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Bürgerversammlung in der Kreuzkirche: Die Presse lügt doch nicht

Am Dienstag Abend diskutierten etwa 300 Dresdner auf der 5. Bürgerversammlung über die Rolle der Medien. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP)  und Superintendent Christian Behr hatten ihr das Thema „Medien – zwischen Wahrheit und Lüge?“ gegeben. Nach gut zwei Stunden war klar, dass die Frage so nicht steht. Weil keiner der Diskutanten der Dresdner Presse vorwarf, bewusst zu lügen. Den Rest muss man etwas differenzierter beschreiben.

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Kommunikationswissenschatfler Lutz Hagen (l.) und FAZ-Korrespondent Stefan Locke. Foto: W. Schenk

Lutz Hagen, Professor für Kommunikationswissenschaften an der TU Dresden, verwies darauf, dass der Jounalismus noch nie frei von Fehlern gearbeitet habe. Außerdem habe die Qualität der Journalismus in den letzten Jahrzehnten, befördert durch den Aufstieg von Fernsehen und später des Internets, an Qualität verloren. Dies werde durch die Ressourcenkrise in der  Medienlandschaft  noch weiter verschärft. Hagen befand allerdings, dass die mehrheitlich links stehenden deutschen Journalisten mehr tun könnten, um in ihren Medien die deutsche Bevölkerung besser zu repräsentieren. Diese sei nämlich mehrheitlich konservativ eingestellt.

Diese These fand sich im Laufe des Abends in verschiedenen Variationen wieder. Die Medien würden Informationen weglassen oder Halbwahrheiten verbreiten. Die Presse habe sich von der Bevölkerung entfremdet, sie würde Angst schüren. So zum Beispiel mit den sinkenden Touristenzahlen aufgrund der Pegida-Demos. Außerdem, so eine andere Kritik, würde mit den Begriffen rechts, rechtsextrem und rechtsradikal nicht differenziert umgegangen.

„Das stimmt“, meinte Stefan Locke, Sachsen-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.  Das müsse besser gemacht werden. Zeitung machen sei immer ein Kompromiss, sagte er. Auswahl der Themen, Länge der Beiträge – jeder Leser habe letztlich eine andere Meinung dazu. Locke sagte auch: „Den Vorwurf der Lügenpresse nehme ich für mich nicht an.“ Alle, die ständig Lügenpresse skandieren, sollten dann auch darauf verzichten, immer wieder mit Informationen aus den Medien zu argumentieren.

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Fragen, Vorschläge und Kritik konnten die Besucher der Bürgerversammlung auch schriftlich abgeben. Foto: W. Schenk

Das ist ein Phänomen, dass man auch gut bei den Rednern auf den Pegida-Demos – insbesondere bei Lutz Bachmann und Siegfried Däbritz – beobachten kann. So manche Rede kam schon fast wie eine Presseschau daher.

Locke antwortete auch denen, die meinten, es sei schon so, wie zu DDR-Zeiten. Der Anmelder einer regierungskritischen Demo, die Redner und diejenigen, die es genehmigten –  „wir hätten uns alle ein Zelle auf der Bautzner Straße geteilt“, stellte er klar.

Heinrich Löbbers, Mitglied der Chefredaktion der Sächsischen Zeitung, zeigte sich beeindruckt von der Sachlichkeit der Debatte. Er räumte ein, dass die insgesamt sehr homogene und eher liberal eingestellte Redaktion die Berichterstattung über bestimmte Themen versäumt habe. Man sei darum bemüht, mit externen Autoren eine Vielzahl von Standpunkten in die Zeitung zu bringen. Als Beispiel nannte Löbbers die Rubrik „Perspektiven“, das Pro und Contra von Politikwissenschaftler Werner Patzelt und Schriftsteller Michael Bittner. Geplant sei auch die Einrichtung eines Leserrats, kündigte er an. Zwei Fragen konnte er nicht beantworten.

Stefan Vogel, Vorsitzender der AfD-Stadtratsfraktion, hatte beschrieben, dass aus seiner Sicht die AfD in den Berichten über die Stadtratssitzungen so gut wie nie vorkomme. Außerdem würden von anderen Parteien die Bürgersprechstunden angekündigt, von der AfD aber nicht. Löbbers erklärte dazu, dass die Chefredaktion den Lokalredaktionen „keine Vorgaben macht“. Die Stadtredaktion entscheide selbst über die Berichterstattung.

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Murmelrunde: Superintendent Christian Behr im Gespräch mit Steven Schäller, Mitautor einer Pegida-Studie. Foto: W. Schenk

Hier offenbarte sich ein derzeit in vielen Redaktionen, nicht nur in Dresden oder Sachsen, diskutiertes Problem: „Wie gehen wir  journalistisch mit der AfD um?“ Insofern wiederholen sich viele Anwürfe zum Umgang der Presse mit Pegida beim Umgang mit der AfD. Es gibt allerdings einen gravierenden Unterschied. Die AfD,  und insbesondere die AfD-Landtagsfraktion, will mit der Presse reden und stellt ihr täglich Statements zu fast jeder aktuell diskutierten Frage zur Verfügung.

Das war und ist bei Pegida ganz anders. Drei Monate hat es nach den ersten Demos gedauert, bis im Januar 2015 Lutz Bachmann und  Kathrin Oertel erstmals auf einer Pressekonferenz vorstellten, was Pegida will und Fragen beantworteten. Das hatten sie und das Orga-Team bis dahin abgelehnt. Entsprechend schwierig gestaltete sich die Berichterstattung in dieser Zeit. Das kritisierte Ex-Orga-Team-Mitglied René Jahn. Man habe Pegida ignoriert und pauschal die Nazikeule geschwungen, sagte er. Allerdings habe er in den letzten Monaten bei vielen Medienvertretern ein Umdenken registriert. An ihrem Ruf, so Jahn, sei die Presse aber selbst Schuld. „Den Schuh muss sie sich anziehen“, so Jahn. Hier widersprach Locke noch einmal entschieden. „Pegida hat mit den Medien nicht gesprochen“, erinnerte er und fügte hinzu, dass dies auch für die Demonstranten auf den ersten Demos galt.

Oberbürgermeister Dirk Hilbert fand die Diskussion „ausgesprochen fair“. Auch er habe seine Erfahrungen mit den Medien. Aber eines sei sicher: „Sie sind nicht gleichgeschaltet“. Außerdem habe Dresden im Vergleich zu anderen Großstädten mit Zeitungen, Radios und Fernsehsendern eine sehr große Medienvielfalt zu bieten.

Hilbert kündigte für den Juni eine vorerst letzte Bürgerversammlung zum Thema „Partizipation“ an. Zugesagt habe bereits Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Wie es dann weitergeht, sie noch offen, sagte Superintendent Christian Behr. Darüber werde man in der Sommerpause beraten.

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