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Vereinfachen statt Erklären schafft Platz für Populismus – auch in Dresden

Seit mehr als einem Jahr hallen am Montag Abend Reden und Sprechchöre durch Dresden. Erst auf der Cockerwiese, später auf dem Postplatz, dem Neumarkt und, besonders beliebt und umstritten, über den Theaterplatz. Verantwortlich dafür ist der Pegida-Verein aus Dresden. Er nimmt für sich in Anspruch, im Namen des Volkes zu agieren. Sprechchöre, Transparente, tausende Kommentare auf der Facebook-Seite des Vereins machen für den Beobachter deutlich, was hier als Position der Mehrheit in Dresden und Deutschland zum Ausdruck gebracht werden soll.

Verein zur Organisation von Umzügen und zum Anhören populistischer Reden

Der aufmerksame Beobachter konnte auch verfolgen, wie in den ersten Monaten des Jahres die Zahl der Facebook-Sympathisanten unter die 160.000 Marke sank, um dann auf inzwischen mehr als 182.000 wieder anzusteigen. Mit jedem Flüchtlingszug wuchs die Zahl der bei Pegida versammelten Flüchtlingsgegner.

Es blieb nicht bei den Montagsdemos. Viele der Pegida-Anhänger versammelten sich vor geplanten oder in Betrieb genommenen Asylunterkünften. Auch dort waren ihre Sprechchöre zu hören. Eine Videoaufnahme aus Heidenau mit einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Asylgegnerin zeigt am Ende nur die ordinäre Variante der Pegida-Sprechchöre. Die Gemeinsamkeit zwischen der schreienden Frau und den Sprechchören und Reden am Montag Abend ist nicht zu übersehen. Ein fremdenfeindliches Weltbild und eine antidemokratische Einstellung. Und die Anmaßung, für alle zu sprechen, obwohl man in der Minderheit ist. Obwohl das Wahlergebnis bei der Oberbürgermeister-Wahl im Sommer 2015 die Zahl der Anhänger aus Dresden mit 21.311 genau benennt. 9,6 Prozent. Nicht wenig, trotz AfD. Aber nicht DAS VOLK.

Pegida ist auch nach etlichen  Kundgebungen und „Spaziergängen“ nichts anderes geblieben als ein Verein zur Organisation von Umzügen durch Dresden, ein Verein zum gemeinsamen Anhören populistischer Reden und ein Verein zum Verkünden von Ankündigungen der Vereinsspitze. Seit Monaten wird das so zelebriert und bisher widerspruchslos von den tausenden Anhängern hingenommen.

Die Vereinfacher

Die Versuche, ein weltoffenes Bild von Dresden dauerhaft zu zeigen, sind gescheitert. Daran wird auch die Strategietagung des Netzwerkes Dresden Nazifrei Mitte Januar nichts ändern. Wer Blockaden gutheißt und sich nicht klar von linksradikalen Randalierern distanziert, hat keine Chance, eine Mehrheit der Dresdner zu mobilisieren. Hinter diesen Bannern will sich die Menge nicht versammeln. Das Angebot von einzelnen Dresdner Persönlichkeiten an die protestbereite Menge ist ebenfalls keine dauerhafte Lösung. „Place to be“ oder „Herz statt Hetze“ haben kein Programm. Sie haben nur die Idee und den Willen, etwas Gutes für Dresden zu tun. Diesen Willen haben auch viele andere, die nicht zu diesen Weltoffenheits-Kundgebungen gehen, weil sie sich dort politisch nicht aufgehoben fühlen, weil sie dort auch keine Antworten auf ihre Fragen finden. Sie engagieren sich in Initiativen und Netzwerken der Flüchtlingshilfe, mehrfach in der Woche oder im Monat. Sie sind getrieben von der Nächstenliebe, von Hilfsbereitschaft und Toleranz. Vielleicht finden sich bei „Place to be“ oder „Herz statt Hetze“ Anhänger der Idee, ein Treffen der Dresdner Netzwerke und Initiativen der Flüchtlingshilfe zu organisieren.

Der Sprechchor „Pegida, Rassistenpack. Wir haben euch zum Kotzen satt“ klingt zwar griffig, ist am Ende aber genauso pauschal und populistisch wie der Ruf „Merkel muss weg“ oder „Wir sind das Volk“. Es wird nichts erklärt. Es wird vereinfacht. Das, so beschrieb es Ralf Dahrendorf, macht den Populismus aus. „Populismus beruht auf dem bewussten Versuch der Vereinfachung von Problemen. Darin liegt sein Reiz und sein Erfolgsrezept. Das Verbrechen nimmt überhand? Wir müssen härter durchgreifen. Es kommen zu viele Asylanten ins Land? Man muss ihnen den Zugang versperren. Der globale Kapitalismus macht uns arm? Man muss seinen Protagonisten die Flügel stutzen. So einfach ist das“, schrieb der Soziologe und Politiker 2003 in seinen „Acht Anmerkungen zum Populismus“. (Ralf Dahrendorf, „Acht Anmerkungen zum Populismus“, in: Transit. Europäische Revue, Nr. 25 (2003), S. 156-163 oder hier online.)

Das Vereinfachen erschweren

Komplizierte Zusammenhänge verständlich zu erklären, sei „eine Hauptaufgabe demokratischer politischer Führer“, sagt Dahrendorf. Komplexe Themen gibt es reichlich. Die EU-Erweiterung, die EU-Gesetzgebung, TTIP,  Steuergesetze, Putins Politik, Ursachen und Folgen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan, Irak oder Syrien, Erdogan als der Gute und der Schlechte, Hochwasserschutz an der Elbe, die Baugesetzgebung und deren Auswirkungen in Dresden, Standorte für Asylunterkünfte ….

Man kann nicht erwarten, dass Lokalpolitiker den Syrienkonflikt verständlich erläutern. Erwarten kann man aber, dass sie alles, was sie selbst zu verantworten haben, öffentlich und verständlich erklären. Und dass die Politiker miteinander reden. Wenn der Oberbürgermeister seine Beigeordneten und die Fraktionschefs aus dem Stadtrat zu Klausurtagungen einlädt, zeigt er zumindest einen Weg dorthin. Ein nächster Schritt wäre die Rückkehr zur Sachpolitik zwischen der CDU als größter Stadtratsfraktion und der rot-grün-rot-orangenen Mehrheit im Stadtrat. Nicht vereinfachen, sondern komplizierte Zusammenhänge erklären, wäre ein guter Ansatz dafür.

Dahrendorf hat gewarnt: „Der Populismus-Vorwurf kann selbst populistisch sein, ein demagogischer Ersatz für Argumente“. Argumente können nur im Diskurs ausgetauscht und abgewogen werden. Davon sind die Akteure in Dresden immer noch weit entfernt. Wenn die verantwortlichen politischen Akteure in der Stadt ihre Entscheidungen und Handlungen nicht erklären, überlassen sie den Populisten das Feld – den rechten und den linken.

Der Pegida-Verein und seine Anhänger werden nicht einfach und nicht so bald verschwinden. Aber man kann ihnen die Vereinfachungen erschweren.

 

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