„Ich bitte die Stadt uns zu helfen, der Vermieter redet nicht mehr mit uns, wir wohnen ab Januar in einem Flüchtlingswohnheim, was sollen wir machen?“, Tobias Wolf ringt im Ortsbeirat Pieschen am Dienstagabend um Fassung. Der Familienvater wohnt mit Frau und zwei Kindern seit sieben Jahren in der Großenhainer Straße 63 – er ist mittlerweile der letzte Mieter in dem ansonsten leerstehenden Gebäude. Nun will der Eigentümer alle anderen Wohnungen an die Stadt Dresden vermieten.
Die wiederum plant, ab dem neuen Jahr in dem Gebäudekomplex Großenhainer Straße 61/63 Flüchtlinge unterzubringen, für vorerst zehn Jahre . Zu einem Heim wird das Haus allerdings nicht. Es gibt keine Gemeinschaftsräume oder eine zentrale Küche, wie der städtische Asylverantwortliche Sven Mania erklärt. „Es sind ganz normale Wohnungen, die wir anmieten. Dort soll selbstbestimmtes Wohnen ermöglicht werden.“ Dezentrale Unterbringung heißt das im Fachjargon. Die Verwaltung sieht an der Großenhainer Straße aber keine gemischte Nutzung der anzumietenden Wohnungen durch Einheimische und Flüchtlinge vor.
Die Wohnungen sind ausschließlich für Asylbewerber gedacht, wie Mania betont. Familie Wolf kommt damit eine ungewöhnliche Außenseiterrolle zu. Für Tobias Wolf ist das zu viel, er bricht vor dem Ratssaal schluchzend auf einem Stuhl zusammen. Als letzter Strohhalm bleibt ihm ein Gespräch mit Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke), das noch vor der Stadtratsentscheidung am Donnerstag stattfinden soll.
Bevor die Ortsbeiräte ihre Empfehlung an den Stadtrat zur Wohnungsanmietung an der Großenhainer Straße geben, äußern einige ihren Unmut über die hohe Kaltmiete von zehn Euro pro Quadratmeter, die der Wohnungseigentümer verlangt. Angelika Liu (CDU)befürchtet, dass hier andere Vermieter nachziehen könnten. Clemens Müller (Piraten) sieht die Schuld am hohen Mietpreis nicht bei der Stadt, sondern bei den „ganz widerlichen Eigentümern“. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), der wegen der Brisanz der Themen persönlich nach Pieschen gekommen ist, erklärt dazu: „Wir sind in einer Marktwirtschaft und Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Wir versuchen, so günstig wie möglich Objekte zu bekommen.“ Am meisten tränten ihm die Augen, wenn er Containerstandorte schaffen müsse. Denn solche Zwischenlösungen seien zusätzlich zu den Betriebskosten mit hohen Investitionskosten verbunden.
Container für 560 Flüchtlinge an der Washingtonstraße
Trotzdem werden auch im Ortsamt Pieschen nächstes Jahr solche Container aufgestellt. Und zwar in Übigau, dort wo Anwohner sich noch vor einigen Wochen hartnäckig gegen die Nutzung der Turnhalle an der Thäterstraße als Notunterkunft gesperrt hatten, sogar über Tage die Zugänge blockierten. Nun soll auf dem Hundesportplatz an der Washingtonstraße 36 nahe der Flutrinne für 18,5 Millionen Euro ein Containerstandort für 560 Flüchtlinge errichtet werden. Eine Interimsvariante, die voraussichtlich nach fünf Jahren wieder abgebaut werden soll. „Bezugsfertig soll die Anlage im Juli nächsten Jahres sein“, sagt Sven Mania. Im Februar wird mit den Arbeiten begonnen. Bis zum 31. Januar darf dort noch der hiesige Hundesportverein auf dem Gelände bleiben. Vereinschef Falk Kopp erwartet bis dahin ein vernünftiges Angebot von der Stadt für eine Ersatzfläche. Die Ortsbeiräte unterstützten mehrheitlich den Asylstandort an der Washingtonstraße, u.a. mit folgenden Ergänzungen: der Hundesportverein sei angemessen zu entschädigen und die Turnhalle an der Thäterstraße zeitgleich mit dem Bezug an der Washingtonstraße für den Sport wieder freizugeben.
„Es ist im Moment etwas weniger geworden, aber immer noch strömen die Flüchtlinge über die Balkanroute nach Deutschland“, sagt Dirk Hilbert in der Ortsbeiratssitzung. Nach aktueller Lage werde Dresden insgesamt zwischen 5300 und 6500 Flüchtlinge aufnehmen müssen, so der Oberbürgermeister. Bis Januar sind allein rund 3000 unterzubringen. Mit den Beschlüssen im Stadtrat am 10. Dezember sollen deshalb insgesamt 4200 Plätze geschaffen werden. Dafür geht die Stadt in den nächsten Wochen und Monaten mit – so Hilbert – „gewaltigen finanziellen Summen“ in Vorkasse. Der OB rechnet aber fest mit der Refinanzierung durch Bund und Land.
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