In vielen legalen Graffitis in Dresden steckt ein bisschen von Ellen Demnitz-Schmidt. Parkscheinautomaten, Verteilerkästen, die Bahnbögen am Bahnhof Mitte oder die Fußgängertunnel in Gorbitz gehören zu den Flächen, die die Stadt oder Unternehmen dem Verein Spike Dresden für seine Graffiti-Projekte zur Verfügung gestellt haben. Der Verein veranstaltet mit den Urban Syndroms „Ostdeutschlands älteste Graffitijam“, wie es stolz auf den Postern heißt – Ende Juni trafen sich die Sprayer bereits zum 16. Mal in Dresden.
An eine solche Erfolgsgeschichte hat die heute 54-jährige Ellen Demnitz-Schmidt 1995 noch nicht gedacht. In diesem Jahr hat sie den Verein „Altstrehlen 1 e.V. zur Förderung der Jugend“ gegründet. Im gleichen Jahr hat sie ihren Dienst als Lehrerin quittiert und widmet sich seitdem ganz der sozialen Arbeit.
Diese Entscheidung ist lange gereift. Zunächst absolvierte sie an der Pädagogischen Hochschule in Leipzig ein Lehrerstudium. Es folgten vier Jahre als Lehrerin in Görlitz, dann der Wechsel an eine Dresdner Schule. Im Wendejahr 1989 dachte sie viel über ihr Selbstbild als Lehrerin nach und hat sich intensiv mit Reformpädagogik beschäftigt. „Ich wollte eine partnerschaftlicher Lehrerin sein, aber dennoch kein Kumpel“, schildert sie ihre Überlegungen. Sie war Vertrauens- und Beratungslehrerin, kam so mit vielen Problemen der Schüler in Berührung. Und besuchte sie in ihrem illegalen Freizeit-Treff auf einem verfallenen Grundstück in Altstrehlen 1.
Die engagierte Pädagogin versuchte zunächst eine Legalisierung des Treffs auf diesem Grundstück zu erreichen, scheiterte jedoch. Nach einigen Anläufen und Gesprächen war es dann im Mai 1995 so weit. Mit ein paar ehemaligen Schülern sowie Eltern von Schülern gründete Demnitz-Schmidt einen Verein zur Förderung der Jugend und gab im den Namen „Altstrehlen 1 e. V.“ – weil es damit anfing. Im Oktober erhielten sie Räume zugewiesen und gaben dem Treff den Namen Spike.
Für die Vereinschefin wurde es zunehmend eine Frage von Zeit und Kraft, ihren Lehrerjob, die Aufgaben als Beratungslehrerin und die Anwesenheit im Jugendtreff zu stemmen. Der Schritt, den Lehrerjob an den Nagel zu hängen, fiel ihr letztlich nicht mehr allzu schwer. Seitdem setzt sie bei „Spike Dresden“ ihre Vorstellungen von selbstbestimmter, innovativer Pädagogik und partnerschaftlichem Umgang mit den Menschen um. „Jeder Mensch hat gute Fähigkeiten, die gefördert werden sollten“ – diese Einstellung gehört zum pädagogischen Programm, das auf der Homepage des Vereins auch ausführlich erläutert wird.
Seit 2000 befindet sich der Verein Spike Dresden in den Kellerräumen einer Schule auf der Karl-Laux-Straße 5. Er ist mehr als ein klassischer Jugendtreff. Zum Team gehören neben der Leiterin und einem Sozialpädagogen auch Dresdner Sprüher und Rapper, teils ehrenamtlich, teils auf Honorarbasis sowie etliche weitere Ehrenamtliche. Spike arbeitet eng mit der Hiphop-Szene, insbesondere mit der Graffiti-Szene zusammen. Inzwischen ist das Angebot stadtweit etabliert.
Seit 2000 tritt der Verein dafür ein, in der Stadt legale Flächen zum Besprühen mit Graffiti zu schaffen. Neben der Nutzung freier Flächen durch Jedermann, spielen aber auch Gestaltungsprojekte im öffentlichen Raum eine große Rolle. Die Graffiti-Arbeiten an den Bahnbögen in Dresden-Mitte sind zum Beispiel von Spike Dresden. In Zusammenarbeit mit der Stadt entstanden weitere Projekte. So gestalteten 120 Sprüher, durch Spike koordiniert, 2011 die Wände von drei großen Fußgängertunneln in Gorbitz. Viele weitere große Wandflächenflächen, Verteilerkästen im Dresdner Stadtgebiet und Parkscheinautomaten in der Dresdner Neustadt sind inzwischen dazugekommen.
„Spike Dresden versucht sowohl die Interessen der Sprüher, aber auch die der Dresdner miteinander möglichst in Einklang zu bringen“, betont Ellen Demnitz-Schmidt. Durch ihr Engagement wird die Graffiti-Szene in Dresden heute viel differenzierter und positiver wahrgenommen. Ihr Team leistet aber auch Aufklärungsarbeit über die juristischen Folgen von illegalen Sprühaktionen. „Viele, insbesondere jüngere Sprüher sind sich dieser Konsequenzen überhaupt nicht oder nicht ausreichend bewusst“, so die Erfahrung der Pädagogin. Trotz der Ausrichtung auf szenebezogene Angebote, ist der Verein für alle jungen Menschen offen.
Ein weiteres interessantes Projekt, das Spike vor ein paar Jahren ins Leben rief, ist die vierteljährlich stattfindende Vortragsreihe „Die Welt erleben“. Hier können jungen Leute in Wort und Bild über ihre Reisen in ferne Länder erzählen und von ihren Erfahrungen mit den Menschen und der vielleicht anderen Kultur berichten. Das nächste Mal am 25. September.
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