutsch lernen, dass er sein Studium beenden kann. An der Universität in Aleppo hat er bereits drei Jahre Ökonomie studiert.

Soziale Netzwerke helfen bei der Organisation

Noethnitzer Sraße Deutsch lernen

Deutsch lernen beginnt schon in der Unterkunft. Foto: DRK

Die Hilfsangebote der Studenten beschränken sich nicht nur auf Deutschkurse. Sie spielen und malen mit den Flüchtlingskindern im Camp oder erkunden Spielplätze in der Umgebung. Beeindruckt ist Jan Klein auch von vielen Erasmus-Studenten, die mithelfen, obwohl sie selbst nur kurze Zeit in der Dresden  sind.

Für die Verständigung untereinander haben die Helfer eine geschlossene Facebook-Gruppe gegründet. Die habe schon gute Dienste erwiesen, meint der künftige Maschinenbauer. „Es gab Phasen, wo besonders viele Flüchtlinge ankamen und dann weiterverteilt wurden. Für  Kleidung und persönlichen Dinge fehlte es an Koffern und Taschen. Eine Nachricht auf Facebook sorgte für Abhilfe. Zwei bis drei Stunden später hatten wir genügend Koffer zur Verfügung“, schildert Klein ein Erlebnis, das sich besonders eingeprägt hat.

Immer wieder würden die Helfer auch die Dankbarkeit der Campbewohner spüren. Zum Beispiel in den Tagen des Opferfestes, einem islamischen Feiertag, ähnlich unserem Weihnachten. „Wir haben Kuchen gebacken und gespendete Spielsachen für die Kinder als Geschenke verpackt“, erinnern sich die drei Studenten. Danach seien die Bewohner mit „Danke“-Schildern durch die Turnhallen gezogen.

Mehr über gute Nachrichten berichten

Lars König hilft seit Semesterbeginn im Camp. Er organisiert gern und möchte mehr positive Nachrichten aus dem Camp in die Öffentlichkeit tragen. Zum Beispiel über das Engagement dreier Frauen aus Dresden-Plauen, die jeden Montagvormittag mit den Kindern des Camps singen. Oder von den Bastelstunden mit den Kindern, die die Mitarbeiter des Klubs „Müllerbrunnen“ veranstalten. König möchte gleichzeitig andere Menschen dazu ermutigen, mit Flüchtlingen in Kontakt zu treten. „Viele der Flüchtlinge im Camp sind daran interessiert, mit Dresdnern in Kontakt zu kommen“, sagt er. Sein WG-Mitbewohner Kassem weiß aus Erfahrung, wie wichtig es für Flüchtlinge ist mit Einheimischen in Kontakt zu kommen. „Als Kind bin ich mit meiner Familie nach Plauen im Vogtland gekommen. Einige Jahre haben wir dort in einem Asylbewerberheim gelebt. Ein Deutscher aus der Nachbarschaft hat uns viel unterstützt. Für mich war es auch wichtig, schnell Anschluss in einem Fußballverein zu haben. Der Sport stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl“, erinnert sich Kassem. Seit diesem Sommer kickt er bei Dresden Süd-West. Er fühlt sich wohl dort.

Die Unterbringung der Flüchtlinge auf dem TU Gelände hat Folgen für den Studentensport. Neben den beiden Turnhallen steht seit Mitte Oktober auch der Sportplatz sowie die Halle an der August-Bebel-Straße nicht mehr zur  Verfügung. Dort seien besonders die Sportarten Fußball, Handball, Floorball, Inlinehockey sowie die Leichtathletik von starken Einschränkungen betroffen. Eine Leichtathletikgruppe treffe sich zurzeit im Freien zu einem alternativen Training, um als Gruppe nicht auseinander zu fallen. „Nach heutigem Stand können wir 65 Prozent aller Sportkurse anbieten. Kein Grund zum Jubeln, aber wir sind auch glücklich, den Ausfall eingrenzen zu können“, sagt Andreas Heinz, Direktor des Universitätssportzentrums. Der Staatsbetrieb Immobilien- und Baumanagement (SIB) helfe bei der Suche nach Alternativen.