Gideão, Onur und Ahmed müssen fünf Sätze über die Zukunft schreiben. „Im Sommer möchte ich an den Strand gehen“, fällt Onur dazu ein. Eigentlich möchte er aber wissen, was nach dem Sommer wird. Der Sprachkurs, den er in einer der beiden DAZ-Klassen am Beruflichen Schulzentrum für Gesundheit und Sozialwesen in Pieschen besucht, läuft aus.
Ein Integrationskurs könnte sich anschließen. Wie das funktioniert, wissen die Schüler nicht. Darum hat Schulleiterin Manuela Rühle die Arbeitsagentur eingeladen. „Die Experten haben die Kurse vorgestellt und das Prozedere erläutert“, erklärt Rühle, wie sich die Schule um eine Anschlussqualifizierung für die 39 Schülerinnen und Schüler bemüht. Nur für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gehe die Ausbildung in der Schule weiter.
Zum Beispiel für Loani aus Syrien. Der 17-Jährige ist erst seit drei Wochen in der DAZ-Klasse und spricht schon recht gut deutsch. „Ich habe mit Hilfe von Youtube-Videos gelernt“, erklärt er. Er würde gern auf ein Gymnasium gehen und später studieren. „Ich möchte Arzt werden“, sagt er fest entschlossen. Welche Disziplin weiß er noch nicht, aber dass er dafür Latein benötigt, schon. Darum lernt er jetzt auch noch eine weitere Sprache. Sein Zwillingsbruder geht in eine andere Schule. Beide wohnen in einem Heim in Niedersedlitz gemeinsam mit einheimischen Jugendlichen. „Darum können wir auch außerhalb der Schule viel Deutsch sprechen“, nennt er einen großen Vorteil der gemeinsamen Unterbringung.
Ähnliche Erfahrungen bestätigen auch die Mitschüler. Sie haben Kontakt zu Flüchtlings-Initiativen oder Nachbarn, haben Gleichaltrige bei einer Party kennen gelernt oder in der Familie bereits Kontakte zu Dresdnern. Andere spielen in einem Sportverein. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), der heute den Unterricht in der Klasse besuchte, wollte das wissen. Passend zum Unterrichtsstoff interessierte er sich auch für die Pläne der Schüler. „Wir wollen Praktika in Unternehmen machen“ – das war der wichtigste Wunsch, den er mitnahm. Obwohl die Stadtverwaltung gemeinsam mit Partnern hier schon viel organisiert hat, reichen die Angebote noch lange nicht aus.
Wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Praktikum bleiben dabei die Deutschkenntnisse. Die Vorbildung, mit der die Kursteilnehmer von der Bildungsagentur an die Schulen verwiesen werden, „sind sehr unterschiedlich“, sagt die Schulleiterin. Für die Lehrer sei dies eine riesengroße Herausforderung, wenn plötzlich zwei oder drei Neulinge in eine seit Monaten gemeinsam lernende Klasse kommen und kaum Deutsch könnten, beschreibt sie den Alltag, der jetzt zusätzlich zu bewältigen ist. An der Schule lernen rund 1.600 Schüler in 70 Klassen für zehn verschiedene Berufe. Eine Fachoberschule und ein berufliches Gymnasium gehörte ebenfalls dazu. DAZ-Klassen sind eine neue Erfahrung. „Wir planen auch im kommenden Schuljahr mit zwei Klassen“, sagt Rühle.
An die Tafel hat Lehrerin Kathleen Dilg derweil in sehr leserlichen Buchstaben verschiedene Ausdrücke geschrieben, mit denen man die Zukunft ausdrücken kann. Sie hat die Begriffe von den Schülern abgefragt und dabei jeden beim Namen genannt. Und sie hat für den Unterricht klare Regeln durchgesetzt. „Handys sind bei mir Tabu“, betont sie.
Die drei jungen Leute an dem Ecktisch im Klassenraum haben ihre fünf Sätze über die Zukunft aufgeschrieben. Mit dabei auch die eigenen Wünsche. Onur aus der Türkei möchte studieren, Gideão kommt aus Brasilien und liebäugelt mit einer Ausbildung zum Erzieher. Ahmed kommt aus Libyen. Er habe zu Hause bereits Tischler gelernt und würde jetzt gern Zahntechniker werden. „Ich bin hier, weil ich wissen möchte, was sie lernen wollen“, hatte Hilbert gesagt. „Ich werde mich aktiv bemühen, damit es für sie weitergeht“, fügte er hinzu. Das ist auch eine Zukunftsform. Eine mit einem Versprechen.