Während jeden Montag Tausende Menschen mit Pegida auf die Straße gehen – mal 5.000, mal 10.000 – sind mindestens genauso viele, oft mehrmals die Woche, unterwegs, um Flüchtlingen in den verschiedensten Lebenslagen zu helfen. Nicht so spektakulär und nicht so präsent in der öffentlichen oder medialen Wahrnehmung. In allen Dresdner Stadtteilen gibt es Bürgerinitiativen oder Netzwerke, die Unterstützung organisieren und koordinieren. Viele der Initiativen zählen inzwischen mehr als hundert Freiwillige.
„Go In“ wächst schnell
„Gorbitz International“ ist seit der Adventszeit 2014 aktiv. Das Projekt „Go In“ steht nicht nur für „Gorbitz International“, sondern ist auch als Aufforderung zu verstehen: „Go In“, „Komm herein“. Engagierte Gorbitzer hatten damals somalische Flüchtlinge zu sich nach Hause zum Adventskaffee eingeladen. „Die Anregung zu einem regelmäßigen Treff kam von den Flüchtlingen“, erzählt Ute, eine der ehrenamtlichen Helferinnen. Schnell sei das Interesse auf beiden Seiten gewachsen, der Platz wurde knapp. Neue Räume fand die Gruppe in der Kontaktstelle „Mittelpunkt“ an der Gorbitzer Höhenpromenade.
Seit Anfang November hat sich das „Go In“ erneut vergrößert. Jeden Dienstag treffen sich Flüchtlinge und Dresdner nun in den Gemeinderäumen der Philippus-Kirchgemeinde am Leutwitzer Ring 75. Beim gemeinsamen Abendessen gibt es typisch deutsche Küche oder Kulinarisches aus der Heimat der Flüchtlinge. Auch ein Mitbring-Buffet hat das Organisationsteam ausprobiert. Das fand großen Anklang. Eine Wiederholung ist geplant.
Seit Mai dieses Jahres gestalten zu jedem ersten Treff im Monat Studenten der katholischen Studentengemeinde (KSG) das Abendessen. „Wir wollten aktiv werden“, erzählt Johanna aus dem Team Asyl der KSG. Schnell stellten sie fest, dass man in bereits bestehenden Projekten mitmachen kann. So kam es zum Kontakt mit „Go In“. Einige aus der Gruppe bringen selbst Auslandserfahrungen mit. „Sie wissen, wie es ist, fremd in einem anderen Land zu sein“, sagt Johanna.
Ausflüge und Picknick
Neben den Treffen im „Go In“ organisierte das Team auch kleine Ausflüge mit den Flüchtlingen, zu einem Picknick nach Pillnitz oder zur Zschonergrundmühle. Finanzielle Unterstützung erhalten die Initiatoren von der Philippus-Kirchgemeinde Gorbitz über ein Willkommensprojekt der evangelischen Landeskirche sowie aus dem Lokalen Handlungsprogramm der Stadt Dresden. Erste Freundschaften sind entstanden, die Sprachbarrieren wurden beiseite geschoben.
Längst kommen nicht mehr nur die Syrer, Eritreer oder Afghanen, die in Gorbitz zu Hause sind. Die freundliche und angenehme Atmosphäre hat sich herum gesprochen. Flüchtlinge aus Prohlis oder Bewohner von Übergangsheimen finden ebenso den Weg ins „Go In“, wie Einheimische aus anderen Stadtteilen.
Im Organisationsteam engagiert sich auch Gerlinde. Die 74-jährige Gorbitzerin interessiert sich für andere Kulturen und fand nun in der Betreuung der Flüchtlinge eine dankbare und interessante Aufgabe. Seit die vier Jahre jüngere Ingrid hilft. Die jungen Menschen aus Somalia und Eritrea an die Hand zu nehmen, ihnen bei den ersten Schritten in unserer Gesellschaft behilflich zu sein, sei für sie selbstverständlich.
Malstunden mit Roland Schwenke
Der Gorbitzer Maler Roland Schwenke ist ebenfalls regemäßig im „Go In“ zu Gast. Er hat sich bereits mit mehreren Flüchtlingen, einer Georgierin, einer Frau aus Somalia und zuletzt mit dem Syrer Luei, zu gemeinsamen Malstunden getroffen. Während er seine Projekte bis Frühsommer in den Räumen des ehemaligen Quartiersmanagements durchführen konnte, hat er nun beim Sächsischen Umschulungs- und Fortbildungswerk (SUFW) am Altgorbitzer Ring ein neues Quartier gefunden. Schwenke ist begeistert von den Arbeiten „seiner“ Flüchtlinge und kann sich auch das eine oder andere von ihnen abschauen. Aber auch die Kommunikation kommt nicht zu kurz. „Wir malen ja immer drei Stunden gemeinsam, jeder an einer eigenen Arbeit. Da kommt man auch miteinander ins Gespräch und es fallen einem nach und nach Fragen ein, die man gern stellen möchte“, beschreibt er die Maltreffs. Falls es mit der Verständigung mal etwas schwieriger wird, würde schon mal ein Dolmetscher des SUFW helfen. „Es ist schön, die wöchentlichen Sprachfortschritte der Flüchtlinge so hautnah mitzuerleben“, sagt der Maler. Gern möchte er die entstandenen und durchaus sehenswerten Werke aller drei Flüchtlinge in einem größeren Rahmen ausstellen. Dafür ist er zurzeit auf der Suche nach Räumlichkeiten. Wer entsprechende Ausstellungsflächen anbieten möchte, kann sich gern an info@gorbitz-international.de wenden.
Fortsetzung im Januar
Für Thomas Böttrich, Pfarrer der Philippus-Kirchgemeinde ist es ganz selbstverständlich Menschen zu helfen, die in Not sind. „Bereits im Sommer 2014 habe ich die Initiative ergriffen und wollte auf einem Informationsabend mit den Gorbitzern über die Flüchtlingssituation sprechen. Leider habe ich dabei wenig Unterstützung von Seiten der Stadtverwaltung erfahren“, erinnert er sich. Ende 2014 rief er dann mit der evangelischen Landeskirche das Projekt „Go In“ ins Leben, das damals von Clemens Hirschwald geleitet wurde. Hirschwald ist heute Ehrenamtskoordinator der Stadt. Anfängliche Bedenken, Muslime könnten ein Problem damit haben, sich in einer Kirche zu treffen, erwiesen sich als unbegründet.
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>> Ehrenamtskoordinator Dresden
Pfarrer Böttrich freut sich über das Engagement der Dresdner. Er lädt aber auch immer wieder Menschen mit Vorurteilen oder Vorbehalten dazu ein, ins „Go In“ zu kommen um Flüchtlinge kennen zu lernen.
Mit einer Weihnachtsfeier, auf der die Flüchtlinge einiges über sächsische Weihnachtsbräuche erfuhren, klang das Jahr 2015 im „Go In“ aus. Englisch und Arabisch halfen bei der Kommunikation. Der 38-jährige Hossam ist zwar erst vier Monate hier, spricht aber schon sehr gut deutsch. Der Informatiker aus Syrien hilft regelmäßig im „Go In“ als Dolmetscher aus.
Im nächsten Jahr geht es weiter. Das nächste Treffen in der Philippus-Kirchgemeinde ist am 5. Januar ab 18.30 Uhr. „Go In“ ist eine Einladung, zu kommen.