Ein Waffenstillstand wäre doch auch schon ein Erfolg. Das meinte Frank Richter und antwortete auf Christian Mendt, der gerade seinen Wunsch von einem Fest der Liebe zwischen Dresden Nazifrei, Pegida und Dresden für Alle geträumt hatte. Richter und Mendt haben am Mittwoch Abend die Bürgerversammlung in der Kreuzkirche moderiert und für eine sachliche Atmosphäre gesorgt. Richter hat als Direktor der Landeszentrale für politische Bildung einschlägige Erfahrungen mit ähnlichen Veranstaltungen in ganz Sachsen gesammelt. Mendt ist Pfarrer und Polizeiseelsorger. Aber wie auch bei den vergangenen als Dialog angekündigten Veranstaltungen Anfang des Jahres kam ein Dialog nicht zustande. Die Diskutanten aus den unterschiedlichen Lagern üben immer noch, den Positionen des anderen zuzuhören und sie „zu ertragen“, wie es Richter forderte.
Wie schwer das ist, zeigte sich gleich zum Auftakt der Bürgerrunde, als Veit Kühne von den International friends Dresden die Pegida-Anhänger als „neofaschistische Organisation“ bezeichnete. Er berief sich in seinem Urteil auf Erfahrungen aus Kontakten und Gesprächen. Ingolf Knajder, der im Januar mit „Privatmann“ Sigmar Gabriel im Stadtmuseum nach der Veranstaltung „Warum nicht zu Pegida gehen?“ debattiert hatte, flippte vorn in der zweiten Reihe förmlich aus. Kühne sei ein Linksfaschist und solle zu seinen Gesinnungsgenossen nach Leipzig gehen, schrie der Aufgeregte. Es brauchte einige Zeit, bis ihn Nachbarn und Superintendent Behr beruhigt hatten. Der kleine Zwischenfall – es war der einzige den ganzen Abend – machte auch gleich deutlich, wo der gewünschte Dialog auch künftig seine Grenzen haben wird. Etwa 400 bis 500 Menschen hatten den Weg in die Kreuzkirche gefunden.
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Die Behauptung des Netzwerkes „Dresden für Alle“, die Veranstaltung würde eine Plattform für Pegida und deren Parolen bieten, war schon vorher nicht begründet. Und nachher erst recht nicht. Das Netzwerk hatte sein Mitwirken an der Veranstaltung abgesagt.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hielt eines der zehn Eingangsstatements. Die Redner waren streng nach Alphabet sortiert und hielten sich an die vorgegebene Redezeit. Vor ihm sprach Sebastian Hennig, der im Oktober das Buch „Pegida: Spaziergänge über den Horizont. Eine Chronik“ veröffentlicht hatte. Er konstatierte eine Differenz zwischen der gebildeten Elite und dem Volk. Nach Hilbert redete René Jahn, Ex-Pegida-Vize. „Ein Format wie heute ist wichtig“, sagte Jahn, um die Gräben zuzuschütten und Brücken zu bauen zwischen den unversöhnlichen Seiten in der Stadt. Für Jahn wird die Entfernung zwischen Politikern und Bürgern derzeit immer größer.
„Wir stecken fest und ich schließe mich da mit ein“, sagte Hilbert, der gemeinsam mit Behr offiziell zu der Bürgerversammlung eingeladen hatte. Man müsse über Demokratie, Toleranz und Grenzen reden. Er sehe die Chance für Dresden, aus diesem Konflikt gestärkt hervorzugehen.
Schriftsteller Jörg Bernig plädierte für Mäßigung in der Auseinandersetzung. Sowohl Rechtsextremisten als auch Linksextremisten würden die Wehrlosigkeit der Gesellschaft wittern und für ihre Zwecke ausnutzen. „Wir müssen über alles reden“, sagte Bernig, über Kultur, Religion und Frauenbild. Samer Mohamad, Bau- und Immobilienunternehmer mit syrischen Wurzeln und seit dreißig Jahren in Dresden, hat „Sorgen um unser schönes Dresden“. Größe zeige sich bei der Lösung von Herausforderungen, sagte er.
In der Bürgerrunde kam eine breite Palette von Ansichten zur Geltung. Ein Norddeutscher vertrat die Position, dass die Integration der Ostdeutschen in die BRD noch nicht mal gelungen sei. Außerdem hätten die Ostdeutschen die Parallelgesellschaften im Westen gesehen und würden sich nun zur Wehr setzen. Ein anderer Redner berichtete von seiner Schwester, die mit einem israelischen Araber verheiratet sei. Deren Söhne, die vier Sprachen beherrschen, würden jetzt in Dresden „Brücken bauen zu den Flüchtlingen“. Einer der Redner stellte sich als Mischpoke und Pack vor, weil Politiker ihn so bezeichnet hätten. Er forderte, dass die Flüchtlinge Verantwortung in ihrem Land übernehmen sollten. Ein Unternehmer, der erfolgreich eine Firma in der Ukraine gegründet hat, erklärte, es gebe „einfach keine Grund, vor den Flüchtlingen Angst zu haben“.
Mehrere Redner plädierten für eine Fortsetzung der Veranstaltung. Christian Behr sagte zu, dass die Kreuzkirche, wie schon zu Wendezeiten, ein Ort der Begegnung und der Gespräche sein wird. Er drückte die Hoffnung aus, dass aus den vielen Monologen bald ein Dialog werde.
Auch Claudia Greifenhahn, Betreiberin des Ladencafés Aha in der Kreuzstraße, kam in der Kreuzkirche zu Wort. Sie hatte Anfang Dezember einen Offenen Brief an den Oberbürgermeister geschrieben und geschildert, dass sie Montag für Montag in ihrem Laden und im Restaurant Fragen gestellt bekomme, „warum es in Dresden möglich ist, ungehindert an zentralen Orten zu hetzen, aufzuwiegeln und zu polemisieren“. Sie äußerte den Wunsch, dass „Gutmensch“ in Dresden kein Schimpfwort sein soll und Demonstrationen überflüssig würden. Dresden sei eine Weihnachtsstadt. Dazu gehören Zusammenhalt und Liebe. Und sie fügte hinzu: „Das mit der Liebe müssen wir noch üben.“
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