Nach drei Wochen Blockade ist auch die vierte Turnhalle als Notunterkunft für Flüchtlinge in Betrieb genommen worden. Mit einem Polizeieinsatz sorgten Beamte heute morgen ab 9 Uhr an der Thäterstraße in Übigau für einen freien Zugang zur Turnhalle. Weil das Zelt der Initiative „Wir sind Übigau“ den Hauptzugang versperrt, nutzten die Beamten einen Seiteneingang an der Carrierastraße. Sechs Anwohner, die dort den Weg nach Aufforderung der Polizei nicht freimachten, wurden weggetragen.
Vier Turnhalle als Notunterkünfte:
- Turnhalle Ginsterstraße 3: 59 Plätze
- Turnhalle Thäterstraße: 59 Plätze
- Turnhalle Terrassenufer: 40 Plätze
- Turnhalle Schleiermacherstraße: 70 Plätze
Danach richteten Handwerker und freiwillige Helfer die Turnhalle her. Ab 10.30 kamen etwa 40 Flüchtlinge. Ein Teil von ihnen weigerte sich zunächst, in die Unterkunft einzuziehen. Dies, so ein Sprecher der Stadt, lag daran, dass die Halle noch nicht fertig eingerichtet war. Bis Mittag hatte sich die Situation nach Auskunft der Polizei beruhigt. Einsatzfahrzeuge waren noch am Nachmittag vor der Turnhalle und auf den Nebenstraßen präsent. Erste kleine Gruppen der Neuankömmlinge erkundeten bereits mit einheimischen Helfern den Ort und den Weg ins Zentrum. Insgesamt hatte die Polizei 170 Beamte im Einsatz.
Kurzzeitige Hoffnung auf Alternative
Tino Jasef von der Initiative „Wir sind Übigau“ hätte sich eine andere Entwicklung gewünscht. „Eigentlich waren wir zuversichtlich, dass sich noch eine alternative Lösung findet“, erklärt Jasef. Bei heftigem Regen, so der gelernte Dachdecker, sei es in der Halle vor Lärm nicht auszuhalten. Das Blechdach sei nicht isoliert. Das sei nur ein Beispiel, warum sich die Turnhalle nicht als Unterkunft eigne. Die Mitstreiter von „Wir sind Übigau“ und Akteure von „Übigau sagt Wilkommen“ und „Pieschen für Alle“ hatten sich am vergangenen Wochenende in ihren Positionen angenähert und benachbarte Räume des Dresdner DRK als alternative Unterbringung ins Gespräch gebracht.
„Die Lage in Übigau ist eine besondere, aus mehreren Gründen. Die Turnhalle Thäterstraße ist in besonders schlechtem Zustand. Es gibt eine viel bessere Alternative in unmittelbarer Nähe. Deshalb fordern die Teilnehmer des Gesprächs vom Sonnabend, daß an einem Runden Tisch gemeinsam mit den Bürgern diese Alternative ernsthaft geprüft wird“, hatte Anja Osiander, Sprecherin von „Pieschen für Alle“ am Wochenanfang mitgeteilt. In den Gesprächen am Wochenende sei es gelungen, „Mißtrauen und Vorbehalte zwischen Menschen, die sich in scheinbar gegensätzlichen Initiativen engagieren, ein erstaunliches Stück weit aufzulösen. Dabei zeigt sich: Das Unwohlsein über die Unterbringung ist weit verbreitet, auch unter Menschen, die sich mit hohem persönlichen Einsatz für die Flüchtlinge und für eine erfolgreiche Integration engagieren“, so Osiander.
Die Hoffnung auf eine Alternative hielt nur kurz. „Unsere Räume sind bereits vor längerer Zeit von der Stadt geprüft worden“, sagte DRK-Sprecherin Ulrike Peter auf Anfrage. Sie seien für die Unterbringung von Flüchtlingen nicht geeignet, so das Urteil der Prüfer. Nach drei Wochen Abwarten nahm die Stadt heute morgen die letzte der vier Turnhallen in Betrieb.
„Von uns wird hier keine Eskalation ausgehen“
Unterdessen wartet Jasef noch auf eine Antwort der Einsatzleitung vor Ort. Es werden geprüft, ob das Zelt von „Wir sind Übigau“ den zweiten Rettungsweg versperrt, sagte er. Seit Dienstag sei klar gewesen, dass die Stadt die Halle nutzen werde, meinte Jasef. Er hält es für richtig, weiter mit der Initiative „Übigau sagt Willkommen“ im Gespräch zu bleiben und will auf jeden Fall eines ganz klar stellen: „Von uns wird hier keine Eskalation ausgehen“.
Kurz nachdem er am 30. September über die Entscheidung zu den vier Notunterkünften informiert hatte, war Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) selbst in Übigau, um sich dort über die Lage in der Thäterstraße zu informieren. Er stieß dort auf Pegida-Rednerin Tatjana Festerling, die mit ihren Beiträgen für eine aufgeheizte Stimmung sorgte und einen Dialog mit den Anwohnern unmöglich machte. Festerlings Auftritt, so war aus den Reihen von „Wir sind Übigau“ heute zu hören, habe mehr geschadet als genützt.
Heute Abend wollen Mitglieder von „Übigau sagt Willkommen“ die Flüchtlinge in der Turnhalle besuchen. „Unser wichtigstes Anliegen ist, dass alles friedlich bleibt“, sagt eine Sprecherin der Initiative. Dazu gehöre auch, das verbale Gewalt vermieden werde. Viele Anwohner hätten sich bereits gemeldet und wollten helfen. Das würde jetzt organisiert. Als erstes wolle man den Neuankömmlingen Ansprechpartner anbieten.