Thema: Pegida

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Aktion „Herz statt Hetze“ sorgt für Kräftegleichgewicht zum Pegida-Jubiläum

Der Demo-Abend in Dresden war in vieler Hinsicht beispiellos. Erstmals gab es ein annäherndes Kräftegleichgewicht bei Pegida und Nopegida. Die von vielen befürchteten gewalttätigen Ausschreitungen sind im wesentlichen ausgeblieben. Der Polizei gelang es mit wenigen Ausnahmen, Zusammenstöße zwischen Pegida und Gegendemonstranten zu verhindern. Allerdings wurde sie selbst Opfer von Attacken von Seiten der Autonomen. Schon vor Ende der Pegida-Kundgebung machten sich viele Anhänger offenbar gelangweilt auf den Heimweg.

Mit großem Aufwand dokumentierten Journalisten von Print und Radio das Demo-Geschehen in Livetickern mit Video, Text und Fotos:
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Bereits am frühen Abend war klar, dass die Pegida-Anhänger ihr einjähriges Jubiläum auf dem Theaterplatz nicht ungestört feiern werden. Fünf Gegendemonstrationen bewegten sich aus Süden, Norden und Mitte auf den Theaterplatz zu. Deren Initiatoren haben es unter dem Motto „Herz statt Hetze“ geschafft, mehrere Tausend Anhänger zu mobilisieren. Sie wurden dabei von verschiedenen Initiativen aus Chemnitz, Halle, Leipzig und Berlin unterstützt. SPD-Kabinettsmitglieder wie Martin Dulig, Eva-Maria Stange oder Petra Köpping waren ebenso vertreten wie zahlreiche Stadträte aus dem rot-grün-rot-orangenen Bündnis.

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Bis zu 20.000 Teilnehmer trafen sich zum einjährigen Pegida-Jubiläum auf dem Theaterplatz. Foto: W. Schenk

Auf dem Theaterplatz war statt der üblichen Pegida-Bühne auf einem Kleintransporter dieses Mal eine stationäre Bühne mit großer Videoleinwand vor dem „Italienischen Dörfchen“ aufgebaut. Auf der Leinwand wurden immer wieder Videosequenzen aus einem Jahr Pegida-Demos eingeblendet. Neben Pegida-Gründer Lutz Bachmann sprachen Tatjana Festerling, Ed der Holländer sowie Gastredner aus Tschechien, Polen oder von der Lega Nord aus Italien. Die Reden wurden von den üblichen Sprechchören wie „Volksverräter“, „Lügenpresse“, „Merkel muss weg“ begleitet. Auf dem Weg zur Demo hörte man auch den bei der NPD verbreiteten Sprechchor „Hier marschiert der nationale Widerstand“.

Vor Beginn der Demo mussten sich viele Pegida-Anhänger ihren Weg durch die schon positionierten Gegendemonstranten bahnen. Aus Richtung Postplatz merkten so manche erst erschrocken an den Sprechchören, dass sie ihr Ziel noch lange nicht erreicht hatten. Vor dem Taschenberg-Palais wurden die Pegida-Anhänger zudem von mehr als 50 Mitgliedern der Satirepartei Die Partei begrüßt. Es gab unter anderem eine tanzende Geburtstagstorte mit Hitlerbärtchen und Sprüche wie „Ein Jahr im rechten Licht“. Den von Dresden Nazifrei angekündigten Protest in Seh- und Hörweite bekamen die Pegida-Anhänger vor allem vom Schloßplatz aus zu spüren.

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Hinter der Kette der Einsatzwagen war der Protest in Seh- und Hörweite deutlch zu vernehmen. Foto: W. Schenk

An der verdunkelten Semperoper mussten die Pegida-Anhänger die Statements der Künstler  zur Kenntnis nehmen. „Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass“ und „Wir sind keine Kulisse für Intoleranz.“ prangte es weit sichtbar über den Theaterplatz. Semperopern-Chef Wolfgang Rothe erklärte stellvertretend für die Institutionen, die sich an der Licht-Aus-Aktion beteiligt hatten: »Bei allem Respekt vor Meinungs- und Versammlungsfreiheit dürfen wir es nicht zulassen, dass Hassreden und fremden- und demokratiefeindliche Agitation eine Bühne bekommen und das gesellschaftliche Miteinander vergiften.“ Man wolle immer wieder auf die Radikalisierung der Pegida-Bewegung aufmerksam machen. Neben der Semperoper machten auch das Hygienemuseum, die Kunstsammlungen, die Gläserne Manufaktur und weitere Einrichtungen das Licht aus.

Der Studentengruppe durchgezaehlt der TU Dresden um Mathias Schuh war es gelungen, genügend Freiwillige für die Zählaktionen zu gewinnen und zu schulen. 15.000 bis 20.000 lautete die Schätzung für die Pegida-Demo auf dem Theaterplatz. Bachmann sprach von 39.000, ohne eine seriöse Quelle für diese Zahlenangabe zu nennen. Dem Studententeam war es auch gelungen, die Teilnehmer der einzelnen Sternläufe zu zählen. Bei der abschließenden Schätzung für alle Teilnehmer kamen sie auf 15.000 bis 19.000.

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Innenminister Markus Ulbig (CDU) bei einer Kurzvisite im Lagezentrum der Polizei am frühen Montagabend. Foto: W. Schenk

Innenminister Markus Ulbig (CDU) zeigte sich am frühen Abend kurz für einen Fototermin im Lagezentrum der Polizeidirektion Dresden in der Schießgasse. Sein Statement fiel denkbar knapp aus. „1000 Polizisten sind im Einsatz, bei Zwischenfällen wird konsequent durchgegriffen“. Die Ankündigung, dass man mit mehr als 20.000 Menschen rechnen müsse, erscheint im Nachhinein fast als Fehleinschätzung. Ohnehin wollte der Innenminister wohl vordergründig seine Solidarität mit den Einsatzkräften im Lagezentrum demonstrieren.

Gegen Mitternacht zieht die Polizei ihr Fazit zum Einsatztag: „Auch wenn der Tag im wesentlichen friedlich verlief, mussten auch diesmal einige Strafverfahren eingeleitet werden. Die Dresdner Polizei ermittelt derzeit unter anderem wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung sowie Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Drei Personen wurden in Gewahrsam genommen. Sie müssen sich wegen Körperverletzung und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz verantworten“, so Polizeisprecher Marko Laske. Insgesamt seien 1.900 Polizeibeamte im Einsatz gewesen – aus Sachsen, Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und von der Bundespolizei. An der Devrientstraße, so Laske, sei ein Mann, der nach eigenen Angaben auf dem Weg zur Versammlung Pegida war, von einem Unbekannten geschlagen worden. Er erlitt schwere Verletzungen und musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Auf der Ostra-Allee hätten mehrere hundert Personen versucht, den Heimweg der Pegidateilnehmer zu stören. Sie kippten Verkehrsschilder und Gitter auf die Straße. Polizeibeamte, die in dem Bereich präsent waren, wurden unter anderem mit Pyrotechnik beworfen.