Thema: Asyl in Dresden

Christuskirche Klotzsche

Asylbewerberheim in Klotzsche – Bürgergespräch in der Christuskirche

Was machen 60 junge ledige tunesische Männer den ganzen Tag? Oder: Woher kommt eigentlich die Mär von den 60 jungen ledigen tunesischen Männern? Die Fragen fanden nicht alle der etwa 350 Einwohner von Klotzsche lustig, die heute Abend der Einladung zum Bürgergespräch gefolgt waren. Aber ihnen wurde mit der gleichen Toleranz begegnet wie der Frage, warum die Asylbewerber hier arbeiten sollen, wo doch nicht einmal alle Dresdner Arbeit haben. Oder der Frage, warum es eine Dresdner Tafel geben muss, wenn doch angeblich keiner hungert, wie es Oberbürgermeisterin Helma Orosz in ihrer Rede im Stadtrat am Donnerstag gesagt hat. Moderator Justus Ulbricht von der Landeszentrale für politische Bildung hatte die Regeln gleich am Anfang klargestellt: Zuhören, ausreden lassen, keine Plakate, keine Losungen. Am Beifall und dem Gemurmel konnte man das Meinungsbild in der Kirche etwas festmachen – etwa Unentschieden (gefühlt und gehört vom Autor) zwischen Gegnern und Befürwortern des Asylbewerberheims in der Karl-Marx-Straße. Immerhin 600 Unterstützter hat die Online-Petition „Bürgerbegehren gegen den Bau eines Asylbewerberheims in Klotzsche“ seit dem 4. November gefunden, davon die Hälfte aus dem Ortsamtsbereich Klotzsche. Um die Diskussion zu versachlichen, hat der Runde Tisch Asyl Dresden Nord, eine breit angelegte Initiative von Parteien, Institutionen, Kirchen und Kultureinrichtungen, eingeladen. Anja Apel, eine der Initiatorinnen, zeigte sich erleichtet über den sachlichen Verlauf und meinte: „Man wird nicht alle überzeugen können. Am Ende muss es auch die Praxis zeigen.“

Christuskirche Klotzsche

Gute zwei Stunden dauerte das erste Bürgergespräch. Foto: W. Schenk

„Das hat gar nichts gebracht“, sagte einer der Fragesteller, der namentlich nicht zitiert werden will. Die Entscheidung habe längst festgestanden, als die Bürger informiert wurden, meinte er. „Jetzt sollen wir nur Ruhe geben.“ Er werde weiter am Montag protestieren, wie schon an den vergangenen fünf Montagen. Mit dieser Haltung spiegelt er ein Meinungsbild wider, das in Fragen und Statements am Abend häufig geäußert wurde, wie zum Beispiel: „Wenn das Asylrecht konsequent angewandt würde, bräuchten wir keine neuen Heime“, „Wer bezahlt, wenn die Asylbewerber im Sportklub mitmachen dürfen?“, „Warum wird nicht im Gewerbegebiet am Flughafen gebaut?“ Die Antworten der Podiumsredner waren in der Regel länger. So verwies Michael Ton, Mitglied im Ausländerbeirat, darauf, dass der starke Anstieg der Flüchtlinge in den vergangenen zwei Jahren auch damit zusammenhängt, dass Italien auf internationalen Druck hin die Bootsflüchtlinge nicht mehr abweist, sondern nun annimmt, aber weiterreisen lässt. Stefan Szuggat, Chef des Stadtplanungsamtes, verwies darauf, dass im Gewerbegebiet trotz der Neuregelungen seit November Wohnbebauung immer noch sehr schwierig sei. Außerdem könnten die Unterkünfte, wenn die Standorte gut integriert sind, später viel besser nachgenutzt werden, zum Beispiel für Senioren oder als Studentenwohnheime. Die Frage mit dem Sportverein blieb unbeantwortet. Aber oft geht hier die Initiative von den Vereinen selbst aus, die zum Beispiel Kinder von Asylbewerbern zum Training einladen.

Auch dazu wollten die Klotzscher eine Auskunft. Wie kann ich helfen? An wen kann ich mich da wenden? Nach den einführenden Statements zu den Eckpunkten des Asylverfahrens und dem Unterbringungskonzept in Dresden wandte sich Karolin Hellbach, Schülerin der 11. Klasse am Gymnasium Klotzsche an die Besucher in der Kirche. Sie hatten im Gemeinschaftskundeunterricht über die Fragen diskutiert und sie wollte die Sicht der ganz jungen Generation vortragen. Sie gehöre zu der Generation, die künftig mit dem Thema Migration viel intensiver zu tun haben werde. Die Schülerinnen und Schüler werden darum den Kontakt zu den Bewohnern des Heims in Klotzsche intensiv suchen.

Und die 60 jungen ledigen tunesischen Männer? Auch darauf war die Antwort vielfältig. Auch wenn Sachsen derzeit für die Aufnahme tunesischer Flüchtlinge zuständig sei, lasse sich heute noch gar nicht sagen, wer Ende 2016 als Flüchtling nach Dresden komme, erklärte Sylvia Bachmann vom Dresdner Sozialamt. Und sie sagte auch, dass 60 deutsche oder russische Männer auch nicht völlig konfliktfrei miteinander wohnen würden. Thomas Lurche, Leiter des Polizeireviers Nord, stellte klar, dass im Umfeld der drei Asylheime in seinem Revier kein Anstieg der Kriminalität zu verzeichnen sei. Pfarrer Olaf Börnert wird seine Kirche auch weiterhin für den Dialog zur Verfügung stellen, wenn danach gefragt wird. Manche Besucher werden sich aber kommenden Montag wieder an der Karl-Marx-Straße gegenüber stehen. Aber vielleicht kommt man ja auch da ins Gespräch. Ein Anfang ist gemacht.