Die Dresdner SPD hat seit dem Wochenende einen neuen Vorsitzenden. Und die politische Landschaft in Dresden ein neues Gesicht. Unbekannt ist der 55-jährige Oberstaatsanwalt Christian Avenarius allerdings nicht. Wie sonst ließe sich erklären, dass er bei der Kommunalwahl im Mai von einem aussichtslosen dritten Platz auf der SPD-Liste im Wahlkreis 8, zu dem Leuben, Laubegast, Kleinzschachwitz und Großzschachwitz gehören, in den Stadtrat gewählt wurde. Michael-Peter Bäuerle und Jacqueline Künzel, die auf Platz 1 und 2 kandidierten, schafften den Sprung in den Stadtrat nicht. Bäuerle wurde auf dem Unterbezirksparteitag der SPD an diesem Wochenende zum Schriftführer im Vorstand. Auf diesem Posten hatte Avenarius 2012 seinen Einstand im SPD-Vorstand gegeben.
Der im August 1959 in München geborene Avenarius ist seit 1991 in Sachsen. In den 90er Jahren arbeitete er als Richter am Amtsgericht und am Landgericht in Dresden, bevor er zur Staatsanwaltschaft Dresden wechselte und dort die Ermittlungsarbeit im Bereich Jugend und Jugendschutz leitete. 2005 übernahm er zusätzlich die Aufgabe als Sprecher der Behörde. Dieser Job verschaffte ihm aufgrund mehrerer Fälle deutschlandweite Medienpräsenz. Bei den Ermittlungen zur Entführung einer Schülerin oder bei der Ermordung einer 31-jährigen Ägypterin im Dresdner Landgericht sah man ihn auf allen Fernsehkanälen, las man seine Stellungnahmen nicht nur in den sächsischen Zeitungen, sondern auch in der Wochenzeitung Die Zeit oder im Spiegel. Der größte in Deutschland bisher durchgeführte Massen-Gentest ist ebenfalls mit seinem Namen verbunden. 80.000 Männer wurden im Sommer 2006 zur Aufklärung einer Sexualstraftat zum Gentest eingeladen.
>> Dresdens SPD hat neuen Vorstand gewählt
Als Sprecher der Staatsanwaltschaft zeigte sich auch eine typische Eigenschaft des Juristen. Wenn er etwas tut, dann ist für ihn nicht ausschlaggebend, was andere darüber denken. Als es zum Beispiel 2009 bei Ermittlungen gegen SPD-Urgestein Karl Nolle um die Frage nach einer undichten Stelle ging, bezeichnete Avenarius den Landtag als „Tratschbude“. Dort könnten geheimhaltungsbedürftige Dinge nicht geheim gehalten werden, sagte er der Sächsischen Zeitung. Er hat sich später für die Tratschbude entschuldigt. Dennoch war er ein Jahr später den Job als Behördensprecher los.
Mit ähnlichem Ungestüm ging Avenarius auch den Kampf um die Vorstandsspitze der SPD an. Ein Scheitern war einkalkuliert. Er hatte sich nicht umfänglich in den Ortsverbänden abgesichert. Für ihn war es einfach nur konsequent. Nachdem er vor einem Jahr zusammen mit Gleichgesinnten wie Stadtrats-Fraktionschef Peter Lames und der Landtagsabgeordneten Eva-Maria Stange mit einem offenen Brief eine Diskussion um Inhalte und Führungsstil in der Dresdner SPD angeschoben hatte, musste nun auch jemand aus diesem Kreis gegen die in Kritik stehende Vorsitzende Sabine Friedel antreten. Lames zögerte und wollte am Ende nicht, der Kompromisskandidat Albrecht Pallas fühlte sich Friedel verpflichtet, also sagte Avenarius: „Dann muss ich das eben machen, egal wie es ausgeht.“ Die Mail, mit der er den Vorstand darüber informierte, ist, so beteuert er, nicht von ihm umgehend öffentlich gemacht worden.
Auch bei einer anderen Frage ist sicher nicht der Jurist die Quelle. Mehrere Zeitungen haben Avenarius als künftigen Minister ins Gespräch gebracht, sollte es denn zu einer Großen Koalition kommen. Je nach Ausgang der Verhandlungen mit der CDU halten viele die Justiz oder die Innenpolitik als mögliche Varianten.
Darüber hat SPD-Landeschef Martin Dulig auf dem Parteitag natürlich nicht spekuliert. Er hat den Zweiflern gesagt, dass es Sache der SPD sei, „was wir aus einer solchen Koalition machen“. Und Dulig hat vor den Delegierten über die notwendige strategische Neuausrichtung der sächsischen SPD gesprochen. „Wir müssen uns breiter aufstellen und Angebote an Wähler und Unentschlossene im liberalen und bürgerlichen Lager machen“. Mit Avenarius hat er in Dresden für diese Linie einen klaren Verbündeten.
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