Er geht früh morgens gern zu Fuß bis zur Straßenbahnhaltestelle am Käthe-Kollwitz-Platz in Klotzsche. Die Zeitung ist unter den Arm geklemmt, eine große Aktentasche hat er nicht dabei. 25 Minuten braucht die Straßenbahn auf der Linie 7 bis zum Pirnaischen Platz. Dann gehts zu Fuß bis zum Rathaus. „Seit ich als Oberbürgermeisterkandidat in den Wahlkampf gezogen bin, erkennen mich deutlich mehr Leute in der Straßenbahn“, sagte Dirk Hilbert (FDP) heute bei seiner um einen Tag vorverlegten Bilanz der ersten einhundert Tage im Amt. In den bisherigen vierzehn Jahren als Wirschaftsbürgermeister und später als 1.Bürgermeister habe er das nicht so wahrgenommen. Aber nicht jede Fahrt mit der Straßenbahn arte in eine Bürgersprechstunde aus, meinte er. Es bleibe auch Zeit zum Zeitungslesen.
Das Thema Kommunizieren nimmt der 44-jährige sehr ernst. Er habe seit Amtsantritt bereits die Hälfte der rund 30 Ämter und Eigenbetriebe der Stadt besucht und mit den Mitarbeitern geredet. „Dabei habe ich eine extrem große Aufgeschlossenheit erlebt und viel Interessantes erfahren“, meint er und führt als Beispiel die Schulhausmeister an. Der Abbau der Stellen wurde gestoppt. „Die Gespräche mit den Hausmeistern haben mich davon überzeugt, wie wichtig ihre Arbeit ist“, sagt er. Da sei vieles dabei, was man nicht an externe Dienstleister delegieren könne. Darum bleiben 180 Stellen erhalten. Auch Ortsteil-Besuche gehören zum Kommunikationsprogramm, zum Beispiel in Langebrück oder gestern in Mobschatz.
Kommunikation und Beteiligung ist für ihn auch bei dem Thema wichtig, dass derzeit etwa 70 bis 80 Prozent seiner Arbeitszeit ausmacht. Die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge und Asylbewerber. Der Stadtrat wird sich heute mit der Verwaltungsvorlage beschäftigen, mit der mehr als 4.000 weitere Plätze für die Unterbringung auf den Weg gebracht werden sollen.
Hilbert argumentiert sachlich und mit Fakten. „Es handelt sich um eine kommunale Pflichtaufgabe“, sagt er und ist überzeugt, dass sie zu schaffen ist. Ideologie kommt da nicht vor. Eher klare Ansagen wie: „Wer ablehnt, stimmt für Turnhallen.“ Unzufrieden ist er mit dem, was der Bund leistet. „Wenn wir hier vor Ort so arbeiten würden, hätten wir ganz andere Verhältnisse“, sagt Hilbert. An den Spekulationen um die Kostenerstattung durch Bund und Land will er sich nicht beteiligen. „Ich gehe davon aus, dass wir die Aufwendungen ersetzt bekommen“ und fügt nüchtern hinzu: „2015 landen wir bei Plus Minus Null.“ Er hat die Zahlen im Kopf und wird sie heute Nachmittag im Stadtrat noch einmal darlegen.
Bereits jetzt ist sich Hilbert sicher, dass die Integration der Asylbewerber die größere Herausforderung ist. Wie bei der Projektgruppe Unterbringung hat er auch hier die Arbeit auf breite Schultern verteilt. Er kennt die handelnden Verantwortlichen außerhalb des Rathauses aus den letzten vierzehn Jahren als Bürgermeister. Das kommt ihm jetzt zugute.
Die Stadtverwaltung habe in diesem Herbst den bisher größten Umbruch seit 21 Jahren erfahren, ist sich Hilbert sicher. Die Geschäftsbereiche wurden neu sortiert, das Spitzenpersonal sei ebenfalls neu. Auch hier hat Hilbert auf Kommunikation gesetzt. Er ist mit den neu gewählten Bürgermeistern von Linken, Grünen und SPD, den beiden „alten“ aus der CDU und den Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen ein Wochenende in Klausur gegangen. Der Satz „Das war ein positiver Beitrag für ein menschliches Zusammenwirken“ klingt etwas theatralisch, zeigt aber die Art, wie Hilbert seine Amtsführung versteht. Dazu gehört auch, dass er mit der rot-grün-roten Stadtratsmehrheit einen „konstruktiven Weg der Zusammenarbeit gefunden hat“.
Beim Umgang mit den Pegida-Demonstrationen hilft sich Hilbert zuallererst mit dem Grundgesetz und nicht mit Ideologie. „Ich werde das Gesetz nicht beugen. Politisch motivierte Anweisungen an die Versammlungsbehörde wird es von mir nicht geben“, stellt er klar. In letzter Zeit ist mehrfach kritisiert worden, dass Pegida immer wieder den geschichtsträchtigen Theaterplatz nutzen darf. „Haß und Gewalt sind für mich nicht tolerierbar“, sagt Hilbert. Wenn sich der Verdacht der Volksverhetzung bestätigt, müsse man überlegen, welche Konsequenzen sich für die Genehmigung der Veranstaltungen ergeben. Wer aber meint, das Problem löse sich, indem man die Demonstranten an den Stadtrand verbannt, der irre. Erst wenn wir das Gefühl vermitteln können, dass wir die Probleme lösen, die die Leute auf die Straße treiben, werde sich die Situation entspannen.
Für das Familienleben war in den ersten 99 Tagen als Oberbürgermeister deutlich weniger Zeit. „Ich würde meinen Sohn gern mal wieder Nachmittags abholen“, sagt Hilbert und sein Blick verrät: Das ist im Moment nicht drin. Die Fahrt mit der Straßenbahn allerdings bleibt, wenn auch nicht mehr ganz so oft, wie in früheren Zeiten.
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