Kann jemand ein in jeder Hinsicht ausladend geratenes Weib sein und zugleich ein männlicher Unsympath? Das Theater macht es möglich. Erich Kästner auch. Und erst so richtig Anna-Katharina Muck. Die ist in Erich Kästners Komödie „Drei Männer im Schnee“ im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresdens in gleich zwei Rollen zu erleben – siehe oben. Das Stück hat märchenhafte Aspekte: Zum einen scheint es eine entfernte Interpretation des in Dresden geborenen Schriftstellers auf „Des Kaisers neue Kleider“, zum anderen lässt er seine Verwechslungskomödie mit großen Brimborium und kitschigem Happy End auslaufen.
Zwischenrein gibt es immer wieder eine Portion Optimismus, gern auch musikalisch unterlegt. Gassenhauer wie „Einmal schafft`s jeder“ oder „Jawohl, meine Herren“ machen Stimmung, der Song „Das gibt´s nur einmal, das kommt nie wieder“ rührt an der Melancholie und drückt dem Ganzen ein wenig politische Gänsehaut auf. Schließlich schrieb der von den Nazis verfemte Publizist sein Werk Anfang der Dreißiger Jahre unter Pseudonym und besagtes „nur einmal, nie wieder“ könnte mit Blick auf in die deutsche Geschichte und aktuelle Querelen als inständige Bitte an die Zuschauer gelten.
Die inszenierte Gänsehaut
Die inszenierte Gänsehaut und die von den Regisseuren Peter Jordan und Leonhard Koppelmann immer wieder fein drapierten Hitler-Karikaturen bringen der Komödie eine gute Würze. Der simpel gestrickte heitere Plot gerät damit nie ins Alberne und wächst zuweilen über sich hinaus. Schenkelklopfer mit Hintersinn. Umso besser, dass die Schauspielriege auf gleichem Niveau mitspielt, allen voran Mucks Weib-Mann-Adaption und Ahmad Mesgarha als Menschen Studierender. Letzterer erinnert mit seiner fast schon spielwütigen Keckheit an den einstigen Kästnerschen Pseudonym-Titel „Das lebenslängliche Kind“.
Beherzt macht er die Botengänge, die man ihm aufträgt, fegt den Schornstein, schleppt Einkäufe und führt den Portier, einen österreichischen Bückling mit Hang zum Größenwahn, mit unnachgiebiger Freundlichkeit vor. Matthias Luckey gibt den Edel-Buttler, Thomas Eisen den arbeitslosen und jungenhaft-sympathischen Intellektuellen. Dazu kommt ein originelles Bühnenbild mit weißer Showtreppe und einer Hotel-Lobby, die sich mittels Drehwänden zur Schneelandschaft verkehrt. Im Hintergrund transportieren Pappseilbahnen einige bildliche Gags. Dazu tönen live Akkordeon, Posaune und Alphorn.
Der gefundene Freund
Vielleicht noch kurz zum Stück selbst: Herr Geheimrat will die Menschen studieren und macht sich frei – frei von seinem Titel und dem schönen Schein des Geldes. Unter falschen Namen reist er als armer Schlucker ins österreichische Grandhotel Bruckbeuren und erlebt, was er erwartet hat: Der, den man für reich hält, wird hofiert, der Arme missachtet und drangsaliert. Es ist ein feiner Blick in die so genannte feine Gesellschaft. Der geheime Geheimrat verliert zwar seine Illusionen, findet aber einen Freund. Dieser Freund findet mit des Geheimrats Tochter die Liebe und des Geheimrats Bedienstete finden sich. Kleiner Wermutstropfen: Für die nächsten Veranstaltungen gibt es nur noch Restkarten. Die gute Nachricht: Das Stück ist mindestens eine Saison (vermutlich sogar noch länger) im Spielplan.
Weitere Vorstellungen am 7., 12., 15., 16. , 19., 27. Januar im Kleinen Haus des Staatsschauspiels in der Glacisstraße 28
Karten-Tel.: 0351 4913555
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