Der Konflikt um die Beförderung von Elektro-Scootern in Bussen und Straßenbahnen bleibt bestehen. Während Lars Seiffert, Vorstand der Dresdner Verkehrsbetriebe, die Mitnahme der E-Scooter als „zu gefährlich für die Fahrgäste“ einschätzt, sehen das die Betroffenen anders. Jörg Vetter zum Beispiel, der seit fünf Jahren mit einem solchen Gefährt unterwegs ist und nun plötzlich nicht mehr mit der Straßenbahn mitgenommen wird.
Beim Pressetermin im Hof der Verkehrsbetriebe demonstriert er, wie es bisher war. Mit seinem E-Scooter fährt er die Rampe hinauf und bleibt quer auf der Stellfläche im Wagen stehen. Längs zur Fahrtrichtung kann er den Scooter jetzt nicht mehr lenken, weil der Wendekreis zu groß ist. Ein Elektrorollstuhl dagegen kann auf der Stelle wenden und die Straßenbahn vorwärts verlassen. Vetter muss rückwärts wieder über die Rampe hinaus fahren. „Längs und rückwärts auf der Stellfläche“, das sind jedoch wichtige Sicherheitsanforderungen, die viele Verkehrsbetriebe deutschlandweit erheben, um die E-Scooter mitzunehmen. In Kassel, Bremen, Kiel oder Berlin gelten entsprechende Festlegungen. In Bremerhaven haben die Verkehrsbetriebe die Mitnahme der E-Scooter verboten und statt dessen einen Fahrdienst eingerichtet.
In Dresden gilt das Beförderungsverbot für E-Scooter in Straßenbahnen seit Dezember 2015, in Bussen bereits seit August 2015. „Wir grenzen nicht die Menschen aus, sondern sagen, dass das Hilfsmittel ungeeignet ist“, erläutert Seiffert die DVB-Position. „Solange wir einen sicheren Transport nicht garantieren können, machen wir einen Break“, fügt er hinzu. Im November war ein E-Scooter in der Straßenbahn umgekippt. Ein Lkw hatte den Straßenbahnfahrer zu einer Vollbremsung genötigt. Das, so Seiffert, sei nicht nur eine Gefahr für den Rollstuhlfahrer, sondern auch für andere Fahrgäste im gleichen Bereich. Durch ihren hohen Schwerpunkt seien E-Scooter in solchen Situationen besonders anfällig.
Rollstuhl-Fahrer Thomas Schmidt unterstützt Jörg Vetter in seiner Haltung. „Die Bahn muss mitnehmen, was kommt“, sagt er sehr rigoros. Er sitzt nicht in einem E-Scooter, sondern in einem Elektrorollstuhl und ist dennoch schon zwei Mal nicht mitgenommen worden. Den Grund dafür sieht Peter Münzberg, Projektbeauftrager des Landesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter Sachsen (LSKS), in mangelnder Kommunikation durch die Verkehrsbetriebe. Diese hätten sich geweigert, im Herbst 2015 ihre Entscheidung, keine E-Scooter mehr mitzunehmen, öffentlich zu kommunizieren, sagte er heute. Außerdem sei es nicht gelungen, bis zum Jahresende „die vom LSKS geforderte Unterweisung des Fahrpersonals abzuschließen“, fügte er hinzu. Münzberg ist selbst Rollstuhlfahrer. Man bemühe sich, die rund 1.000 Fahrer der Verkehrsbetriebe „regelmäßig auf dem Laufenden zu halten“, erwiderte Ullrich Funk, DVB-Betriebsleiter Verkehr.
Münzberg betont, dass sein Verband kein Interesse an einer Zuspitzung der Situation habe und sieht auch im Streit vor Gericht keine Lösung. „Die Hersteller der Rollstühle und E-Scooter müssen ran“, sagt er. Sie sollen eindeutig erklären, welche Modelle unter welchen Bedingungen im Nahverkehr genutzt werden können. Allein bei den E-Scootern gebe es inzwischen mehr als fünfzig verschiedene Modelle. Sie seien meist kostengünstiger als die elektrisch betriebenen Rollstühle. Darum sei eine gründliche Beratung durch die Krankenkassen besonders wichtig. Sein Wunsch wäre, dass sie im Ernstfall auch beim Umtausch von E-Scootern helfen.
In Dresden sind täglich rund 900 Rollstuhlfahrer aktiv unterwegs. Weitere etwa 2.500 seien auch mit Rollstuhl nur eingeschränkt im Freien beweglich, so Münzberg.
Für Sylvia Müller, Dresdens Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, ist der Wunsch der Rollstuhlfahrer nach uneingeschränkter Mitnahme in Bussen und Bahnen „total verständlich“. Aber, sagt sie, „für mich geht die Sicherheit der Betroffenen vor“. Auch sie fordert klare Aussagen der Hersteller und eine bessere Beratung der Krankenkassen.
Weitere Hilfe im Elektro-Scooter-Konflikt könnte aus Nordrhein-Westfalen kommen. Dort haben sich Nahverkehrsunternehmen, E-Scooter-Fahrer und die Behindertenverbände auf die Ausarbeitung eines weiteren Gutachtens verständigt. Das wird voraussichtlich im Juni vorliegen.
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