Vier Planstraßen sind im Langebrücker Wohngebiet „An der Heide“ eingezeichnet – A, C und D haben bereits Namen – Am Braugraben und Am Lärchenholz sind über jeden Zweifel erhaben, wie auch Hugo Hickmann. Hickmann ist 1955 in Langebrück gestorben und auf dem dortigen Friedhof begraben. Er wurde von den Nationalsozialisten im Dritten Reich und später von der SED drangsaliert.
Um die Benennung der Planstraße B gibt es Streit. Sie soll Bertha-Dißmann-Straße heißen. Dißmann hat seit 1920 bis zu ihrem Tod 1954 in Langebrück gelebt. Ihr Hauptwerk, den „Ratgeber für Herd und Haus“, erstmals 1912 erschienen, kann man heute noch bei Amazon finden. Sie war laut Wikipedia Vorsteherin der Haushaltsschule der Inneren Mission in Dresden. Derartige Haushaltsschulen „entstanden im Zuge der Frauen- und Reformbewegung und sollten junge Frauen beim Erwerb von Fähigkeiten im Kochen, Backen, Nähen, Handarbeiten und Putzen unterstützen. Dabei stand zunächst die Vorbereitung auf eine künftige Ehe im Vordergrund, später auch die allgemeine Berufsausbildung für Frauen“, so der Verfasser des Wikipedia-Artikels.
Der Streit geht um ihre mögliche Rolle und Haltung während des 1. Weltkriegs und im Dritten Reich. Tilo Wirtz von der Stadtratsfraktion der Linken hat recherchiert und einige Belege für die Staatsnähe der Kochbuchautorin gefunden – 1915 erschien in Dresden ein Flugblatt mit der Losung „Frauen, helft siegen! Winke für die vernünftige Verköstigung im Kriege“. Die Frauen werden als „Mitkämpferin im großen Krieg“ aufgerufen, „äußerste Sparsamkeit walten“ zu lassen. Das Vorwort zu ihrer 1934 erschienenen „Festküche“ unterschrieb sie 1934 „Mit deutschen Gruße“. 1938 zeigte Berta Dißmann, dass sie auch im Dritten Reich der Frau eine wichtige Rolle bei der Erfüllung der Staatsräson zusprach. „Erkenne die unbedingte Notwendigkeit und die unerhörte Größe des zweiten Vierjahresplanes. Habe Vertrauen dazu und glaube an das Gelingen!“ Man kann davon ausgehen, dass Bertha Dißmann wusste, dass der Zweite Vierjahresplan ein Werkzeug Hitlers war, um Armee und Wirtschaft wieder kriegsfähig zu machen. Und dass Hermann Göring als Bevollmächtigter für die Umsetzung des Zweiten Vierjahresplanes direkt von Hitler eingesetzt war.
„Berta Dißmann war eine Nazi-Anhängerin und Nazi-Unterstützerin und keine unpolitische Kochbuchautorin“, resümiert dann auch André Schollbach, Fraktionschef der Linken im Stadtrat. Für die Grünen gibt es eine bessere Alternative zu Bertha Dißmann – Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne verwies in der Debatte auf eine Broschüre mit Benennungsvorschlägen, die die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt schon 2007 erarbeitet hat. „Hier gibt es viele, über jeden Zweifel erhabene Frauenpersönlichkeiten“, sagte Filius-Jehne. Eine Straßenbenennung sei eine Ehrung.
Für die CDU sind die Vorwürfe nicht belegt. Sie bleibt bei ihrer Position. Ortsvorsteher Christian Hartmann, der auch der Kreisvorsitzende der Union in Dresden ist, verwies auf das einstimmige Votum im Ortschaftsrat Langebrück – Grüne, Linke, SPD und CDU. Der Namensvorschlag stamme sogar vom Linken-Mitglied Hans-Werner Gebauer, einem Historiker. Hartmann sagte, „Frau Dißmann war ein Kind ihrer Zeit. Ihr eine nationalsozialistische Grundhaltung zu unterstellen ist möglich, aber nicht nötig“. Franz-Josef Fischer von der Fraktion Freie Bürger appellierte an die Stadtratskollegen, den Langebrückern Recht zu geben und „hier keine Schlacht zu veranstalten“.
Die Stadträte votierten in namentlicher Abstimmung für den Antrag, der Planstraße B den Namen Bertha-Dißmann-Straße zu geben – 35 mit Ja, 31 mit Nein. Die Anwohner haben jetzt eine Adresse.