Kantine im Postamt

Wie es die Kantine am Postamt auf eine Briefmarke schaffte

Fünf Rentnerinnen decken liebevoll die Tische ein – Servietten, Kerzen, Adventsgestecke. Gleich beginnt die Weihnachtsfeier für die Postsenioren. 95 von über 280 ehemaligen Beschäftigten im Hauptpostamt 28 haben sich angesagt, sagt Organisator Wolfgang Siegmund. Vorn werden noch Stühle hingestellt für das Akkordeonorchester. Später gibt es Kaffee, Stollen und Sekt. Was im kommenden Jahr wird, ist ungewiss. Am 18. Dezember schließt die Kantine im Postamt in der Königsbrücker Straße. Bis zum Jahresende muss Betreiber Erhard Kleint das Objekt besenrein übergeben.

Ehrhard Kleint

Kantinenchef Ehrhard Kleint. Fotos: W. Schenk

„Seit 1998 bin ich hier. Täglich 300 bis 350 Essensportionen haben wir Mittags ausgeteilt. Da waren viele Stammkunden dabei“, erzählt Kleint, der sich für das Foto nach dem Gespräch noch schnell seine weiße Berufstracht angezogen hat. Er hätte sich das anders gewünscht, so drei Jahre vor der Rente. „Jetzt gehe ich erst einmal nach Ottendorf-Okrilla und werde dort in meiner Zweigstelle, einer kleinen Kantine, weitermachen“, meint er. Mit dem Eigentümer der Kantine, der im März 2013 gewechselt hatte, gab es kein harmonisches Miteinander. Schnell sei klar gewesen, dass die geforderte Miete für ihn nicht zu zahlen ist. Dann habe der Vermieter auch Veranstaltungen außerhalb der Mittagszeit untersagt – das hätte nicht im Mietvertrag gestanden. Der Umsatz wäre aber nötig gewesen, um gut über die Runden zu kommen, sagt Kleint.

Wer an der Kasse warten muss, kann sich die Zeit mit dem Betrachten schicklicher Männerakte vertreiben. Davon hängen mehr als zehn an der Wand. Auch Uwe Schulze und sein Kollege haben sich schon über die Bilder amüsiert. Seit fünf Jahren verbringen sie hier regelmäßig ihre Mittagspausen. „Wir werden das einfache Flair und die angemessenen Preise vermissen. Jeden Tag vier Gerichte zur Auswahl, ein Salatbuffet und Nachtisch – wo hat man das schon“, schwärmen die beiden. 20 Minuten Mittagspause und dabei in Ruhe gegessen – das kriegt keine Gaststätte hin, meint Schulze. Und das Personal war immer nett. Mein Lieblingsessen? Für Uwe Schulze war das Jägerschnitzel mit Kartoffeln, Möhren und Sauce.

Die Kantine befand sich schon früher in der zweiten Etage in dem zweistöckigen Würfel an der ehemaligen Hauptpost. Darunter war die Schalterhalle. Im Gegensatz zur Hauptpost, ein Sechsgeschosser entlang der Königsbrücker, steht der Kubus samt Eingangsbereich unter Denkmalschutz. Das 1964 fertiggestellte Hauptpostamt „brachte seinerzeit den internationalen Stil der Moderne nach Dresden“, heißt es in dem Exposé zu den 2011 erstellten Planungsunterlagen. Das Gebäude war in „seiner ursprünglichen Ausführung von hoher künstlerischer und gestalterischer Qualität, die der Architekturmoderne Westeuropas in nichts nachstand“ wird diese Aussage erläutert. Und das war wohl auch der Grund, warum der Kubus 1982 mit einer Briefmarke geehrt wurde. Eine 50-Pfennig-Marke, entworfen von Ralf-Jürgen Lehmann, und über zwei Millionen Mal gedruckt.

Briefmarke mit Hauptpostamt

Die 50-Pfennig-Briefmarke mit dem Hauptpostamt Dresden 6.

Zum Post-Areal, das der Eigentümer Königsreal Invest GmbH jetzt entwickeln will, gehören auf einer Fläche von 3,8 Hektar das Bürogebäude an der Königsbrücker Straße, das überwiegend leer steht, der Kantinenanbau, ein Wohnhaus, Fahrzeughallen und der große Innenhof.

2011 lag dem Stadtrats-Ausschuss für Stadtentwicklung und Bau ein Aufstellungsbeschluss – der erste Schritt im Planungsverfahren – für die Bebauung des Postquartiers vor. Die Pläne des damaligen Investors umfassten etwa 11.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, Büros, Praxen, Schnellrestaurant und ein Textilmarkt im Kubus. Die Beschlussvorlage empfahl einen Wettbewerb für die Entwicklung des Standortes. Der Ausschuss vertagte die Entscheidung jedoch. Dabei ist es bis heute geblieben. Verbindliche „Planungen der Landeshauptstadt Dresden für das Quartier gibt es derzeit nicht“, sagt Baubürgermeister Jörn Marx auf Anfrage. In der gleichen Beratung im Sommer 2011 beschloss der Ausschuss den Bebauungsplan 6003 über ein Einkaufs- und Geschäftshaus am Albertplatz: der Edeka-Beschluss. Damit war auch klar, dass am nahegelegenen Post-Areal nicht gleichzeitig größere Einkaufsflächen entstehen können.

Darum setzt der jetzige Eigentümer mehr auf Büros und kleinere Einkaufsflächen. Und wenn es ihm gelingt, für die Kantine wieder einen Betreiber zu finden, dann haben die Postsenioren keinen Stress. Sie können ihre Weihnachtsfeier 2014 am gleichen Ort planen. Mit Sekt, Stollen, Kaffee und Akkordeonorchester. Und Uwe Schulze bekommt wieder sein Jägerschnitzel.

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