Unser Gesprächspartner Ulf Heinemann (46) ist bei Robotron Dresden für das operative Geschäft und die strategische Geschäftsentwicklung verantwortlich. Das Unternehmen am Stadtrand von Dresden hat 350 Mitarbeitet und ist auf Datenbankanwendungen spezialisiert. Bruder Björn Heinemann (40) ist Entwicklungschef im Energiebereich, dem derzeit umsatzstärksten Geschäftsfeld bei Robotron. Firmengründer Rolf Heinemann, der Vater von Ulf und Jörn, ist 77 Jahre alt und immer noch höchste und wichtigste Beraterinstanz. Und er hat die oberste Finanzkontrolle. Die Firma nutzt seine immensen Erfahrungen auch im Personalbereich, besonders bei Neueinstellungen. Gerade erst wurden in ein neues Büro- und Schulungszentrum 7,5 Millionen Euro investiert.
Auf Ihrem Schreibtisch liegen Planungsunterlagen für Wohnungen. Erschließen Sie gerade neue Geschäftsfelder für Robotron?
Die Robotron GmbH hat eine Villa in der Nähe erworben. Dort bauen wir drei Wohnungen aus, die wir für die Kinderbetreuung nutzen wollen. In Abstimmung mit der Stadt entsteht Platz für drei Tagesmütter, das heißt für maximal 15 Kinder. Wir hoffen, dass hier zum Jahresende die ersten Kinder betreut werden können.
Machen Sie sich Sorgen um die Mitarbeitergewinnung?
Im Moment haben wir noch keine Probleme. Die Universität mit ihren Fakultäten für Informatik und Wirtschaftsinformatik bildet gute Experten aus. Und weil Dresden eine schöne Stadt ist, bleiben viele auch gern hier. Aber an gut ausgebildeten Informatikern kann man nicht genug haben.
Und in fünf Jahren? Wird sich die Situation verschärfen?
Ich rechne damit, dass die Fachkräfte knapper werden. Der Kampf um die klugen Köpfe wird zunehmen. Und auch hier setze ich auf die Stadt und unsere Leistungskraft. Und darauf, dass wir bei Robotron hoffentlich bieten können, was sich ein Mitarbeiter wünscht. Wir haben einen eigenen Sportverein, einen Volleyballplatz, eine Kletterwand im Foyer, wir haben jetzt mehr Duschen und Umkleidemöglichkeiten für die Laufgruppe und für die vielen Mitarbeiter, die mit dem Rad kommen.
Das ist ein angenehmer Nebeneffekt des neuen Büro- und Schulungsgebäudes, das Sie gerade eingeweiht haben. Aber sicher nicht der Grund für die Investition?
Wir haben ein altes Bürogebäude hier in der Nähe. Das wollen wir veräußern, weil es nicht mehr dem Standard, den wir uns vorstellen, entspricht. Und weil wir uns für das Schulungszentrum auch ein besseres Ausstattungsniveau wünschen, haben wir ein neues Büro- und Schulungszentrum gebaut. So können wir die Weiterbildung für die Produkte unseres Partners Oracle und für unsere eigenen Angebote in hochmodernen Räumen mit Anbindung an alle erforderlichen Datenbanken anbieten.
Im anderen Teil des Gebäudes ist unser gesamter Projektbereich untergebracht – also die projektrealisierenden Abteilungen der drei Geschäftsbereiche Öffentliche Verwaltung, Industrie und Energiewirtschaft. Gleichzeitig haben wir uns gewisse Raumreserven geschaffen, für die etwa 20 bis 25 Mitarbeiter, die wir sicher im nächsten Jahr einstellen werden.
Das klingt nach klaren Vorstellungen über das geplante Wachstum. In welchen Geschäftsbereichen sehen Sie die größten Potenziale?
Wachstum allein ist keine Strategie! Wir wollen betriebswirtschaftlich sinnvoll und planbar wachsen. Wachstum entsteht daher, dass wir aufgrund einer guten Strategie neue Kunden gewinnen, neue Geschäftsfelder erschließen und neue Produkte entwickeln. Dafür brauche ich einfach mehr Manpower. Der Grundsatz bleibt trotzdem: Wachstum allein ist nicht selig machend. Und ein weiterer wichtiger Grundsatz für uns ist, dass wir den Personalzuwachs und sämtlichen Investitionsbedarf für die Produktentwicklung aus der eigenen Liquidität stemmen.
Robotron ist Experte im Verarbeiten von sehr großen Datenmengen. Können das inzwischen nicht viele?
Das ist richtig, große Datenmengen sammelt heutzutage jeder. Selbst im privaten Umfeld. Wer digital fotografiert, seine Bilder in verschiedenen Auflösungsvarianten speichert, Stichwörter vergibt, Ortsangaben, Belichtungszeiten, Blendengröße, Datum und Uhrzeit erfasst, weiß, was große Datenmengen sind und wieviele Möglichkeiten es gibt, diese auszuwerten.
Unsere Vision besteht darin, aus sehr großen Datenmengen Informationen zu gewinnen, die einen Mehrwert liefern. Das ist eine wichtige und herausfordernde Aufgabe. Und damit beschäftigt sich Robotron seit der Firmengründung.
Was sind bei Robotron große Datenmengen?
Das ist natürlich etwas mehr, als das heimische Excel verwaltet. Nehmen wir zum Beispiel die Lastgangdaten einer ENBW oder RWE, oder die gesamten Fördermitteldaten des Freistaates, oder die Daten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, oder die Prozessdaten von einem Automobilproduzenten wie BMW. Damit beschäftigen sich unsere Experten, die diese Daten verwalten und sinnvoll auswerten. Und die verschiedenen Projektteams sprechen die Fachsprache des Kunden, verstehen seine Probleme und Prozesse und können ihm darum genau die notwendigen Informationen mit dem berühmten Mehrwert liefern.
Den größten Teil des Umsatzes macht Robotron in der Energiewirtschaft. Profitieren Sie von der Energiewende?
Nein, es war die Liberalisierung des Strommarktes mit dem Anspruch, einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Lastgangdaten für alle Marktteilnehmer sicher zu stellen. Das war die Ausgangslage. Wenn Sie nun einen Lastgang hernehmen, besteht der aus 96 Werten am Tag, jede Viertelstunde ein Wert. Ein großer Sondervertragskunde – Lastgangsdaten werden ab einem Verbrauch von 100.000 Kilowattstunden pro Jahr ermittelt – zum Beispiel hat etliche fernauslesbare Zähler, die dann in diesen Intervallen Daten liefern. Diese Mengen werden ausgewertet, an das Abrechnungssystem weitergegeben, allen Stromverkäufern, den Stromproduzenten und dem Stromkäufer zur Verfügung gestellt. Das sind gigantische Datenmengen, die Sie bearbeiten und schleusen müssen. Robotron bietet im Kontext der großen Netzbetreiber in Deutschland dafür das marktführende System an.
Bleibt die Energiewirtschaft ihr größter Wachstumsmotor?
Wir machen hier derzeit cirka 70 Prozent des Umsatzes. Ich möchte gern in den Geschäftsbereichen Industrie und öffentliche Verwaltung mehr tun, um das entstandene Ungleichgewicht zugunsten der Energiewirtschaft nicht zu groß zu halten. Aber genügend Potenzial haben alle drei Bereiche.
Auch bei Kunden in Dresden?
ENSO, Drewag, Polizei oder Staatlichen Kunstsammlungen nutzen unsere Systeme. Als IT-Unternehmen ist heutzutage die Regionalität nicht mehr das alles entscheidende Kriterium. Aber Dresden als Standort ist für uns wichtig, die hohe Lebensqualität der Stadt. Das A und O sind die Mitarbeiter. Was unsere Firma ausmacht, ist das Wissen in den Köpfen. Da bin ich darauf angewiesen, dass sie sich hier wohlfühlen und diese Stadt mögen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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