Thema: Meine Corona Geschichte

Corona in der Böttgerstraße – von Ursula Pietzsch

Ostern 2020 können wir alle im Kalender anstreichen: Was ist das bloß für eine verrückte Zeit!

Die Benzinpreise sind im Keller, aber keiner fährt weg. Selbst mein neues hellblaues Auto steht unbeweglich immer an der gleichen Stelle. Das Osterwetter ist unübertroffen gut, doch kein Mensch ist unterwegs.

Und das alles wegen CORONA.

Hier in der Böttgerstraße, einer Nebenstraße in Trachau, ist es nicht so belebt. Nachts haben wir eine der dunkelsten Straßen der ganzen Stadt, denn die historischen Gaslaternen spenden kaum Licht. Die Denkmalschützer wollen alles so erhalten und deshalb wird es immer so bleiben, da helfen auch keine Eingaben. Doch tagsüber ist es hier wirklich schön.  Die meisten Leute halten sich an die Vorschriften und bleiben zu Hause. Da kann ich stundenlang am Fenster hängen, es ist nichts Neues zu entdecken.

Im Haus gegenüber sind neue Leute eingezogen und ich hab sie noch nicht mal zu Gesicht bekommen. Die alte demente Frau, die vorher dort wohnte, lebt jetzt im Altersheim und nachdem die Wohnung monatelang renoviert wurde, sehe ich jetzt wieder Licht am Abend. Na, wenigstens das.

Der Dorfpolizist, den ich für mich immer so nenne, weil er überall herumschnüffelt, wohnt eine Etage höher. Der ist so neugierig, dass ich sogar für meine Fenster zur Straßenseite Gardinen anschaffen musste. Heute ist er einfach nicht zu sehen. Dabei ist er sonst immer zur Stelle, wenn in unserer Straße etwas passiert. Garantiert hockt er hinter der Gardine und passt auf, dass sich jeder an die 2 Meter Abstands-Vorschriften hält.

Nicht mal im Nachbarhaus regt sich was, wo doch sonst die Frauen ein- und ausgehen, um für die Zeugen Jehovas zu werben. Wenige wissen, dass diese Frauen nie mit langen Hosen gehen dürfen, nur im Rock und immer zu zweit. Daran sind sie für mich ganz einfach zu erkennen. Bei mir waren sie auch schon mal und es war sehr schwierig, sie abzuwimmeln.

Jetzt ruft mein Mann: „Hier hängt schon wieder ein Zettel an der Tür“. Schnell muss ich mich sputen und das Fenster schließen. Die 10- jährige Thea, die bei uns im Haus wohnt, hat mir wieder einen Brief an die Wohnungstür gesteckt und ich will ihr antworten. Seit Beginn der Ausgangssperre schreiben wir uns täglich einen kleinen Brief. Ganz einfach, weil es dem Mädchen zu langweilig war, immer ohne Freundin zu Hause zu hocken. Das ist eine gute Idee und nun muss ich mir jeden Tag etwas Neues einfallen lassen.

Also, bei uns ist trotzdem immer was los und ich hoffe, dass wir gut durch die Corona-Krise kommen.

AUFRUF: IHRE CORONA-GESCHICHTEN

Angaben über die Zahl der am Covid-19-Virus erkrankten und verstorbenen Einwohnerinnen und Einwohner in Stadtbezirk Pieschen werden nicht erhoben. Die Statistik liefert nur stadtweite Daten.

Wir möchten statt dessen gern Ihre Geschichten und Erlebnisse aus dem vergangenen Jahr und den kommenden Monaten hier veröffentlichen. Was hat Sie beschäftigt, woran sind Sie verzweifelt, was hat Ihnen Mut gemacht, was hätten Sie anders gemacht? Homeoffice, E-Learning, Corona-Einmalhilfen, Mundschutz, Notbetreuung, Systemrelevanz, Intensivstation, Isolation, Quarantäne und viele Stichworte haben das Leben anders werden lassen.

Schreiben Sie Ihre kurze oder längere Geschichte auf und schicken sie diese an redaktion[at]pieschen-aktuell.de. Teilen Sie uns eine Mail-Adresse oder Telefonnummer mit, falls es Rückfragen gibt. Gern können Sie auch ein Foto mitschicken – samt Autorenangabe.